Kommentiertes Vorlesungsverzeichnis SoSe 2002

Vorlesung: Einführung in die Geschichte des Alten Orients

(Vorlesung für Hörer aller Fakultäten)

Donnerstag, 9.15 - 10.45 Uhr, Neue Universität, ehemaliger Senatssaal

Dr. Bär, Dr. Fincke, Dr. Frahm, Dr. Heeßel, R. Strauß M.A., Prof. Waetzoldt

Auch 150 Jahre nach der Entzifferung der babylonischen Keilschrift hat die Geschichte des Alten Orients im allgemeinen historischen Bewußtsein noch immer keinen rechten Platz gefunden. Bestenfalls wird sie als eine Art exotisches Präludium der Weltgeschichte betrachtet. In Wirklichkeit ist sie aber sehr viel mehr: Sie bildet, in den Worten W. Hallos, "the first half of history". Die keilschriftliche Dokumentation, die es erlaubt, die historischen Geschicke Mesopotamiens und seiner Nachbarkulturen zu studieren, wirft ihr Licht auf eine von 3300 v. Chr. bis in die ersten Jahrzehnte nach Christi Geburt reichende "longue durée" von fast dreieinhalb Jahrtausenden. Das in den Ruinenhügeln des Vorderen Orients geborgene Quellenmaterial, das Staatsarchive, Herrscherinschriften, chronographische Texte, Verwaltungsurkunden und viele andere Textgattungen umfaßt, außerdem natürlich eine Fülle archäologischer Zeugnisse, ist in mancher Hinsicht reichhaltiger als das der übrigen Alten Welt und macht eine differenzierte Darstellung zahlreicher Aspekte der politischen, sozialen und ökonomischen Geschichte Mesopotamiens möglich. Gleichzeitig stellt das Fehlen einer "kritischen", von Tempel und Palast unabhängigen autochtonen Geschichtsschreibung den modernen Historiker freilich auch vor eine Reihe schwieriger Probleme. Hauptgegenstand der Vorlesung ist die politische Geschichte des Alten Orients, die überblicksartig präsentiert werden soll. Am Rande sollen außerdem Fragen methodischer Art sowie neue historiographische Perspektiven (Frauengeschichte, "Geschichte von unten" u. a.) erörtert werden.

Teilnahmevoraussetzungen: Keine; für Hörer aller Fakultäten

Einführende Literatur: J. Bauer, R. K. Englund, M. Krebernik, Mesopotamien: Späturuk-Zeit und Frühdynastische Zeit, OBO 160/1, Freiburg, Göttingen 1998; E. Cassin et al. (Hrsg.), Die Altorientalischen Reiche I-III, Fischer Weltgeschichte, Bd. 2-4, Frankfurt 1966 (veraltet); J.-J. Glassner, Chroniques mésopotamiennes, Paris 1993; A. K. Grayson, Assyrian and Babylonian Chronicles, Locust Valley, New York 1975; H. G. Güterbock, "Die historische Tradition und ihre literarische Gestaltung bei Babyloniern und Hethitern", Zeitschrift für Assyriologie 42 (1934), 1-91; W. W. Hallo, "The Nabonassar Era and other Epochs in Mesopotamian Chronology and Chronography", in: E. Leichty et al. (Hrsg.), A Scientific Humanist: Studies in Memory of Abraham Sachs, Philadelphia 1988, 175-190; H. Klengel, Geschichte des Hethitischen Reiches, Handbuch der Orientalistik, 1. Abt., Bd. 34, Leiden, Boston, Köln 1999; A. Kuhrt, The Ancient Near East c. 3000 - 330 BC, 2 Bände, London , New York 1987; M. Liverani (Hrsg.), Akkad: the First World Empire, Padua 1993; J. Renger, "Vergangenes Geschehen in der Textüberlieferung des alten Mesopotamien", in: H.-J. Gehrke und A. Möller (Hrsg.), Vergangenheit und Lebenswelt. Soziale Kommunikation, Traditionsbildung und historisches Bewußtsein, Tübingen 1996, 9-60; M. Van De Mieroop, Cuneiform Texts and the Writing of History, London , New York 1999; ders., "On Writing a History of the Ancient Near East", Bibliotheca Orientalis 54 (1997), 285-305; W. Sallaberger, A. Westenholz, Mesopotamien: Akkad-Zeit und Ur III-Zeit, OBO 160/3, Freiburg, Göttingen 1999.

