Forschungsabteilungen im Überblick
Das Christentum ist mit einem Drittel der Menschheit eine der stärksten prägenden Kulturkräfte weltweit und erfährt überdies zur Zeit in Asien, Afrika und Lateinamerika ein rasantes Wachstum. Das Verständnis wichtiger kultureller, sozialer und politischer Entwicklungen – weltweit, aber auch in Europa und Deutschland – ist ohne Berücksichtigung der Binde- und Prägekräfte des Christentums kaum möglich. Das FIIT sieht es als seine besondere Aufgabe, die gegenwärtigen globalen Entwicklungen theologisch zu reflektieren und der außertheologischen Wissenschaft die Bedeutung der Orientierungskräfte des Christentums für diese Prozesse zu erschließen.
Die fünfzehn Forschungsabteilungen des FIIT arbeiten an Forschungsprojekten aus den Bereichen Anthropologie und Ethik, Bibelwissenschaft und globale Entwicklungen sowie Religion, Kultur und Bildung:
- Theologie im Dialog mit Natur- und Kulturwissenschaften
- Theologie, Bioethik und Medizinrecht
- Theologie und Rechtswissenschaft
- Religion im Bildungsprozess
- Mediale Anthropologie
- Theologie und Archäologie
- Die Kulturmächtigkeit der Bibel und der christlich-jüdische Dialog
- Anthropologie und Ethik des frühen Christentums
- Klöster im Hochmittelalter
- Religion in Amerika
- Potentiale konfessioneller Differenzierung
- Religionswissenschaft und interkulturelle Theologie
- Theologische Diakoniewissenschaft und sozialwissenschaftliche Forschung
- Seelsorge, Psychologie und Medizin
- Kasualpraxis und religiöser Wandel
I. Theologie im Dialog mit Natur- und Kulturwissenschaften
Der Erforschung zentraler theologischer und gesellschaftlich relevanter Themen im Dialog mit Natur- und Kulturwissenschaften dient Abteilung I des FIIT. Der von dem geschäftsführenden Direktor des FIIT, Prof. Michael Welker, geleitete Forschungsbereich organisiert regelmäßig international und interdisziplinär besetzte Tagungen.
Gefördert durch unterschiedliche Geldgeber aus dem In- und Ausland konnten dabei in den letzten Jahren fünf Großprojekte durchgeführt werden, die mittlerweile abgeschlossen sind und deren Ergebnisse publiziert wurden. Im Rahmen dieser Projekte arbeiteten Forschungsgruppen, denen jeweils 20-25 Forscherpersönlichkeiten aus Europa, Nordamerika, Asien und Afrika angehörten und die sich jährlich einmal zu einer Konferenz trafen, kontinuierlich über fünf Jahre lang zusammen. Dabei erarbeiteten Theologen, Juristen, Ökonomen, Philosophen, Historiker, Physiker, Chemiker und Biologen unter dem Titel „Flesh – Body – Mind – Soul – Spirit: The Complex Unity of the Human Person“ interdisziplinär tragfähige Personkonzepte, fragten nach „Concepts of Law in the Sciences, Legal Studies and Theology“, untersuchten „Concepts and Practices of Freedom in the Biblical Traditions and Contemporary Contexts“ und diskutierten „The Standardized Monetarization of the Market and the Impact on Religion, Politics, Law and Ethics“.
Im Rahmen der Zukunftsoffensive IV des Landes Baden-Württemberg wurde das Projekt "Images of the Divine and Cultural Orientations: Jewish, Christian, and Islamic Voices" sowie mehrere Projekte zum Themenkomplex "Religion and Civil Societies" gefördert.
II. Theologie, Bioethik und Medizinrecht
Der Begriff der Menschenwürde stellt in der medizinischen und juristischen Praxis komplexe Fragen, die auf Klärungsbedarf auch in Theologie, Philosophie und anderen Geistes- und Humanwissenschaften hinweisen.
Durch die von den Professoren Klaus Tanner (Theologische Ethik) und Thomas Fuchs (Medizin) geleitete Forschungsabteilung II ist das FIIT mit dem Interdisziplinären Forum für Biomedizin und Kulturwissenschaften (IFBK) der Universität Heidelberg verknüpft.
