Arbeitsvorhaben Prof. Dr. Peter Lichter
Ethische und rechtliche Aspekte der Totalsequenzierung des menschlichen Genoms unter besonderer Berücksichtung der Sequenzierung von Tumorgenomen
Die Analysen des menschlichen Genoms sind mit starkem medizinisch-diagnostischen und therapeutischen Interesse verknüpft, da Veränderungen des Genoms häufig mit bestimmten Krankheitsbildern korrelieren. Die jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet der hochauflösenden DNA Analyse führten zu einer enormen Senkung der DNA-Sequenzierungskosten. Damit wird diese Technik nun breit nicht nur für grundlagenwissenschaftliche sondern auch für diagnostische Fragestellungen verfügbar. Heidelberg spielt bei der Etablierung der Totalsequenzierung des menschlichen Genoms, insbesondere in dem Bereich der Onkologie, eine national führende Rolle. Der Antragsteller Peter Lichter ist Gründungsmitglied des Internationalen Cancer Genome Consortiums (ICGC) und Koordinator des ersten Deutschen ICGC Projekts, im Zuge dessen 600 Genome von pädiatrischen Hirntumoren sowie 600 Genome aus nicht-Tumor Gewebe der gleichen Patienten total sequenziert werden. In Kürze werden zwei weitere deutsche ICGC Projekte zum Prostata-Karzinom (Koordination in Heidelberg und Hamburg) und zu Lymphomen (Koordination Kiel) unter starker Heidelberger Beteiligung auf den Weg gebracht. Insbesondere die bioinformatischen Analysen aller drei Projekte werden von der Gruppe von Roland Eils in Heidelberg durchgeführt. Dabei werden neben tumorspezischen Veränderungen auch potentiell andere relevante genetische Informationen identizierbar. Wie geht man mit dieser "Überschußinfomation" um? Zur Zeit arbeiten das Uniklinikum und das Deutsche Krebsforschungszentrum in der genomweiten Forschung auf Grundlage ethischer und rechtlicher Regelungen, die sich an den bioethischen Richtlinien des International Cancer Genome Consortiums (ICGC), sowie an den Richtlinien des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT), dem die Gewebebank unter Schirmherrschaft der Medizinischen Fakultät und des Deutschen Krebsforschungszentrums angehört (Universitätsklinikum Informationsbroschüre Erziehungsberechtigte, Geschäftsordnung 2008, Prospektiver Antrag, Retrospektiver Antrag), orientieren. In solchen Regelungen und Richtlinien werden die angesprochenen Problemfelder bislang nur in Ansätzen erfasst. Es besteht daher ein großer Klärungsbedarf. Das hier vorgeschlagene Projekt steht in engem Zusammenhang mit dem bereits vorliegenden Marsilius-Projektantrag "Ethische und rechtliche Aspekte der Totalsequenzierung des menschlichen Genoms" und bezieht sich auf die in diesen Antrag eingebrachte Expertise des Antragstellers in der Tumorforschung und Tumordiagnostik.
Die Ziele des Projekts sind insbesondere:
- Interdisziplinäre Reflexion der ethischen und rechtlichen Probleme, die durch die Anwendung diagnostischen Verfahren mit zusätzliche anfallender Information entstehen.
- Initiierung und Qualizierung der Diskussion in der breiteren Öffentlichkeit um Chancen und Risiken der hochauflösenden DNA-Diagnostik.
- Erarbeitung von Empfehlungen, die in die Politikberatung und mögliche Gesetzgebungsverfahren in Deutschland sowie in die internationale Diskussionen um die Definitionen von ethischen und rechtlichen Standards einfließen sollen.