Beginn: 18.4.2002


Seminar: Urkundenlehre des dritten Jahrtausends

Dienstag, 11.15 - 12.45 Uhr, Hauptstr. 126, Raum 103

Prof. Waetzoldt

Derzeit fehlen eingehendere Untersuchungen zum Aufbau der sumerischen und akkadischen Urkunden aus dem 3. Jt. v. Chr. Daher soll in diesem Seminar anhand ausgewählter Beispiele die Grundstruktur von administrativen und juristischen Urkunden herausgearbeitet werden. Auch wird es zum Beispiel um die Fragen gehen, welche Elemente zu einer Empfangsquittung, einer Kaufurkunde oder einem Schuldschein gehören, und woran man eine Abrechnung erkennt. Soweit möglich sollen die Veränderungen in den verschiedenen Urkundenformularen im Verlauf des 3. Jt. v. Chr. geklärt werden. Die intensive Beschäftigung mit Aufbau und Inhalt der Urkunden bringt es mit sich, daß jede(r) TeilnehmerIn fundierte Kenntnisse über die verschiedenen Textgattungen und ihre Charakteristika erwirbt.

Teilnahmevoraussetzungen: Zwischenprüfung in Assyriologie.

Leistungsnachweise: Kursbegleitende Übungen.

Einführende Literatur: W. Sallaberger / A. Westenholz, Mesopotamien. Akkade-Zeit und Ur III-Zeit, Annäherungen 3, hrg. von P. Attinger und M. Wäfler, Orbis Biblicus et Orientalis 160/3, Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1999, S. 211-227. Vgl. auch J. Bauer / R. Englund / M. Krebernik, Mesopotamien. Späturuk-Zeit und Frühdynastische Zeit, Annäherungen 1, hrg. von P. Attinger und M. Wäfler, Orbis Biblicus et Orientalis 160/1, Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1998, S. 56ff., S. 273f.

Beginn: 23.4.2002


Seminar: Der Mythos lugal ud me-lám-bi-nir-gál

Mittwoch, 11.15 - 12.45 Uhr, Hauptstr. 126, Raum 103

Prof. Waetzoldt

Lugal-e, so der Kurztitel, läßt sich keiner literarischen Gattung direkt zuordnen. Es handelt sich am ehesten um einen Mythos mit epischen Teilen, doch gibt es auch historische Anspielungen, z.B. auf Gudea. Möglicherweise entstand diese 729 Zeilen lange Dichtung in der Provinz Lagasch bereits in der Ur III-Zeit, obwohl bisher nur Texte aus altbabylonischer Zeit publiziert sind. Im Mittelpunkt steht der Gott Ninurta, nur ein Text nennt Ningirsu, mit dem er sehr früh gleichgesetzt wurde. Er kämpft gegen einen Rebellenkönig aus den Bergen namens Azag und dessen Untergebene, die Steine. Dank der Hilfe der Scharur-Waffe und dem Eingreifen seines Vaters Enlil kann er seinen Feind besiegen und töten. Dann schafft er durch die Umleitung des Gebirgswassers in den Tigris die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Landwirtschaft in Mesopotamien. Einen breiten Raum in der Dichtung nimmt auch die Schicksalsbestimmung für die Steine, seine ehemaligen Feinde, ein. Ninurta tritt in dem Mythos Lugal-e einerseits als kriegerischer Gott, andererseits in seiner ursprünglichen Funktion als Fruchtbarkeitsgott auf und dann noch als Gott, der einen Teil der Weltordnung bestimmt. Schon in der altbabylonischen Zeit begann man Lugal-e ins Akkadische zu übersetzen. In meist zweisprachigen Fassungen wird Lugal-e bis weit ins 1. Jt. v. Chr. tradiert. Wegen der Länge dieser Komposition sollen ausgewählte Teile gelesen werden.

Teilnahmevoraussetzungen: Zwischenprüfung in Assyriologie.