Mitglieder der Forschungsabteilungen I und II wirken an dem Marsilius Projekt "Verkörperung als Paradigma einer evolutionären Kulturanthropologie" (2013-2016) mit. Sind sind ebenfalls an internationalen Sommer- und Winterschulen des Marsilius-Kollegs der Universität Heidelberg beteiligt: „Marsilius Sommerschule: Neue interdisziplinäre Anthropologie: Leib – Geist – Kultur“ (2012); "Anthropologie der Wahrnehmung: Natur- und Geisteswissenschaften im Gespräch" (2015).
III.Theologie und Rechtswissenschaft
Die alttestamentliche Einsicht in die Verbindung von Recht, Barmherzigkeit und Wahrheitssuche hat im 20. Jh. die Konzeption des Rechts- und Sozialstaates mitgeprägt. Bedeutende Weichenstellungen vollzog insbesondere die Reformation, die gerade im Rückgriff auf die biblischen Überlieferungen die neuzeitliche Rechtsentwicklung geprägt hat.
Die Forschungsabteilung III untersucht das Verhältnis von Theologie und Recht in Antike, biblischen Überlieferungen und Neuzeit. Mit Jan Christian Gertz, Christian Hattenhauer, Ute Mager, Christoph Strohm, Klaus Tanner und Michael Welker wird der Forschungsbereich von Professoren der Rechtswissenschaften und der Theologie geleitet. Außerdem besteht eine Kooperation mit dem Center for the Study of Law and Religion (Emory University, Atlanta).
Um die Kooperation zwischen Rechtswissenschaften und Theologie zu intensivieren, organisiert die Abteilung in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht interdisziplinäre Kompaktseminare. Zunächst fanden Seminare zur Rechtsphilosophie G. W. F. Hegels, zu Niklas Luhmanns Werk "Das Recht der Gesellschaft“ sowie zum Vergleich theologischer und juristischer Dogmatiken statt. An dem Austausch beteiligt sind u.a. Profs. Armin von Bogdandy, Matthis Goldmann, Ute Mager, Eberhard Schmidt-Aßmann (Rechtswissenschaft) sowie Gregor Etzelmüller, Philipp Stoellger, Klaus Tanner und Michael Welker (Systematische Theologie).
Die Professoren Christian Hattenhauer (Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Rechtsgeschichte) und Christoph Strohm (Lehrstuhl für Reformationsgeschichte und Neuere Kirchengeschichte) nahmen an der von der Heidelberger Akademie für Wissenschaften ausgerichteten Tagung „Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts“ im Frühjahr 2014 teil. Prof. Hattenhauer trug Überlegungen zu „Zins und Wucher in den evangelischen Kirchenordnungen“ vor, Prof. Strohm stellte einen Vergleich lutherischer und reformierter Kirchenordnungen an. Die Vorträge werden in einem Tagungsband veröffentlicht.
Profs. Michael Welker und Klaus Tanner sind in ein Projekt des Center for the Study of Law and Religion der Emory School of Law (Leitung: Prof. John Witte) eingebunden: "Law and Religion: Interactive Normativites" (Emory und Berlin 2015).
IV. Religion im Bildungsprozess
Die vielfältigen Wechselwirkungen von Religion und Bildung reflektiert die Forschungsabteilung IV unter Leitung der Professoren Daniel Krochmalnik, Silke Leopold und Ingrid Schoberth.
Die Abteilung ist engagiert in einem religionspädagogisch-ethischen Forschungsprojekt zum Thema „Friedfertigkeit lernen“. Erarbeitet wird eine qualitative empirische Studie zu den Bedingungen der Werteerziehung in religiösen Bildungsprozessen. Ein mehrjähriges Forschungsprojekt „Theologie für Kinder“, an dem neben der Forschungsabteilung I auch die University of Valparaiso (USA) beteiligt war, konnte mit Publikationen abgeschlossen werden.
V. Mediale Anthropologie
Die Forschungsabteilung "Mediale Anthropologie" wird von Prof. Dr. Philipp Stoellger geleitet. Sie strebt eine Horizonterweiterung in der Erforschung von Religionskulturen an, indem sie diese auch als visuelle Kulturen zu analysieren sucht. Als Horizont visueller Kultur will sie die Medienpraktiken von Religion reflektieren, also Medientheorie in theologischer Perspektive treiben. Als ein Fokus und Forschungsfeld dieser Horizonterweiterung wird mediale Anthropologie bearbeitet, im Anschluß und in Vernetzung mit Projekten zur ‚Verkörperung’ in phänomenologischer, bildwissenschaftlicher und theologischer Perspektive. Diese Forschungsperspektive hat bereits zu zahlreichen Publikationen geführt und wird in aktuell laufenden interdisziplinären Kooperationsprojekten erprobt.
