Kampagne 2010
Die Sommerkampagne 2010 begann Anfang August und erstreckte sich bis Anfang Oktober. Die Grabungsmannschaft setzte sich aus dreizehn Mitarbeitern zusammen, vorwiegend Studierende aus Fächern des Zentrums für Altertumswissenschaften der Universität Heidelberg.
Der Wiederaufbau einer funktionierenden Infrastruktur stellte die Mannschaft vor große Herausforderungen, denn im Zeitraum seit der letzten Kampagne im Frühjahr 2007 waren Schäden am Grabungshaus aufgetreten und zahlreiches eingelagertes Material war gestohlen oder unbrauchbar geworden. Der hohen Motivation und dem Einsatz der Mitarbeiter ist es zu verdanken, daß die Verluste rasch ersetzt und eine Versorgung der Grabung mit Material, Lebensmittel sowie mit Wasser schnell hergestellt werden konnten (Abb. 9).
Während der neun Wochen Grabungszeit ist an mehreren Sondagen gearbeitet worden (Abb. 10), wobei neben grundsätzlichen Erfahrungen zur stratigraphischen Situation und dem Aufkommen von Fundmaterial – insbesondere im Bereich der Versturzschichten – auch bereits mehrere Einzelfragen gelöst werden konnten:
So gelang für die unklare Grundrißdisposition im Bereich des Ostabschlusses der Hauptkirche selbst der Nachweis einer Nebenapsis, die sich östlich an den nördlichen Nebenraum angeschlossen hat. Diese zeigt eine Lage aus profilierten Kalksteinquadern über einem Sockel aus Basaltmauerwerk (Abb. 11); da das in diesem Bereich angetroffene Versturzmaterial vorwiegend aus Kalksteinen bestand, dürften zumindest größere Teile dieser Nebenapsis daraus gebaut gewesen sein.
Eine Sondage im nördlichen Teil der Hauptapsis war weniger aufschlußreich, weil der entsprechende Bereich infolge früherer Raubgrabungen stark gestört war.
Zwei Sondagen im nordwestlichen Bereich des Hofes ließen uns hingegen den Teil eines Raumes des Nordtraktes fassen, der vom Hof aus durch einen aus Basaltmonolithen zusammengesetzten Durchgang zugänglich war (Abb. 12). Diese Sondagen legten Zeugnis von intensiver Nachnutzung ab, zu der auch Gebäudestrukturen gehören, die – mutmaßlich nachträglich – in den Hof zwischen Nordtrakt und Hauptkirche eingebaut worden waren (Abb. 13).
Zu den 2010 durchgeführten Arbeiten gehörte außerdem die Reinigung und anschließend die teilweise Verfüllung des großen Raubloches, das in den 1980er Jahren mit schwerem Gerät im vom südlichen Hof aus in den mittleren Bereich je des südlichen Seitenschiffes und des Mittelschiffes gegraben worden war (Abb. 14). Nach Reinigung der Profile konnten die Böden, die Fundamente und die Fundamentgruben in diesen Bereichen dokumentiert werden (Abb. 15).
Schließlich konnte ein knappes Viertel des kleinen Nebengebäudes im Südosten der Kirche freigelegt werden. Neben dem Nachweis eines gepflasterten Hofes südlich davon – zwischen dem Gebäude selbst und dem Südtrakt (Abb. 16) – konnte im Inneren ein fragmentierter dekorloser Mosaikboden aufgedeckt werden, der mutmaßlich zur bauzeitlichen Ausstattung zu rechnen ist (Abb. 17). Die in situ darauf aufgefundenen Basalttröge hingegen dürften, so unsere gegenwärtige Annahme, einer Nachnutzungsphase angehören.
In den Versturzschichten, in denen die Grabung bisher fast ausschließlich arbeitete, ist recht reichhaltiges Fundmaterial zutage gekommen: Neben Keramikfragmenten (Abb. 18) und den Trümmern von Marmorinkrustationen sowie von Opus-sectile-Böden (Abb. 19) konnten auch Bruchstücke von figürlicher Skulptur (Abb. 20) sowie von Ausstattungsgegenständen (Abb. 21) sowie einzelne Metallobjekte (Abb. 22) geborgen werden. Einen wesentlichen Fund stellt sicher die Inschrift eines Thomas dar, die sich auf einem Türsturz befindet, der im Aushub des großen Raubloches zum Vorschein kam (Abb. 23): Die Inschrift - "+ΘΩΜΑ+ / +ΕΤОΥΣ ΓΩ+" - nennt das Jahr 803 der seleukidischen Ära, also das Jahr 491/492 n. Chr. und stellt damit die früheste bekannte monumentale Bauinschrift aus al-Andarin dar. Wenn ihre genaue Provenienz auch bisher nicht zu ermitteln war, so dürfte sie doch in einem Zusammenhang mit dem Ensemble aus Hauptkirche und den sie umgebenden Bauten zu sehen sein.
Im Anschluß an die Freilegung wurden die Mauerkronen der Basaltmauern mit Kalkmörtel gegen weitere Auswaschungung durch die Winterregen gesichert (Abb. 24). Auch mußte eine größere Ausbruchsstelle im Mauerwerk unterhalb des nördlichen Apsisbogenansatzes mit einer Füllung aus Kalkmörtel und Bruchsteinen stabilisiert werden (Abb. 25). Die Mauerkronen der Lehmziegelmauern wurden mit mehreren Schichten aus Lehmmörtel und Dachziegelfragmenten bedeckt, um die originale Substanz vor weiterer Erosion zu schützen (Abb. 26). Original erhaltene Bodenbeläge wurden mit Folien und Sand bedeckt, Sandsäcke sollen die Schnitte vor einlaufendem Regenwasser schützen (Abb. 27).