Leistungsnachweise: Kursbegleitende Übungen.

Einführende Literatur: M.P. Streck, Artikel "Ninurta / Ningirsu", in: Reallexikon der Assyriologie 9, 512-522, bes. € 5.1; J. van Dijk, Lugal ud me-lám-bi nir-gál. Tome I-II, Leiden 1983 (Einleitung, Umschrift, Übersetzung); Th. Jacobsen, The Harps that once ... . Sumerian Poetry in Translation, New Haven / London 1987, S. 233-272; Übersetzung in Auszügen (Tafel III 110 bis V 190; VIII 334-367): W.H.Ph. Römer in: Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Band III/3. Mythen und Epen I, S. 434-448; St. Seminara, La Versione Accadica del Lugal-e, la tecnica Babilonese della traduzione dal Sumerico e le sue "regole". Materiali per il Vocabolario Sumerico Vol. 8, Roma 2001.

Beginn: 24.4.2002


Seminar: Die Araber im ersten Jahrtausend v. Chr. nach keilschriftlichen und frühnordarabischen Zeugnissen

Mittwoch, 15.00-16.30 Uhr, Schulgasse 2

Dr. Frahm, Dr. Sima

Obwohl sie im historischen Bewußtsein der Araber als ein initiales Ereignis von entscheidender Bedeutung gilt, markiert die Hidschra des Propheten Mohammed im Jahre 622 n. Chr., Ausgangspunkt der islamischen Zeitrechnung, keineswegs den Anfang ihrer schriftlich bezeugten Geschichte. Diese beginnt vielmehr fast anderthalb Jahrtausende früher im Jahre 853 v. Chr. mit der Teilnahme des arabischen Fürsten Gindibu' an der Schlacht von Qarqar, von der die Annalen des assyrischen Königs Salmanassar III. berichten. Zahlreiche Texte, vor allem keilschriftliche aus Mesopotamien und solche in früharabischer Alphabetschrift aus dem Norden der arabischen Halbinsel, stehen für eine Rekonstruktion der historischen Geschicke der Araber in vorchristlicher Zeit zur Verfügung. Dabei zeigt sich, daß viele Züge der früharabischen Stammes- und Staatenwelt, etwa die Rolle der Frau, sich sehr grundsätzlich von den Verhältnissen der islamischen Zeit unterscheiden. Das Seminar versucht, einen Überblick über die Frühgeschichte der Araber zu geben. Seine interdisziplinäre Anlage entspringt dem Bedürfnis, die hierbei einschlägigen Quellen, die sehr disparat und der philologischen Behandlung durch unterschiedliche Fächer unterworfen sind, in einer Zusammenschau zu präsentieren. Das Seminar richtet sich in erster Linie an Assyriologen und Semitisten, doch ist bei entsprechendem Interesse auch die Teilnahme von Islamwissenschaftlern, Althistorikern oder Theologen willkommen.

Teilnahmevoraussetzungen: Keine. Kenntnisse des Akkadischen und/oder Arabischen sind von Nutzen, aber nicht unbedingt erforderlich.

Leistungsnachweise: Referat.

Einführende Literatur: A. Cavigneaux, B. K. Ismail, "Die Statthalter von Suhu und Mari im 8. Jh. v. Chr.", Baghdader Mitteilungen 21 (1990), 321-456; M. Elat, "Die wirtschaftlichen Beziehungen der Assyrer mit den Arabern", in: S. M. Maul (Hrsg.), tikip santakki mala basmu ... (FS R. Borger), Groningen 1994, 39-57; I. Eph'al, The Ancient Arabs. Nomads on the Borders of the Fertile Crescent 9th - 5th Centuries B.C., Jerusalem, Leiden 1982; E. Frahm, "Perlen von den Rändern der Welt", in: K. Van Lerberghe, G. Voet, Languages and Cultures in Contact, OLA 96, Leuven 1999, 79-99; H. D. Galter, "'... an der Grenze der Länder im Westen". Saba' in den assyrischen Königsinschriften", in: A. Gingrich et al. (Hrsg.), Studies in Oriental Culture and History (FS W. Dostal), Frankfurt 1993, 29-40; E. A. Knauf, Ismael. Untersuchungen zur Geschichte Palästinas und Nordarabiens im 1. Jahrtausend v. Chr., 2. Aufl., Wiesbaden 1989; C. Robin, L'Arabie antique de Karib'il � Mahomet, Aix-en-Provence 1991; F. V. Winnett, W. L. Reed, Ancient Records from North Arabia, Toronto 1970.

Beginn: 24.4.2002


Seminar: Die Divination in Babylonien und Assyrien

Mittwoch, 16.45-18.15 h, Sandgasse 7, Raum 010.

Dr. Heeßel

Die im weitesten Sinne literarischen babylonisch-assyrischen Texte, die Leo Oppenheim mit dem glücklichen Begriff des "Traditionsstroms" (stream of tradition) belegt hat, bestehen zu einem großen Teil, nach Schätzungen etwa zu 40 Prozent, aus divinatorischen Abhandlungen. Die bedeutende Rolle, welche die Divination in Mesopotamien innehatte, wird auch durch die Schriften der Griechen und Römer und durch die Bibel bestätigt. Hier gilt die Divination zusammen mit dem "Turm zu Babel" als eines der hervorstechendsten Kennzeichen der babylonisch-assyrischen Kultur. Die in Mesopotamien praktizierten Divinationsformen reichen von hervorgerufen Omina, oft auch als Orakel bezeichnet, wie der Betrachtung von in Wasser gegossenem Öl (Lekanomatie), von aus Weihrauchständern aufsteigendem Rauch (Libanomantie), von in Wasser gestreutem Mehl (Aleuromantie) und der Innereien eines Opferschafes (Extispizin) bis zur Beobachtung von nicht hervorgerufenen Omina (omina oblativa). Zu diesen zählen alle Dinge, die als ungewöhnlich wahrgenommen wurden, wie Mißgeburten bei Tier und Mensch (Teratologie), Sonnen- und Mondfinsternisse, bestimmte Bewegungen der Planeten und Kometen (Astrologie), das Erscheinungsbild der Menschen (Physiognomie), das Verhalten von Tieren sowie die verschiedensten Geschehnisse in der Lebenswelt des Menschen. Darüber hinaus konnten Omina auch durch menschliche Medien im Traum oder durch Nekromantie hervorgerufen werden. Alle diese Divinationspraktiken stellen eine Form der Kommunikation mit den Göttern dar, deren Ziel es ist, das zukünftige Geschehen vorherzusagen und durch dieses Wissen Einfluß nehmen zu können. In dem Seminar soll ein Überblick über die verschiedenen Divinationsformen, ihre zeitliche und geographische Verteilung sowie eine Einführung in ihre Terminologie geboten werden.

Teilnahmevoraussetzungen: Akkadisch II.

Leistungsnachweise: Regelmäßige Mitarbeit.

Literatur: A.K. Guinan, "Divination", in: W.W. Hallo (Hrsg.), The Context of Scripture, Vol. I, Canonical Compositions from the Biblical World, 1997, 421-426; W. Farber, "Witchcraft, Magic and Divination in Ancient Mesopotamia", in: J.M. Sasson (Hrsg.), Civilizations of the Ancient Near East III, New York 1995, 1895-1909; A.L. Oppenheim, "The Arts of the Diviner", in: Ancient Mesopotamia. Portrait of a Dead Civilization, Chicago 1977, 206-227.

Beginn: 23.4.2002


Seminar: Die Inschriften der mittelbabylonischen "Grenzsteine" (kudurru)

