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Nachruf: Prof. Peter Brix (1918 bis 2007)

8. Februar 2007

Prof. Gisbert Frhr. zu Putlitz erinnert an einen erfolgreichen Forscher, einen Wissenschaftler mit breit angelegten Kenntnissen, einen talentierten Hochschullehrer, einen steten Förderer seiner jungen Kollegen, einen Menschen mit Grundüberzeugungen, an denen sich andere orientieren konnten


"Ich bin Schleswig-Holsteiner, aufgewachsen auf einer kleinen Bootswerft, außerhalb einer kleinen Stadt". Dort, an seinem Geburtsort Kappeln an der Schlei legte Peter Brix 1936 sein Abitur ab, um danach in Kiel und Rochester Physik zu studieren. Dem Staatsexamen (1940) folgten vier Jahre Wehrdienst und danach (1944) eine der entscheidende Weichenstellungen für sein wissenschaftliches Leben, die Aufnahme in das Göttinger Institut von Hans Kopfermann. Nach der Promotion (1946) wandte sich Brix der spektroskopischen Untersuchung der Hyperfeinstruktur von Atomspektren zu, aus der sich die magnetischen und elektrischen Kernmomente, aber auch die durch die unterschiedlichen Kernradien verursachte Isotopieverschiebung bestimmen ließen. Dabei gelang Brix eine bedeutende und folgenreiche Entdeckung: Einen Sprung in der Isotopieverschiebung der beiden geraden bislang als kugelsymmetrisch angesehenen Samariumisotope 150 und 152. Dies ließ sich nur durch eine intrunsische, kollektive Deformation dieser Kerne deuten (1947 und 1949). Die Theoretiker jener Zeit fanden keinen Gefallen an deformierten Kernen ohne Drehimpuls, aber die dänischen Theoretiker A. Bohr (ein Sohn von Niels Bohr) und B. Mottelson nahmen die Überlegungen von Brix und Kopfermann ernst und entwickelten daraus das Kollektivmodell der Atomkerne. Sie erhielten dafür den Nobelpreis.

Nach der Habilitation in Heidelberg (1952) schloss sich für Peter Brix ein Forschungsjahr bei Gerhard Herzberg an, beim National Research Council of Canada in Ottawa, von dem er dann (1953) schon seinem Lehrer Kopfermann nach Heidelberg folgte. Hier galt es, ein altes Institut neu aufzubauen und mit moderner Wissenschaft zu füllen. Brix kümmerte sich um den Aufbau und die Nutzung eines von Siemens zu liefernden Betatrons mit einer Elektronenenergie von 35 MeV. Bald aber erreichte ihn eine Berufung an die TH Darmstadt, die er 1956 annahm.

In seiner Darmstädter Zeit hat Brix ein modernes Ordinariat für Technische Kernphysik aufgebaut, die Lehre in diesem neuen Fach begründet und mit seinen Schülern die Kernphysik in Deutschland maßgeblich beeinflusst. Weil sein Institut in Darmstadt noch nicht gebaut war, gründete Brix eine Besuchergruppe am CERN in Genf, die erste aus Deutschland. Dort wurden myonische Röntgenspektren vermessen, um daraus Kernradien zu bestimmen, die zum ersten Mal eine Systematik der Größe und Gestalt vieler Kerne gestatteten. Um auch in Darmstadt über ein interessantes Großgerät zu verfügen, musste eine Wahl zwischen einem Forschungsreaktor, einem Tandem-van-de-Graaf oder einem Linearbeschleuniger für Elektronen getroffen werden. Es gelang Brix, sich gegen den ursprünglich favorisierten Reaktor und für den LINAC durchzusetzen. Dieser DALINAC nahm 1964 seinen Betrieb auf und bescherte dem Institut eine weltweit führende und konkurrenzlose Stellung in der hochpräzisen Messung von Kernanregungen. Hierzu gehörten auch die beiden niedrigsten Niveaus des C 12, die für die Elementsynthese in Sternen wichtig sind. Und schließlich ist das in den Worten von Peter Brix "kernphysikalisch aufregendste Erlebnis meiner Darmstädter Zeit", die Entdeckung der Formschwingung der Atomkerne, die elektrische Quadrupol-Riesenresonanz zu erwähnen.