VI. Theologie und Archäologie
Spuren der Geschichte Israels und der ersten Christen finden sich nicht nur in schriftlichen Quellen. Die moderne Archäologie leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der biblischen Lebenswelten. Die von den Professoren Peter Lampe, Manfred Oeming, Jan Christian Gertz und Reinhard Stupperich geleitete Forschungsabteilung VI führt regelmäßig Grabungskampagnen in Phrygien (Türkei) und in Israel durch. Bei dem von Prof. Peter Lampe geleiteten siedlungsarchäologischen Projekt in Phrygien ist es u.a. gelungen, die zwei Montanistenstädte Pepouza und Tymion zu entdecken, nach denen die Forschung seit dem 19. Jahrhundert gesucht hatte.
Motiviert durch die zahlreichen Funde, die die Ausgrabung, die Prof. Manfred Oeming in Kooperation mit der Universität Tel Aviv in Ramat Rahel durchführt, zu Tage gebracht hat – so wurde u.a. erstmals in Israel eine eisenzeitliche Gartenanlage ausgegraben und eine komplexe Wasserversorgungsanlage mit Poolsystem freigelegt –, wird nun ebenfalls in Kooperation mit Tel Aviv die Stadt Aseka ausgegraben, nach Jerusalem und Lachisch die drittgrößte Stadt Judas. Auch an diesem Projekt werden wieder zahlreiche Studierende aus Heidelberg beteiligt. Damit fördert das Projekt zugleich die Begegnung zwischen israelischen und deutschen Studierenden.
Prof. Jan Christian Gertz leitet ein von der DFG gefördertes Forschungsprojekt zu den Ortsangaben im Buch Deuteronomium. Das Projekt zielt darauf, durch die Untersuchung der Ortsangaben des Dtn historisch abgesicherte Anhaltspunkte für die Entstehungsgeschichte des Buchs, insbesondere für die in den Rahmenkapiteln (Dtn 1–11; 27–34) greifbare Redaktionsgeschichte zu gewinnen. Spezialuntersuchungen gelten den Ortsangaben von Dtn 1 und den wenigen Toponymen in Dtn 12–26. Das Forschungsvorhaben dient auch zur Klärung bislang wenig reflektierter methodischer Fragen, welche die konstruktive Verbindung exegetischer und archäologischer Arbeit im Bereich der biblischen Topographie betreffen.
Ab 2015/16 werden Profs. Peter Lampe und Manfred Oeming als Beitrag zur Erforschung der Geschichte und Materialkultur Jerusalems von der römischen Kaiser- bis zur Bronzezeit in Kooperation mit israelischen Archäologen in Jerusalem eine römisch-kaiserzeitliche Müllhalde ausgraben. Es handelt sich um eine Fundgrube zur Erforschung antiken Alltagslebens, unter der ältere Wohnstrukturen verschiedener Epochen von der frühen römischen bis zur frühen Bronzezeit zu vermuten sind, ferner möglicherweise landswirtschaftliche Nutzungsspuren (Terrassen und Columbarien aus hell. Zeit), im Idealfall auch ein mittelbronzezeitlicher Kanal und ein Abschnitt der östlichen Stadtmauer aus der
Eisenzeit.
VII. Die Kulturmächtigkeit der Bibel und der christlich-jüdische Dialog
Biblische Überlieferungen beeinflussen gesellschaftliche und kulturelle Prozesse bis in die Gegenwart. Die prägende Kraft jüdischer und christlicher Traditionen reflektiert die Forschungsabteilung VII unter der Leitung der Professoren Hanna Liss (Hochschule für Jüdische Studien), Manfred Oeming und Helmut Schwier.
Am Lehrstuhl des Neutestamentlers Peter Lampe wird ein weltweit einmaliges Archiv zur Wirkungsgeschichte des Römerbriefes (in abendländischer Staatsphilosophie, Politik- und Kirchengeschichte) zusammengestellt und im Internet zugänglich gemacht.