Freitag, 10.15-11.45h, Sandgasse 7, Raum 010

Dr. Fincke

Im assyriologischen Sprachgebrauch bezeichnet das Wort kudurru (lit.: "Grenze, Grenzstein") eine Gruppe von Steinobjekten aus der Zeit der Kassiten und der Isin-II-Dynastie (2. Hälfte des 2. Jt. v. Chr. bis zum Beginn des 1. Jt. v. Chr.), die mit Inschriften versehen und mit Darstellungen von Göttersymbolen verziert sind. Die Inschriften beziehen sich in der Regel auf landwirtschaftlichen Grundbesitz, der als königliches Legat einer Person oder einem Gott übertragen wird oder bereits früher übertragen wurde. Gegen Ende der Kassiten-Herrschaft regeln mehr und mehr kudurrus auch die Freistellung von Abgaben und Leistungen (zakutu), die normalerweise mit dem Besitz von Immobilien verbunden sind. Die Isin-II-zeitlichen Exemplare haben meist Transaktionen von Grundbesitz zum Gegenstand, die unabhängig vom König getätigt wurden. Die kudurrus sind Rechtsdokumente (Landschenkungsverträge mit genauer Beschreibung des Grundbesitzes, Zeugenliste und Datum), die mit umfangreichen, dem Schutz der neuen Besitzverhältnisse dienenden Fluchformeln enden. Die in den Fluchformeln genannten Götter sind oft als Relief in Gestalt ihrer Symbole auf dem kudurru selbst dargestellt. In dem Seminar sollen einige ausgewählte kudurru-Inschriften gelesen und die bildlichen Darstellungen in ihrem Bezug zum Text betrachtet werden.

Teilnahmevoraussetzung: Zwischenprüfung.

Leistungsnachweise: kursbegleitende Übungen.

Literatur: J. A. Brinkman und U. Seidl, Stichwort "kudurru" im RlA 6 (1980-1983) 267 - 277; W. J. Hinke, Selected Babylonian Kudurru Inscriptions, SSS 14, Leiden 1911; L. W. King, Babylonian Boundary-Stones and Memorial Tablets, London 1912; Franz X. Steinmetzer, Die babylonischen Kudurru (Grenzsteine) als Urkundenform, Paderborn 1922; Walter Sommerfeld, Der babylonische "Feudalismus", AOAT 240 (Fs. von Soden), Neukirchen-Vluyn1995, 467 - 490. Zu den bildlichen Darstellungen: Ursula Seidl, Die babylonischen Kudurru-Reliefs. Symbole mesopotamischer Gottheiten, OBO 87, Freiburg - Göttingen 1989.

Beginn: 18.4.2002


Seminar: Kunst und Kultur von Urartu

Dienstag, 16.15-17.45 h, Neue Universität, Hörsaal 4

Dr. Bär
Urartu - das sagenumwobene Reich am Fuße des Berges Ararat, auf dem nach biblischer Überlieferung die Arche Noah gestrandet sein soll, ist schon kurz nach seinem Untergang der völligen Vergessenheit anheimgefallen. Mehrere Jahrhunderte sollte es dauern, bis man durch Berichte von Forschungsreisenden und Untersuchungen von Orientalisten wieder auf diese einstige vorderasiatische Großmacht aufmerksam wurde. Dabei galt das Interesse der europäischen Gelehrten zun�chst den in Keilschrift verfaßten Schriftzeugnissen sowie der großartigen Felsarchitektur von Burgen und befestigten Siedlungen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelangten dann urartäische Kunstwerke in großer Zahl aus Raubgrabungen in die Museen und Sammlungen Europas, die zur Klassifizierung einer eigenständigen Kunst und Kultur Urartus führten. Das ehemalige Gebiet dieses antiken Staates dehnt sich heute zum größten Teil auf die Republik Armenien sowie den Osten der Türkei aus; zu kleineren Teilen auf den Iran und den Iraq. Sein Zentrum kann im ostanatolisch-armenischen Bergland zwischen Van-, Urmia- und Sevan-See lokalisiert werden. Nach dem allmählichen Zusammenschluß kleiner Fürstentümer und zahlreicher Bergstämme im Laufe des 2. Jtsds. v. Chr. bestand Urartu in der Konstellation eines einheitlichen Reiches nur knapp drei Jahrhunderte lang, vom 9. bis zum 7. Jh. v. Chr. Allerdings avancierte es in dieser kurzen Zeitspanne zu einer der bedeutendsten Mächte, welche die politischen Geschicke sowie die Kunst- und Kulturgeschichte Vorderasiens wesentlich mitgestaltet hat. Die latent vorhandene Rivalität zu Assyrien wirkte sich dabei nicht nur destruktiv auf beide Staaten aus, sondern durchaus auch motivierend und gegenseitig befruchtend. Dies deckt sich mit den zahlreichen, vorwiegend assyrischen Nachrichten über die Urartäer. Ab dem 13. Jh. v. Chr. sind sie inschriftlich als ethnisch-politisches Gebilde bezeugt und werden noch unter dem Sammelbegriff der Nairi-Länder subsumiert. Seit der Regierung des neuassyrischen Königs Assurnaâirpal II. (883-859 v.Chr.) wächst der nunmehr in den Inschriften mit Ur(u)atri/Urartu bezeichnete Staat zu einer ständigen Bedrohung des assyrischen Imperiums heran. Zeitweilig entstehen aber auch immer wieder Situationen, in denen Urartu, das von seinen Einwohnern mit "Biainili" bezeichnet wird, als Bündnispartner fest an der Seite Assyriens steht. In dieser wechselvollen Beziehung konnte der Einfluß der jahrtausendalten und übermächtigen mesopotamischen Kulturkoine nicht ausbleiben. Dies machte sich einerseits vor allem in der Übernahme der Keilschrift, der Herrschertitulatur und -ideologie, administrativer Strukturen sowie der Ikonographie bemerkbar; andererseits in der Anwendung politisch-militärischer Instrumentarien von der Schaffung eines Bündnis- und Vassallensystems bis hin zu Beute- und Tributzügen mit anschließenden Deportationen unterlegener Völker. Dennoch hat sich die urartäische Zivilisation ihr eigenes Gepräge bewahrt, das in der dem Hurritischen eng verwandten Sprache, dem Staatswesen und der Religion, einer hochentwickelten Technik und Architektur sowie einem äußerst qualitätsvollen Kunsthandwerk zum Ausdruck kommt. An erster Stelle ist hier die exquisite Toreutik zu nennen, deren Produkte bis nach Griechenland und sogar Etrurien (Italien) exportiert wurden. Zweifellos stellt Urartu damit einen unverzichtbaren Themenkomplex innerhalb der altorientalischen Kulturen dar. Insbesondere nach dem Zerfall der Sowjetunion hat die archäologische Erforschung Urartus wieder entscheidende Anstöße erhalten. Die noch junge Armenische Republik öffnet sich im Bewußtsein ihres vorchristlichen Erbes wieder international, so daß im vergangenen Jahrzehnt zahlreiche Ausgrabungen initiiert und bis zur Publikationsreife durchgeführt werden konnten. Dies wirft auch ein Licht auf die in dieser Region hochaktuelle Verknüpfung von Kultur und Politik im internationalen Spannungsfeld.
Das Ziel des Seminars, das sich an Archäologen und Philologen gleichermaßen richtet und für Anfänger und Fortgeschrittene beider Fachrichtungen geeignet ist, besteht in der Erwerbung profunder Kenntnisse zur politischen Geschichte, den geographischen Verhältnissen sowie der materiellen und intelektuellen Kultur Urartus. Dies soll als Diskussionsgrundlage und Ausgangsbasis für weitere Überlegungen dienen; nämlich der Einordnung und Bewertung Urartus im Gesamtkontext Vorderasiens, dem Erkennen autochthoner und äußerer Einflüsse im urartäischen Gedankengut sowie der Beurteilung aktueller Grabungs- und Forschungsergebnisse in dieser Region.
Die Scheine, die in dieser Veranstaltung erworben werden, können wahlweise für das Fach Assyriologie oder Vorderasiatische Archäologie ausgestellt werden.

Teilnahmevoraussetzung: Keine.

Leistungsnachweise: Mündliche Referate / "Hand-out".

Literatur: E. Akurgal, Urartäische Kunst. Anatolia 4, 1959, 77ff.; ders., Orient und Okzident (Baden-Baden 1966); ders., Urartäische und Altiranische Kultzentren (Ankara 1968); P. Amiet, Antiquités orientales au Louvre. Les bronzes ourartéens, Mémorial Atatürk (Paris 1982), 13ff.; R.D. Barnett, Urartu. in: The Cambridge Ancient History III (Cambridge 1982)2, 314ff.; Th. Beran, Urartu. in: H. Schmökel, Kulturgeschichte des Alten Orient (Stuttgart 1961), 606ff.; S. Eichler, Götter, Genien und Mischwesen in der urartäischen Kunst. Archäologische Mitteilungen aus Iran. Ergbd. 12 (Berlin 1984); Th.B. Forbes, Urartian Architecture (Oxford 1983); Jh. Friedrich, Einführung ins Urartäische. Mitteilungen der Vorderasiatisch-Aegyptischen Gesellschaft 37/3 (1933); ders., Urartäisch. in: Handbuch der Orientalistik, Altkleinasiatische Sprachen (Leiden/Köln 1969), 31ff.; V. Haas (Hg.), Das Reich Urartu. Ein altorientalischer Staat im 1. Jahrtausend v.Chr. Xenia 17 (Konstanz 1986); B. Hrouda, Vorderasien I. Mesopotamien, Babylonien, Iran und Anatolien. Handbuch der Archäologie (München 1971), 257ff.; H.-J. Kellner (Hg.), Urartu. Ein wiederentdeckter Rivale Assyriens. Ausstellungskatalog der Prähistorischen Staatssammlung München 2 (München 1976); F.W. König, Handbuch der chaldischen Inschriften. AfO Bh. 8 (Graz 1955-57); S. Kroll, Das Reich Urartu (Hamburg 1979); M.N. van Loon, Urartian Art. Its Distinctive Traits in the Light of New Excavations (Istanbul 1966); ders., Urartäische Kunst in: W. Orthmann (Hg.), Der Alte Orient. Propyläen Kunstgeschichte 14 (Berlin 1975), 453ff.; W. Mayer, Sargons Feldzug gegen Urartu - 714 v.Chr.: Eine militärhistorische Würdigung. MDOG 112, 13ff.; ders., Sargons Feldzug gegen Urartu - 714 v.Chr. Text und Übersetzung. MDOG 115, 1983, 65ff.; B. Öhün, Die urartäischen Bestattungsbräuche. in: Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens (Festschrift F.K. Dörner) (Leiden 1978), 639ff.; P.E. Peccorella, M. Salvini, Tra lo Zagros e l'Urmia (Rom 1984); B.B. Pjotrowski, Urartu. Archaeologia Mundi (Genf 1969); M. Riemschneider, Das Reich am Ararat (Leipzig 1965); M. Salvini, Geschichte und Kultur der Urartäer (Darmstadt 1995); L. Vanden Berghe, L. DeMeyer, Urartu. Een vergeten cultuur uit het bergland Armenie (Gent 1982); R.B. Wartke, Urartu. Das Reich am Ararat. Kulturgeschichte der Antiken Welt, Bd. 59 (Mainz 1993).

Beginn: 23.04.2002


Übung: Einführung in das Sumerische

Dienstag, 9.15-10.45h, Sandgasse 7, Raum 010

Prof. Waetzoldt

Das Sumerische gehört zu den agglutinierenden Sprachen wie das Hurritische und Urartäische oder heute das Türkische, Ungarische und Baskische. Sumerisch wurde im 3. Jahrtausend v. Chr. im südlichen Mesopotamien gesprochen und starb bereits um 2000 v. Chr. als gesprochene Sprache aus, blieb aber bis zum Ende der Keilschriftkulturen Sprache des Kults und der Religion. Die Sumerer beeinflußten nachhaltig die anderen Kulturen im Vorderen Orient, und in fast allen akkadischen und hethitischen Texten findet man zahlreiche mit Sumerogrammen geschriebene Wörter.

Teilnahmevoraussetzungen: Keine.

Leistungsnachweise: kursbegleitende Übungen.

Literatur: M.L. Thomsen, The Sumerian Language (Mesopotamia. Copenhagen Studies in Assyriology Vol. 10) 1984 und eigene Unterrichtsmaterialien.

Beginn: 23.4.2002


Übung: Neusumerische Rechtsurkunden (Fortsetzung von Sumerisch II)

Mittwoch, 9.15-10.45h, Sandgasse 7, Raum 010

Prof. Waetzoldt

Die juristischen Texte geben einerseits Auskunft über die rechtlichen Praktiken und Vorstellungen in der neusumerischen Zeit. Andererseits sind sie entsprechend den juristischen Erfordernissen sehr präzise formuliert und enthalten viele Nebensatzkonstruktionen, aber auch wörtliche Rede. Deswegen sind sie für Studierende mit Grundkenntnissen im Sumerischen besonders geeignet zur Vertiefung der Kenntnisse des Verbalsystems, der Bildungsweisen von Nebensätzen und der Syntax.

