Das Anliegen ist richtig, der Weg ist falsch
Gemeinsame Presseerklärung der Dekane der Juristischen Fakultäten des Landes Baden-Württemberg zum Vorschlag einer Reform der Juristenausbildung der Justizminister Goll und Mackenroth vom 02. April 2007
1. Wir unterstützen das Anliegen der Justizminister,
- die Juristenausbildung zukunfts- und international wettbewerbsfähig zu machen,
- in der Juristenausbildung dem wachsenden Umfang und der wachsenden Komplexität des Rechts besser gerecht zu werden,
- arbeitsmarktgerecht auszubilden und
- die Frage einer europäischen Form der Juristenausbildung ("Bologna-Modell") offen zu diskutieren und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
2. Den vorgeschlagenen Weg halten wir jedoch für nicht für richtig. Denn die aktuelle Juristenausbildung ist auch im internationalen Vergleich leistungsfähig. Sie spiegelt die Stärken des Justizstandorts Deutschland wider. Die aktuelle Juristenausbildung hat folgende Vorteile:
- a) Junge Juristen, die die heutige zweistufige Ausbildung in der Universität ("Theorie") und im Vorbereitungsdienst ("Praxis") durchlaufen haben, sind beim Abschluss der Ausbildung in sämtlichen Rechtsberufen sofort einsetzbar. Das ist im europäischen Ausland nicht der Fall. Die zweistufige Ausbildung eröffnet deutschen Absolventen auch auf dem internationalen Arbeitsmarkt gute Berufschancen. Den Vorbereitungsdienst schlicht abzuschaffen, ist ein Schritt in die falsche Richtung.
- b) Die Staatsexamen haben sich bewährt. Sie schaffen für den Arbeitsmarkt übersichtliche und vergleichbare Abschlüsse, gewährleisten die Freizügigkeit der Juristen im Bundesgebiet und ermöglichen die Durchlässigkeit juristischer Berufe. Sie garantieren den "Einheitsjuristen", der sowohl über methodische Kompetenz verfügt als auch in der ganzen Breite des Rechts (einschließlich seiner europäischen und internationalen Bezüge) bewandert ist. Und sie werden der gemeinsamen Verantwortung von Staat und Universitäten für die Juristen-ausbildung gerecht.
3. Der Vorschlag, die gesamte Juristen-ausbildung zwingend und flächendeckend auf B.A. / M.A. umzustellen, würde – jedenfalls in der Gestalt, wie es die Minister vorschlagen – die Berufschancen junger Absolventen nachhaltig verschlechtern.
- a) Das vorgeschlagene, dreijährige B.A. bzw. LL.B.-Studium mit "Grundstudium, Praktika- und Vertiefungsphase" vermag für sich allein keine hinreichend geschulten, in allen Rechtsbereichen fachlich kompetente junge Juristen hervorzubringen. Welche Berufschancen die künftigen juristischen Bachelors haben sollen, bleibt unklar. Daher ist zu erwarten, dass – wie sich auch im Ausland und in anderen B.A. / M.A.-Studiengängen abzeichnet – nahezu alle Bachelors ins M.A. bzw. LL.M.-Studium gehen. Aber was wäre dann in der Sache gewonnen? Nur wenn den Bachelors – entsprechend dem Charakter des B.A.-Abschlusses als "berufsqualifizierend" – der Zugang zu Rechtsdienstleistungsberufen eröffnet würde, wäre zu erwarten, dass nicht alle ins M.A. bzw. LL.M.-Studium wechseln. Aber dann wäre die Qualität der Rechtsdienstleistungen in Deutschland gefährdet. Wir sehen zudem Nachteile für unsere Studierenden, die für ein "BA"-Studium von 6 Semestern 3.000 € Studiengebühren zahlen müssen, ohne Zugang zu den Rechtdienstleistungsberufen zu erhalten.