Am Lehrstuhl für Bibel und Jüdische Bibelauslegung (Hanna Liss) an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg wurde in den
letzten Jahren eine Reihe von Projekten gestartet, die sich mit der (hoch-)mittelalterlichen Text- und Überlieferungstradition beschäftigen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Erforschung der orientalischen und europäischen Bibeltexte und Auslegungstraditionen, einschließlich der Masora- und Targumforschung. Dies geschieht zum einen durch die editorische Aufarbeitung der umfassenden Bibel-Handschriften sowie der westeuropäischen Kommentarliteratur, die seinerzeit von den Vertretern der Wissenschaft des Judentums begonnen wurde und bis heute noch nicht ansatzweise abgeschlossen ist. Auf der anderen Seite wird die klassische philologische Grundlagenforschung durch die Integration aktueller kultur- und religionswissenschaftlich orientierter Forschungsprojekte zur mittelalterlichen europäischen Bibel- und Kommentarliteratur ergänzt.
So wird im Rahmen des DFG-Sonderforschungsbereiches 933 „Materiale Textkulturen“ das Projekt „Der Masoretische Text der Hebräischen Bibel in seinen unterschiedlichen materialen Gestaltungen in Westeuropa im 12. und 13. Jahrhundert“ gefördert. Ein weiteres Projekt am Lehrstuhl (mit PD Dr. Gianfranco Miletto) zum „Bibeltext der Handschriften mit babylonisch-jemenitischer Punktation: Erfassung der Textvarianten“ beginnt 2016 (Finanzierung durch die DFG).
VIII. Anthropologie und Ethik des frühen Christentums
Die von den Professoren Matthias Konradt und Gerd Theißen geleitete Forschungsabteilung VIII dient zum einen der Erforschung des frühen Christentums, zum anderen wird die Entstehung und gegenwärtige Orientierungskraft der urchristlichen und altkirchlichen Ethik ausgeleuchtet.
So hat Gerd Theißen einen Forschungsansatz entwickelt, der von der Eigenart und Universalität des urchristliche Ethos ausgeht. Dieses Ethos stellt eine Synthese dar von biblischer Gebots- und griechischer Einsichtsethik, vom Nachbarschaftsethos der jüdischen Volksschichten und einem Oberschichtsethos, das einen weisen Umgang mit Macht und Besitz beinhaltete. Aus dieser Synthese entstammen die bis heute anerkannten Grundwerte von Autonomie und Solidarität, Rationalität und Barmherzigkeit, Einsicht und Nächstenliebe.
Vor diesem Hintergrund haben Theißen gemeinsam mit Petra von Gemünden (Augsburg) eine Monographie über den Römerbrief, die zum Reformationsjubiläum erschienen ist, publiziert: Der Römerbrief. Rechenschaft eines Reformators, Göttingen 2017, 560 S. Paulus wir hier als ein scheiternder Reformator des Judentums dargestellt, der den Tempel und die jüdische Religion für Menschen aus allen Völkern öffnen wollte. Auch seine Gesetzeskritik dient dazu. Er entfaltet im Römerbrief nacheinander vier verschiedene Heilskonzepte (Heil durch Werke, Rechtfertigung, Verwandlung und Erwählung), die seine theologische Entwicklung widerspiegeln.
IX. Klöster im Hochmittelalter
Im Rahmen des Akademieprojekts „Klöster im Hochmittelalter. Innovationslabore europäischer Lebensentwürfe und Ordnungsmodelle“ wird die klösterliche Welt des Mittelalters als eine Wegbereiterin der Moderne analysiert. Im sozialen und religiösen Wandel des 11. bis 13. Jahrhunderts entwickelten mittelalterliche Klöster eine zuvor unerreichte Rationalität der Lebensgestaltung. Damals entstanden Modelle jenes gesellschaftlichen wie kulturellen Aufbruchs, aus denen sich spezifische Ordnungskonfigurationen der europäischen Moderne ausformten.
Diesen Forschungszielen widmen sich zwei Arbeitsstellen in enger Vernetzung, die an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften sowie der Sächsischen Akademie der Wissenschaften angesiedelt sind. Die Arbeitsfelder der Teilprojekte ergänzen sich gegenseitig: Während die Arbeitsstelle in Dresden sich mit innermonastischen Ordnungen und dem innermonastischen Leben beschäftigt, stellen die Forschungen in Heidelberg sinnstiftende Texte der Weltdeutung und Entwürfe von exemplarischen Ordnungen in den Mittelpunkt. Prof. Bernd Schneidmüller und Prof. Stefan Weinfurter leiten dieses Projekt.