Teilnahmevoraussetzungen: Teilnahme an Sumerisch II.

Leistungsnachweise: Abschlußklausur als Teil der Zwischenprüfung im Fach Assyriologie.

Literatur: A. Falkenstein, Neusumerische Gerichtsurkunden, Bd. I-III, München 1956; E. Sollberger, in: Alter Orient und Altes Testament Bd. 25 (= Festschrift S.N. Kramer) 435-450; M. Cig - H. Kizilyay - A. Falkenstein, Zeitschrift für Assyriologie 53, 51-92; M. Malul, Acta Sumerologica (Japan) 11, 145-154; T. Gomi - S. Sato, Selected Neo-Sumerian Administrative Texts from the British Museum Nr. 125, 192f., 210f., 220, 320f., 333f., 360, 372-374; M. Sigrist, in: Solving Riddles and Untying Knots. Biblical, Epigrahic and Semitic Studies in Honor of J.C. Greenfield, Winona Lake 1995, S. 609-618; P. Steinkeller, Sale Documents of the Ur III-Period = Freiburger Altorientalische Studien Bd. 17.

Beginn: 24.4.2002


Übung: Akkadisch (Assyrisch-Babylonisch) II

Freitag, 8.15-9.45 h, Sandgasse 7, Raum 010

Dr. Frahm

Aufbauend auf dem Einführungskurs Akkadisch I sollen die Teilnehmer nun an die Lektüre vollständiger akkadischer Texte herangeführt werden. Im Mittelpunkt stehen zunächst altbabylonische Briefe und der berühmte sog. Codex Hammurapi. Weiterhin werden anhand von ausgewählten Texten Kenntnisse der babylonischen Literatursprache des ersten Jahrtausends v. Chr. vermittelt.

Teilnahmevoraussetzungen: Akkadisch (Assyrisch-Babylonisch) I.

Leistungsnachweise: Kursbegleitende Übungen.

Literatur: R. Borger, Assyrisch-Babylonische Lesestücke, 2. Auflage, Rom 1979; W. von Soden, Grundriß der akkadischen Grammatik, 3. Auflage, Rom 1995.

Beginn: 19.4.2002


Übung: Einführung in die hethitische Sprache

Dienstag, 11.15-12.45, Sandgasse 7, Raum 010

R. Strauß M. A.

Das Hethitische ist die älteste schriftlich überlieferte indo-europäische Sprache. Die keilschriftlichen Dokumente in hethitischer Sprache, deren Gros aus den Archiven der hethitischen Hauptstadt Hattusa (Bogazköy) stammt, sind in die Zeit vom 16. bis zum Ende des 13. Jh. v. Chr. zu datieren. Staatsverträge, Landschenkungsurkunden, Gerichtsprotokolle und Gesetzestexte, Mythen und Gebete, Ritualtexte u. v. m. gewähren Einblick in ganz unterschiedliche Lebensbereiche der Hethiter und bieten außerdem wertvolle Informationen zur politischen und kulturellen Einbindung des hethitischen Kleinasiens in seine altorientalische Umwelt. In dem Einführungskurs werden die grammatischen und keilschriftlichen Grundlagen für die Lektüre einfacher hethitischer Texte vermittelt.

Teilnahmevoraussetzungen: Keine.

Literatur: J. Friedrich, Hethitisches Elementarbuch I: Kurzgefaßte Grammatik, 3. Aufl., Heidelberg 1974; ders., Hethitisches Elementarbuch II: Lesestücke in Transkription, 2. Aufl., Heidelberg 1967; ders. Hethitisches Wörterbuch, Heidelberg 1952; E. Neu/C. Rüster, Hethitisches Zeichenlexikon, StBoT Bh. 2, Wiesbaden 1989.

Beginn: 23.4.2002

Verantwortlich: E-Mail
Letzte Änderung: 02.03.2008
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