Vor 80 Jahren 1945: Heidelberg – Alle(s) verloren?
Wie erlebten die Menschen in Heidelberg das Ende des Zweiten Weltkriegs und die unmittelbare Zeit danach? Welche Bedürfnisse, Erinnerungen und Erwartungen, Hoffnungen und Sorgen prägten ihren Alltag?
Die Stadt war bis auf die Neckarbrücken unzerstört. Aber die Menschen, die in ihr lebten, waren durch die nationalsozialistische Diktatur und den Krieg tief gezeichnet: US-amerikanische Besatzungssoldaten und Offiziere, ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter (jetzt Displaced Persons) und Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung mussten mit Ausgebombten aus den Nachbarstädten, Kriegsheimkehrern und Flüchtlingen, den großen und kleinen Parteimitgliedern sowie den Frauen und Männern, Jungen und Alten der zerfallenen „Volksgemeinschaft“ von gestern zusammenleben. Was an ihre Stelle treten würde, zeichnete sich erst schemenhaft ab. Heidelberg war Durchgangsstation oder Heimat, früherer Repressionsort oder Hoffnungsziel und – für die Besatzungsmacht – Feindterritorium und politisches Missionsgebiet zugleich. Die Perspektiven waren höchst unterschiedlich.

Die von Doktoranden des Historischen Seminars konzipierte Fotoausstellung im Foyer der Neuen Universität wirft einen breiten Blick auf das komplexe und widersprüchliche Leben in der Stadt kurz nach dem Kriegsende. Neben vertrauten Ansichten möchte sie collagenartig die Menschen und ihren Alltag ins Zentrum rücken. Dafür setzt sie fünf Schwerpunkte: den Einmarsch der Amerikaner und den Beginn ihrer Besatzungsherrschaft, die Entnazifizierung und die demokratische Reorganisation, die Lebenswelt der Displaced Persons, die Ernährungs- und Versorgungslage in der Stadt sowie den Wiederbeginn des öffentlichen Bildungswesens und Kulturlebens.
Was für ein seltsames Jahr, dieses 1945, mit dem Kriegsschluss von 1918 in keiner Weise vergleichbar, ganz abgesehen von dem Ausmaß der Katastrophe für uns und die ganze Erde.
Marie Baum, Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin