Talks on Minority Issues - Heidelberger Reihe zu Minderheitenfragen
24.05.2016 Talks on Minority Issues - Heidelberger Reihe zu Minderheitenfragen mit Dr. Simon Teune
Vom „Türken-Streik“ bis Pegida – Migration und Minderheiten in der Protestgeschichte der Bundesrepublik
Am Dienstag, den 24.05.2016 sprach der Soziologe und Protestforscher Dr. Simon Teune um 18.15 Uhr im Hörsaal des Historischen Seminars über Protestereignisse um Migration und Minderheiten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Kaum ein Thema polarisiert derzeit mehr als die Flüchtlings- und Asylpolitik. Gegenwärtig erlebt die Bundesrepublik die größte rassistische Mobilisierung ihrer jüngeren Geschichte und eine Welle der Gewalt gegen Geflüchtete und Menschen, die als „fremd“ markiert werden. Diese Mobilisierung wird von Gegenprotesten begleitet, zehntausende engagieren sich zudem für eine „Willkommenskultur“ zur Unterstützung der neu ankommenden Menschen. Ferner meldet sich auch eine selbstorganisierte Flüchtlingsbewegung mit ihrem Kampf um Bleiberecht und ein würdiges Leben zurück.
Auch wenn das Ausmaß dieser Polarisierung und Proteste neu ist: Öffentlich ausgetragene Konflikte um Migration und Minderheiten haben eine lange Geschichte. Hierzu zählen auch Demonstrationen und Streiks, die von Migranten selbst ausgingen, wie etwa der aufsehenerregende sogenannte „Türken-Streik“ bei Ford 1973. Wie sind die Themen Migration und Minderheiten in die bundesdeutsche Protesthistorie einzuordnen? Ausgehend von einer Datenbank, die Protestereignisse von 1950-2002 auswertet, zeichnete der Vortrag die Entwicklung der politischen Mobilisierung zu Migration und Minderheiten nach und setzte sie ins Verhältnis zu den thematischen Konjunkturen der bundesdeutschen Protestgeschichte. [Flyer]
Zur Person:
Dr. phil. Simon Teune ist Ko-Leiter des Bereichs „Soziale Bewegungen, Technik, Konflikte“ am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin und Mitbegründer des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung (protestinstitut.eu). Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind Protest und Zivilgesellschaft, politische Öffentlichkeit sowie visuelle Kultur.
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SINTI IN DER FRÜHEN NEUZEIT. Zur älteren Geschichte einer deutschen Minderheit
Mitveranstalter: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
Am Dienstag, den 3. November 2015 um 18.15 Uhr stellte der Historiker Dr. Ulrich F. Opfermann seine Quellenarbeit und deren Ergebnisse über die Lebenswirklichkeit der frühneuzeitlichen Sinti im westlichen Mitteleuropa im Hörsaal des Historischen Seminars vor.
Sinti sind im westlichen Mitteleuropa seit dem Beginn des 15. Jahrhundert Teil der regionalen Bevölkerung. Trotz einer inzwischen sechshundertjährigen Präsenz in einem begrenzten Raum zeigt sich nur eine schwache und korrekturbedürftige Überlieferung. Die fachliche Literatur tradierte und tradiert retrospektiv vor allem stereotype "Zigeuner"-Bilder. Bemerkenswert wenig ist über das reale Leben der Minderheit als Teil der frühneuzeitlichen Gesellschaft in Mitteleuropa zu erfahren.
Der Referent ist einer der wenigen, der in Archiven nach handschriftlichen Zeugnissen suchte und viele bislang unentdeckte Quellen fand. Der Vortrag berichtet über die Quellenrecherche sowie über deren Ergebnisse und bietet einen Blick auf die Lebenswirklichkeit der frühneuzeitlichen Sinti im westlichen Mitteleuropa, auf deren Verhältnis zur Bevölkerungsmehrheit und zu den staatlichen Instanzen.
Zur Person:
Dr. Ulrich F. Opfermann ist promovierter Historiker. Er studierte Volkswirtschaft, Geschichte, Germanistik und Erziehungswissenschaften an der Universität Köln und an der Gesamthochschule Siegen. Als Vorstandsmitglied war er in der NS-Gedenkstätte Aktives Museum Südwestfalen in Siegen und beim Verein Rom e.V. in Köln aktiv. Bis heute ist er weiterhin für beide Institutionen tätig. Er engagierte sich auch im Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten NRW. Zudem ist er Mitglied der Gesellschaft für Antiziganismusforschung. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Geschichte Westdeutschlands und Nordrhein-Westfalens, der deutschen Nationalismus- und NS-Geschichte sowie in der Geschichte von Sinti und Roma, Juden und Jenischen.
Bild: aus dem Zyklus "Les Bohémiens" von Jacques Callot, 1621.
Hier finden Sie den Flyer und das Plakat zur Veranstaltung.
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Der Bann des Fremden. Die fotografische Konstruktion des 'Zigeuners' [Flyer] [Pressemeldung]
Am Dienstag, den 9. Dezember 2014 um 18 Uhr c.t. stellte der Historiker Frank Reuter seine Untersuchung zur Rolle der Fotografie bei der Genese des „Zigeuner“-Bildes im 19. und 20. Jahrhundert vor.
Wer Fotos von ‚Zigeunern‘ betrachtet, knüpft an ein kollektiv geteiltes, vermeintliches Wissen an: Eine jahrhundertealte Ikonografie des ‚Fremden‘ macht den ‚Zigeuner‘ zur Projektionsfläche für Überlegenheitsfantasien und Angstbilder, aber auch für erotische und exotische Sehnsüchte.
Anhand ausgewählter Bildbeispiele sollen sowohl die Entstehungsbedingungen von Fotografien sowie deren zeitübergreifende Wirkung auf den Betrachter nachvollzogen werden. Für das 19. und 20. Jahrhundert kann hierfür auf Fotografien aus vielfältigen Entstehungs- und Veröffentlichungshintergründen zurückgegriffen werden: Fotografischen Repräsentationen eines ‚Zigeuner‘-Bildes finden sich in Schulbüchern und Bildpostkarten, in populären Magazinen und als Propagandafoto. Dem gegenüber stehen historische Privat- und Familienfotos von Sinti und Roma. Diese Selbstzeugnisse geben Einblicke in die Lebenswirklichkeit der Menschen und bilden einen Kontrast zu jenen tief verwurzelten Vorurteilen, die die öffentliche Wahrnehmung der Minderheit und ihre mediale Darstellung bis heute bestimmen.
Zudem liegen der fotografischen Konstruktion des ‚Zigeuners‘ bestimmte Stigmatisierungsmuster und gesellschaftliche Funktionen zugrunde. Daher soll anhand der fotografischen Repräsentation auch nach der Verwobenheit von Leitideen und Narrativen eines ‚Zigeuner‘-Diskurses und der Funktion dieser Zuschreibung gefragt werden. Der Historiker Frank Reuter wird im Vortrag die zentralen Erkenntnisse seiner Untersuchung zur Rolle der Fotografie bei der Genese des ‚Zigeuner‘-Bildes im Kontext ihrer Verwendung und gesellschaftlichen Funktion vorstellen und anschließend gemeinsam im Plenum diskutiert.
Zur Person:
Dr. Frank Reuter studierte Geschichte und Germanistik an der Universität Heidelberg. Seit 1993 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma e. V. Dort arbeitet er vor allem zur Erforschung und Dokumentation des NS-Völkermords an den Sinti und Roma, seinen Voraussetzungen und Nachwirkungen und zur Geschichte der sog. ‚Zigeuner‘-Bilder. 2013 reichte er seine Dissertation „Der Bann des Fremden. Die fotografische Konstruktion des ‚Zigeuners‘“ an der Universität Oldenburg ein. Sie ist seit diesem Herbst im Handel erhältlich.
Wir danken allen Interessierten für ihr Kommen.
Vorstellung und Einführung in den mit reichlichen Fotobeispielen...
versehenen und interessanten Vortrag von Dr. Frank Reuter.
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Über Migration und Minderheitenbildung. Europa im 20. Jahrhundert [Flyer] [Pressemeldung]
Am Dienstag, 28. Oktober 2014 um 18.00 Uhr c.t. hat der Historiker und Migrationsforscher Prof. Dr. Jochen Oltmer im Hörsaal des Historischen Seminars einen Vortrag über Migration und Minderheitenbildung in Europa im 20. Jahrhundert gehalten.
Die Themen Migration und Minderheiten sind derzeit aktuell wie nie – ob es um eine vermeintliche ‚Armutszuwanderung' aus Osteuropa geht, um Flüchtlinge aus Afrika, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, oder um den Umgang mit großen europäischen Minderheiten wie den Roma und Sinti.
Migrationsbewegungen waren ein prägender Bestandteil Europas im 20. Jahrhundert. Die beiden Weltkriege zogen Formen der Zwangsmigration und große Flüchtlingsströme mit sich. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden durch die zunehmende Globalisierung und das Wirtschaftswachstum der 1950er- und 1960er-Jahre neue Zuwanderungsformen durch die Anwerbung von Gastarbeitern, Dekolonialisierung und Fluchtbewegungen. Die Bundesrepublik wandelte sich infolgedessen zum Einwanderungsland, aus dem migrantische Minderheiten nicht mehr wegzudenken sind.
