Christoph Trinn
Zur Person
Christoph Trinn studierte in London Geschichte und Philosophie und in Heidelberg und Bologna Politische Wissenschaft, Vergleichende Religionswissenschaft, Öffentliches Recht und Englische Sprachwissenschaft. Von 2008 bis 2013 war er wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Politische Wissenschaft der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Seit 2011 promoviert er an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im Fach Politische Wissenschaft. Er ist Stipendiat im Promotionskolleg ,,Politikperformanz autokratischer und demokratischer Regime“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der quantitativen Konfliktforschung, in der Systemtheorie und Komplexitätswissenschaft sowie in der politischen Gewalt in Asien und Ozeanien. Er war langjähriges Leitungsmitglied des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung und ist Vorstandsmitglied der CONIAS Forschungsgruppe. Ein ausführlicher Lebenslauf nebst Publikationsliste kann hier eingesehen werden.
Dissertation
In den letzten Jahren wurde von komplexitätswissenschaftlicher Seite eine Beobachtung des Mitbegründers der quantitativen Konfliktforschung, Lewis Fry Richardson, aus den 1940er Jahren wiederentdeckt, dass die Intensitäten zwischenstaatlicher Kriege einer Potenzgesetzverteilung folgen. Strukturen, die solche, auch als skaleninvariant bekannte Ereignisse hervorbringen, sind selbstorganisierend und komplex. Zwischen Ursache und Wirkung, Erklärungsfaktoren und Konfliktintensitäten besteht in einem solchen Fall kein proportionales Verhältnis, und sowohl sehr kleine als auch sehr große Ereignisse sind erwartbar. Diese Feststellung hat weitreichende theoretische Konsequenzen für die Prognostizierbarkeit der Intensität politischer Konflikte.
Abgesehen von zwischenstaatlichen Kriegen, wurde auch für die Größe terroristischer Anschläge nachgewiesen, dass diese einem Potenzgesetz gehorchen. Im Rahmen des Dissertationsvorhabens mit dem Arbeitstitel „Konflikt und Komplexität. Stress, Resilienz und Gewaltkonflikte in politischen Systemen“ wird dieser empirische Befund auf eine breitere konzeptionelle Grundlage gestellt. So werden zum einen innerstaatliche Gewaltkonflikte auch weit unterhalb der Kriegsschwelle untersucht und zum anderen die bisherige, auf die Zahl der kampfbedingten Todesopfer fokussierende Operationalisierung der Intensität von Gewaltkonflikten um weitere quantitative wie zudem auch qualitative Indikatoren ergänzt.
Die Arbeit entwickelt darüber in diesem Zusammenhang einen empirisch überprüften Erklärungsansatz, der Strukturen und Dynamiken modelliert, die zu einer Eskalation innerstaatlicher Konflikte in einer Weise führen, die die resultierenden Konfliktintensitäten in ihrer Gesamtheit einer Potenzgesetzverteilung folgen lassen. Ausgehend von der Feststellung, dass der gegenwärtige Erkenntnisstand der empirischen Konfliktforschung hochgradig fragmentiert ist, zielt dieses Modell dabei auf eine stärkere Synthese verschiedener Erklärungsangebote ab.
Im Zentrum des Modells steht daher der physikalische und informationstheoretische Begriff der Entropie, der ein Maß für die Ungewissheit, für die Kontingenz in einem System und für die Ungeordnetheit, Zufälligkeit und Gleichverteilung darstellt. Ihm gegenüber steht der Begriff der Negentropie, der Information, Ordnung ermöglichende und Struktur erhaltende Ressourcen umfasst.
Offene Systeme, wie sie bspw. soziale Systeme darstellen, sind metabolisch, d.h. sie erhalten oder steigern ihre Ordnung, indem sie negative Entropie aus ihrer Umwelt importieren. Weist der Metabolismus eines Systems jedoch Defizite auf, bedeutet die resultierende Akkumulation von Entropie für das betreffende System Stress. In welcher Weise Systeme auf Stress reagieren, hängt von ihrer Resilienz ab, d.h. von ihrer Fähigkeit, zur Verfügung stehende Negentropie-Ressourcen effizient zu managen. Dies schließt im Falle des politischen Systems Steuerungsfähigkeiten gegenüber den anderen Subsystemen der Gesellschaft ein. Versagt diese Steuerung, werden gestresste Systeme auf alternative, weniger effiziente Formen des Ressourcen-Managements zurückgreifen. Im Falle des politischen Systems zählen zu diesen Formen der Stress-Reaktion politische Konflikte.
Betreuer: Prof. Dr. Aurel Croissant
Ausgewählte Publikationen
„Der Heidelberger Ansatz der Konfliktdatenerfassung“, in: Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung 2(1), 2013 i.E. (mit Nicolas Schwank und Thomas Wencker).
“Democratic and semi-democratic conflict management in Southeast Asia”, in: Schwarzmantel, John / Kraetzschmar, Hendrik (Hrsg.): Democracy and Violence. Global Debates and Local Challenges, Abingdon (Oxon) and New York (NY): Routledge, 2012, S. 185-214 (with Aurel Croissant).
“Democratic Conflict Management Capabilities in Southeast Asia”, in: Croissant, Aurel / Bünte, Marco (Hrsg.): The Crisis of Democratic Governance in Southeast Asia, London: Palgrave Macmillan, 2011, S. 209-229.
„Kulturkonflikte in inner- und zwischenstaatlicher Perspektive“, in: Zeitschrift für Internationale Beziehung-en, 17(1), 2010, S. 5-37 (mit Uwe Wagschal, Aurel Croissant, Thomas Metz und Nicolas Schwank).
„Muster und Entwicklungstrends politischer Konflikte im Spiegel des Conflict Information System (CONIS) Heidelberg“, in: Feichtinger, Walter / Dengg, Anton (Hrsg.): Kein Feind in Sicht. Konfliktbilder und Bedrohungen der Zukunft, Wien: Böhlau, 2010, S. 65-87 (mit Nicolas Schwank).
„Mediative versus bewaffnete Konfliktinterventionen. Die Friedensmissionen IPKF und SLMM in Sri Lanka“, in: Buciak, Sebastian / Dehn, Rüdiger von (Hrsg.): Indien und Pakistan. Atommächte im Spannungsfeld regionaler und globaler Veränderungen, Berlin: Köster, 2010, S. 345-373 (mit Pascal Sadaune).
„Kulturelle Konflikte seit 1945. Die kulturellen Dimensionen des globalen Konfliktgeschehens“, Baden-Baden: Nomos, 2009, 296 S. (mit Aurel Croissant, Uwe Wagschal und Nicolas Schwank).
„Asymmetrien in Sri Lanka. Die strukturelle Ratio politischer Konflikte“, in: Buciak, Sebastian (Hrsg.): Asymmetrische Konflikte im Spiegel der Zeit, Berlin: Köster, 2008, S. 490-511 (mit Pascal Sadaune).