Vergesellschaftete Schriften
In allen vormodernen Kulturen trifft man auf das Phänomen, dass Texte verschiedener Inhalte, Schriftformen und -arten, Sprachen oder Schreiberhände auf ein und dasselbe Artefakt geschrieben wurden. Das können Holzstäbe sein, die im klassischen China für Schreibübungen verwendet wurden und auf denen Sterbebett-Instruktionen eines Kaisers auf Privatbriefe folgen. Andere Beispiele artefaktvergesellschafteter Schriften sind die zwei- und mehrsprachigen Inschriften der antiken Oasenstadt Palmyra oder sekundäre Kritzeleien mit Name, Datum und Anlassbeschreibung auf frühneuzeitlichen Votivtafeln.
Darüber hinaus sind zwei oder mehr Schriftträger in spezifischen archäologischen Befunden bisweilen räumlich sehr eng miteinander vergesellschaftet. Allem Anschein nach waren dies beabsichtigte gemeinsame Archivierungen respektive Deponierungen. Ein Beispiel derartiger kontextvergesellschafteter Schriften sind die in Vorratsbehältern gefundenen 1.500 demotischen, griechischen und bilinguen Ostraka des späten 2. / frühen 3.Jh. n.Chr. aus dem Heiligtum von Narmuthis in Ägypten. Die bislang bekannten Stücke verweisen in einen Schulkontext, bezeugen aber auch tempelinterne Auseinandersetzungen der Priesterschaft.
Die skizzierten Phänomene sind zwar in Einzelfällen bereits immer wieder diskutiert worden, übergreifende, das heißt zeit-, raum- und kulturumspannende Studien aber fehlen noch völlig. Der Workshop verfolgt das Ziel, mittels breit gestreuter Fallbeispiele die Varianz artefakt- und kontextvergesellschafteter Schriften zu umreißen. Im Mittelpunkt steht die Frage nach den verschiedenen Konzeptionen von Schriftvergesellschaftungen, den Bedingungen ihrer Genese sowie den möglichen Intentionen.
Die Veranstaltung ist das Ergebnis der Arbeitsgruppe „Vergesellschaftete Schriften“ im Rahmen des SFB 933 „Materiale Textkulturen“.
Kontakt:
Prof. Dr. Andrea Jördens
Institut für Papyrologie, ZAW
Marstallstraße 6, 69117 Heidelberg
Ansprechpartner:
PD Dr. Ulrike Ehmig
Tel.: +49 (0)6221 54 3018
Email: ulrike.ehmig@uni-heidelberg.de