X. Religion in Amerika
Die von Prof. Jan Stievermann geleitete Forschungsabteilung X möchte durch ihre Aktivitäten sowohl einen Beitrag zu der in Deutschland häufig vernachlässigten religiösen Dimension der Amerikastudien leisten als auch neue interdisziplinäre und vergleichende Perspektiven für religionsgeschichtliche Forschungen zu Europa eröffnen. Besondere Schwerpunkte liegen dabei auf der Kultur-und Theologiegeschichte des amerikanischen Protestantismus im 18. und 19. Jahrhundert sowie auf dem Verhältnis von Religion und Literatur.
Durch die Forschungsabteilung X ist das FIIT zudem mit dem Heidelberg Center for American Studies(HCA) verbunden. Gemeinsam mit dem HCA verleiht die Theologische Fakultät Heidelberg alljährlich den James W.C. Pennington Award an herausragende Wissenschaftler/innen. Der Preis wird von der Manfred Lautenschläger Stiftung gefördert. Er soll an den ersten Afroamerikaner erinnern, der einen Ehrendoktor von einer europäischen Fakultät erhalten hat. Pennington erhielt diesen 1849 von der Theologischen Fakultät Heidelberg.
Über das Jonathan Edwards Center Germany ist die Abt. X insbesondere mit der Yale Divinity School verbunden. Über das Center wird eine Forschungs- und Lehrkooperation organisiert und zugleich ein Forum für regelmäßige Gastvorträge und Seminare von Kollegen aus den USA geschaffen. Durch die über Prof. Stievermann bestehende Verbindung partizipiert das FIIT ferner an den vielfältigen internationalen Kontakten des HCA.
Derzeit arbeitet Prof. Stievermann mit einem Team von Nachwuchswissenschaftlern an einer von der DFG geförderten Edition des fünften Bandes von Cotton Mathers „Biblia Americana“ (1693-1728), dem ersten umfassenden und bislang unveröffentlichten Bibelkommentar aus dem englischsprachigen Nordamerika.
XI. Potentiale konfessioneller Differenzierung
Dass die konfessionelle Differenzierung des Christentums nicht nur zu beklagen ist, sondern gerade in ihren Möglichkeiten erschlossen werden muss, ist der Leitgedanke der elften Forschungsabteilung. Unter der Leitung von Prof. Friederike Nüssel untersucht die Abteilung die Korrelation zwischen konfessioneller Differenzierung und interkonfessionellen Kontakten einerseits und gesellschaftspolitischen Entwicklungen und ethischen Entscheidungsprozessen andererseits.
In den interkonfessionellen Dialogen wurde und wird immer deutlicher, dass in der konfessionellen Differenzierung Potentiale für den christlichen Beitrag zum Umgang mit weltanschaulichen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen liegen. Das von Prof. Nüssel geleitete Ökumenische Institut verfolgt und begleitet einerseits die Entwicklung und Gestaltung der genannten Dialogarbeit und geht andererseits in verschiedenen interdisziplinären Projekten der Frage nach, wie Potentiale konfessioneller Differenzierung in der Bearbeitung aktueller gesellschaftlicher Aufgaben zum Tragen kommen (können).
Im Rahmen dieses Forschungsinteresses veranstaltet das Ökumenische Institut in jedem Semester ein Ökumenisches Forum. Die letzten Ökumenischen Foren, die die Forschungsabteilung XI auch mit anderen Abteilungen des FIIT vernetzen, behandelten „Church and Civil Society in Contemporary Russia“ (2014) und „Menschenwürdig sterben? Theologische, juristische und philosophische Perspektiven im Gespräch“ (2015). Das Ökumenische Institut ist ebenfalls an dem Projekt „Potentiale jungen und alten Alterns. Eine interdisziplinäre Erkundung sozialer Möglichkeitsräume unterschiedlicher Altersgruppen“ beteiligt, das 2015 unter Beteiligung von Theologie, Psychologie und Diakoniewissenschaft begonnen wurde.
Prof. Nüssel verantwortet zudem mit zwei FIIT-Mitgliedern (Profs. Bergunder und Stievermann) und weiteren Kollegen aus insgesamt fünf theologischen und außertheologischen Disziplinen das 2015 anlaufenden LGF-Promotionskolleg „Globale Religionsgeschichte aus regionaler Perspektive: Historisierung und Dezentrierung religiöser Identitäten im 19. und frühen 20. Jahrhundert“.