Forschungspolitisch war Peter Brix maßgeblich an einer wichtigen Entscheidung beteiligt: Dem Bau des 1960 von Schmelzer in Heidelberg entwickelten Schwerionenbeschleunigers UNILAC im Waldgebiet nördlich von Darmstadt, einem Forschungsinstrument, das bis in die Mitte der achtziger Jahre der Kernphysik in Deutschland abermals eine konkurrenzlose Stellung verschaffte.

Zu Beginn des Jahres 1972 folgte Brix einem Ruf als Direktor des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg. Bald danach erhielt er ein persönliches Ordinariat an der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität.

Die "zweite" Heidelberger Zeit von Peter Brix ist durch die Entwicklung und den Bau des Heidelberger Nachbeschleunigers am Tandem Beschleuniger des MPI (zusammen mit Eberhard Jaeschke) geprägt. Dieser wichtige Schritt in der Energieerhöhung für die Beschleunigung von schweren Ionen ermöglichte den Bau eines Speicherings für schwere Ionen, der in seinen Fähigkeiten bis heute einmalig ist und reiche Früchte getragen hat. - Brix wissenschaftliches Interesse galt aber nach wie vor der Größe und Gestalt der Atomkerne. Zu dieser Fragestellung hat er mindestens zwanzig den jeweiligen Stand der Forschung widerspiegelnde Artikel in populären und Fachzeitschriften verfasst, die durch die Exzellenz der Darstellung bestechend waren.

Zunehmend, vor allem aber auch nach seiner Emeritierung 1986 hat sich Brix mit der Geschichte der Physik befasst. Sein Beitrag "600 Jahre Physik in Heidelberg" ist ein hochinteressanter Artikel zum 600jährigen Jubiläum der Universität. In zahlreichen Nachrufen oder personenbezogenen Artikeln hat er anhand der vita von Personen Physikgeschichte lebendig werden lassen. Sein Vortrag "Die folgenreiche Entdeckung der Uranspaltung - und wie es dazu kam" anlässlich der 50jährigen Wiederkehr dieser Entdeckung, gehalten am 2. Dezember 1988 in Berlin, hat einen Maßstab für den Umgang mit der historischen Wahrheit über die Geschichte der Kernspaltung gesetzt. Zu seinen Beiträgen über Gerhard Herzberg, Hans Kopfermann, Wolfgang Gentner, Hans Geiger, Otto Schüler und Theodor Schmidt hat er gezeigt, dass wissenschaftliche Erkenntnis untrennbar mit Personen verbunden ist. Er berichtete über Forscher, die er noch persönlich erlebt hat. Nur Georg Christoph Lichtenberg fällt nicht in diese Kategorie, er lebte vor mehr als zweihundert Jahren. Er war ein Lieblingsobjekt Brix'scher Betrachtungen, dessen Einsichten er zu allen Anlässen stets zu zitieren wusste. Und die Lichtenberg Gesellschaft würde ohne ihn heute nicht mehr existieren.

Ehrungen hat Peter Brix vielfältig erfahren. Ehrenpromotionen in Berlin und Kassel, eine Honorarprofessur in Darmstadt und ein persönliches Ordinariat in Heidelberg, die Mitgliedschaft in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und in der Leopoldina in Halle, die Ehrenmitgliedschaft des wissenschaftlichen Rates von DESY in Hamburg sowie die Vizepräsidentschaft der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG sind eine keineswegs vollständige Aufzählung.

Peter Brix war ein erfolgreicher Forscher, ein Wissenschaftler mit breit angelegten Kenntnissen, ein talentierter Hochschullehrer, ein steter Förderer seiner jungen Kollegen, ein Mensch mit Grundüberzeugungen, an denen sich andere orientieren konnten. Als Ratgeber mit großem Einfühlungsvermögen und klaren Aussagen hat er vielen immer wieder gedient. Jetzt erinnern wir uns an ihn in großer Dankbarkeit. Wir werden ihn sehr vermissen.



Rückfragen bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
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Irene Thewalt
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