Sowohl Migration als auch Minderheitenbildung unterliegen vielgestaltigen Aushandlungsprozessen. Häufig werden die als "Migration" beschriebenen räumlichen Bewegungen von Menschen in der öffentlichen Diskussion als Problem für Sicherheit, Gesellschaftspolitik, wirtschaftliche Prosperität oder das Funktionieren von sozialen Sicherungssystemen dargestellt.
Der Migrationshistoriker Prof. Dr. Jochen Oltmer fragte für das Europa des 20. Jahrhunderts nach Bedingungen, Formen und Folgen der Aushandlung von Migration und Minderheitenbildung und suchte in diesem Kontext nach Mustern im Blick auf Interessen, Techniken, Beziehungen und Interaktionen unterschiedlicher Akteure.
Zur Person:
Jochen Oltmer, Dr. phil. habil., geb. 1965, ist Apl. Professor für Neueste Geschichte und Mitglied des Vorstandes des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück. Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher und Aufsätze zur Geschichte von Migration und Migrationspolitik, vor allem im 19. und 20. Jahrhundert, zuletzt u.a. (Hg. zus. mit Klaus J. Bade, Pieter C. Emmer und Leo Lucassen), Enzyklopädie Migration in Europa vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 3. Aufl. Paderborn 2010; Migration im 19. und 20. Jahrhundert, München 2010 (2. Aufl. 2013); (Hg. zus. mit Axel Kreienbrink und Carlos Sanz Diaz), Das ›Gastarbeiter‹-System. Arbeitsmigration und ihre Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 104), München 2012.
Einige Bilder des Abends:
Der Historiker Prof. Dr. Jochen Oltmer...
sprach in einem engagierten und unterhaltsamen Vortrag...
...im Hörsaal des Historischen Seminars über die Verbindung von Migration und Minderheiten.
Auch die Diskussion kam nicht zu kurz.
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"Überall dort..." Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit [Flyer]
Am Dienstag, 8. Juli 2014 um 18.00 Uhr c.t. stellte der Dipl.-Pol. Markus End im Hörsaal des Historischen Seminars seine neue Studie über antiziganistische Tendenzen in den deutschen Medien vor.
Die Gruppe der Sinti und Roma stellt mit ca. 8-10 Millionen Menschen Europas größte Minderheit dar – und ist vielerorts nach wie vor Diskriminierungen ausgesetzt. Wie steht es heutzutage mit antiziganistischen Ressentiments gegen Sinti und Roma in der deutschen Öffentlichkeit? Wie präsent sind Stereotype, Vorurteile und rassistische Zuschreibungen in unseren Medien?
Mit diesen Fragen hat sich der Antiziganismusforscher Markus End im Rahmen der Studie „Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit. Strategien und Mechanismen medialer Kommunikation“ beschäftigt, die das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma e. V. in Auftrag gegeben hat.
Reportagen, die über die ‚Kultur der Sinti und Roma‘ aufklären wollen, werden darin ebenso untersucht wie die Debatte um ‚Armutszuwanderung‘, die mediale Diskussion um ‚Roma‘ im Camp der kapitalismuskritischen Occupy-Bewegung oder die Minderheitenkennzeichnung in Polizeipressemitteilungen.
Ziel war es nicht nur, nachzuweisen, dass sich antiziganistische Stereotype in der Medienberichterstattung finden, sondern darüber hinaus die Mechanismen medialer Kommunikation von Antiziganismus freizulegen. Im Vortrag wurden einige dieser Mechanismen anhand von Beispielen erläutert und in ihrer Wirkung analysiert.
Im Anschluss fand eine Publikumsdiskussion mit dem Referenten sowie Prof. Dr. Franz Hamburger, Professor em. für Sozialpädagogik, Universität Mainz, und Sören Sgries, politischer Redakteur bei der Rhein-Neckar-Zeitung, statt.
Die Veranstaltung erfolgte in Kooperation mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma e. V.
Vor vollem Hörsaal sprachen u.a...
Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma,
sowie Dr. h.c. Manfred Lautenschläger, dessen Stiftung den Arbeitsbereich fördert.
Der Berliner Politikwissenschaftler Markus End stellte die Ergebnisse seiner neuen Studie vor.
Im Anschluss an den Vortrag diskutierten Markus End, Prof. Dr. Franz Hamburger (Universität
Mainz) und Sören Sgries (Rhein-Neckar-Zeitung) mit dem Publikum.
Zum Bericht in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 11. Juli 2014: [Artikel]