XII. Religionswissenschaft und interkulturelle Theologie
In Verbindung mit dem European Research Network on Global Pentecostalism und den Universitäten Amsterdam und Birmingham untersucht die von Prof. Michael Bergunder geleitete Forschungsabteilung XII das rapide Wachstum der weltweiten Pfingstbewegung. Dass dieses Wachstum auch die kirchliche und gesellschaftliche Situation in Deutschland verändert, zeigen die Forschungen zur Bedeutung der Pfingstbewegung unter Migranten. Das Forschungsprojekt „Nigerian Pentecostal Churches, Networks and Believers in Three Northern Countries“ wird von der Europäischen Union gefördert.
Die Forschungsabteilung XII pflegt zudem die Mehrbenutzerplattformen im Internet für IAKP und GloPent, deren Leistungsfähigkeit in den letzten beiden Jahren erheblich erweitert werden konnte.
XIII. Theologische Diakoniewissenschaft und sozialwissenschaftliche Forschung
Die sozialen Folgen des gegenwärtigen gesellschaftlichen Wandels reflektiert die Forschungsabteilung XIII unter Leitung von Prof. Johannes Eurich (Leiter des Diakoniewissenschaftlichen Instituts Heidelberg) und Prof. Andreas Kruse (Direktor des Heidelberger Instituts für Gerontologie). In mehreren aktuellen Projekten verknüpft die Abteilung diakonie- und sozialwissenschaftliche Methoden und Perspektiven:
Das Projekt "Technikkompatibilität von Netzwerken in der ambulanten Pflege von Menschen mit Demenz" fragt nach erfolgskritischen Faktoren für Netzwerkbildung und für den erfolgreichen Einsatz innovativer Technik in der ambulanten Pflege besonders von Menschen mit Demenz. Das Projekt wird in Kooperation mit dem Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) durchgeführt.
Im April 2015 hat das Diakoniewissenschaftliche Institut ein Projekt zum Thema Potentiale jungen und alten Alters begonnen, das ebenfalls interdisziplinär angelegt ist und in Zusammenarbeit mit dem Psychologischen Institut (Prof. Hans-Werner Wahl) und dem Ökumenischen Institut (Prof. Friederike Nüssel) der Universität Heidelberg durchgeführt wird.
XIV. Seelsorge, Psychologie und Medizin
Die Forschungsabteilung XIV wird geleitet von Prof. Wolfgang Drechsel (Praktische Theologie) und Prof. Hubert Bardenheuer (Palliativmedizin). In Zusammenarbeit mit dem neu gegründeten Seelsorgezentrum Heidelberg der Evangelischen Kirche in Baden werden Perspektiven der interdisziplinären Kooperation (Medizin, Theologie, Psychologie) für die Seelsorgeforschung und die konkrete Anwendungspraxis (auch in anderen Gebieten) fruchtbar gemacht.
Das Seelsorgezentrum Heidelberg, das seinen Sitz im FIIT, Hauptstr. 240, hat, bietet ein Forum, von dem aus seelsorgerliche Praxis und Praxisermöglichung im Kontext poimenisch-wissenschaftlicher Perspektiven reflektiert werden kann. Das Zentrum beteiligt sich an der Seelsorgeausbildung sowohl von künftigen und bereits tätigen Pfarrerinnen und Pfarrern als auch von Ehrenamtlichen.
XV. Kasualpraxis und religiöser Wandel
Die Forschungsabteilung XV wird geleitet von den Praktischen Theologen Prof. Dr. Fritz Lienhard und Prof. Dr. Helmut Schwier (Universität Heidelberg). Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse der Kasualpraxis im Kontext der gegenwärtigen Gesellschaft. Diese wird im Rahmen eines Forschungsprojektes zu „Formen und Funktionen des Kasualgesprächs“ in Kooperation mit den Evangelischen Landeskirchen in Baden und in der Pfalz empirisch untersucht.
Die gegenwärtige Gesellschaft ist durch eine nie dagewesene Vielfalt an Lebensformen geprägt – mit starken Auswirkungen auf die kirchliche Kasualpraxis. Geburt, Eheschließung und Sterben bleiben zwar wichtige biographische Übergänge im Leben der Menschen, in denen viele eine kirchliche Begleitung wünschen. Gleichzeitig bröckelt die Plausibilität traditioneller Formen, neue Rituale entstehen und die Kasualbegehrenden fordern immer häufiger eine individuelle Passung des Gottesdienstes. Nicht zuletzt das Kasualgespräch wird dadurch zu einer besonderen Herausforderung, die es empirisch zu untersuchen und theologisch zu reflektieren gilt.