- b) Ein zweijähriges M.A. bzw. LL.M.-Studium als "Praxisphase und universitäre Vertiefungs- und Wahlfachphase" soll funktional das heutige Schwerpunktbereichsstudium und den Referendarsdienst (insgesamt 4 Jahre) zusammenführen. In diesem Zeitrahmen wäre das für Lehrende wie Lernende ein Ding der Unmöglichkeit. Die Fakultäten können die Organisation der Praxisphase nicht gewährleisten. Die Vertiefung oder auch nur die Durchführung eines akademischen Studiums ist in diesem Modell unmöglich. Wie auf diesem Weg eine "einheitliche Befähigung zur Ausübung aller juristischen Berufe" erreicht werden soll, bleibt unerfindlich.
4. Nicht alles muss beim Alten bleiben. Daher sollten die Fakultäten frei sein, zusätzliche B.A. bzw. LL.B. oder M.A. bzw. LL.M.-Studiengänge im Bereich der Rechtswissenschaften anzubieten, die sich im Wettbewerb bewähren können.
- Schon heute bieten sämtliche Fakultäten in Baden-Württemberg postgraduale Studiengänge mit Erfolg an. Es soll daher den Fakultäten freigestellt werden, ob und inwieweit sie B.A. / M.A. Studiengänge bereitstellen und sich mit anderen Fakultäten verzahnen. Jedoch muss die Kernausbildung deutscher Juristen weiter dem Leitbild des akademisch gebildeten Einheitsjuristen ("als Universalisten") verpflichtet bleiben. Das Staatsexamen garantiert Transparenz und Durchgängigkeit.
- Ein LL.B.-Studium lässt sich auch ohne Abschaffung der Staatsexamen verwirklichen. Die Universität Mannheim erwägt, ein solches LL.B-Studium anzubieten. Es soll den Absolventen die Wahl eröffnen, entweder unmittelbar ins Berufsleben einzutreten oder das Staatsexamen anzuschließen (und damit Zugang zu den regulierten juristischen Berufen wie Richter, Rechtsanwalt und Notar zu erhalten) oder aber ein spezialisiertes LL.M.- oder Masterprogramm in einem anderen Fach zu belegen. Solche Modelle können in einen Wettbewerb mit dem tradierten Modell der Staatsexamen treten.
5. Wir verweigern uns nicht sinnvollen Reformen. Derzeit setzen die Juristischen Fakultäten des Landes Baden-Württemberg mit großem Engagement die erst 2000 beschlossene Reform der Juristenausbildung um:
- Wir wählen nach individuellen Kriterien unsere Studierenden auch untereinander im Wettbewerb um die besten Köpfe selbst aus.
- Wir wollen die Orientierungs- und Zwischenprüfung effektiv umsetzen, um frühzeitig weniger geeignete Studierende auf andere Studiengänge zu verweisen.
- Aus den Studiengebühren werden moderne, intensive und effektive Lehrformen finanziert – zugleich "Verlegenheitsstudierende" abgeschreckt.
- Im Schwerpunktbereichsstudium und der es abschließenden Universitäts-prüfung werden die Studierenden praxisnah an einzelne Berufsfelder herangeführt, ohne dass der "Einheitsjurist" aufgegeben wird.
- Die anwaltsorientierte Ausbildung, wie sie z.B. längst in Heidelberg praktiziert wird, bereitet zielgerichtet auf die Berufspraxis vor.
- Die durchschnittliche Studiendauer nähert sich dem gesetzlichen Leitbild von vier Jahren plus Examen.
6. Wir werden jede Reform mittragen, die zu einer Qualitäts-verbesserung der Juristenausbildung führt. Wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die durch den Curricularnormwert festgeschriebene Betreuungsrelation Lehrpersonal – Studierende deutlich verbessert wird.
Heidelberg, den 04. April 2007
Sprecher des Fachbereichs Rechtswissenschaft Prof. Dr. Jochen Glöckner (Konstanz),
Dekan Prof. Dr. Helmut Heiss (Mannheim),
Dekan Prof. Dr. Burkhard Hess (Heidelberg),
Dekan Prof. Dr. Walter Perron (Freiburg),
Dekan Prof. Dr. Joachim Vogel (Tübingen).
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Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
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Irene Thewalt
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