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Auf den Spuren von Beaumarchais

30. Juni 2007

Die Heidelberger Musikwissenschaftlerin Silke Leopold ging in einem Vortrag den vielfältigen Verästelungen des „Figaro“-Stoffes nach


Der rührige Friseur hat sich gegenwärtig in Heidelbergs Theater fest etabliert. Mozarts „Figaro“ steht seit Wochen auf dem Spielplan. Rossinis „Barbier von Sevilla“ besorgte den erfolgreichen Auftakt der Schlossfestspiele (vgl. Premierenkritik vom 25. Juli), und vom 13. Juli an ist Peter Turrinis Stück „Der tollste Tag“ auf dem Schloss zu erleben, dies ebenfalls – wie die beiden Opern – basierend auf der Vorlage von Beaumarchais, der eigentlich Pierre Augustin Caron hieß, im Leben ein veritables Schlitzohr gewesen sein muss und mit seinen witzig-gesellschaftskritischen Komödien „Le barbier de Seville“ und „Le mariage de Figaro“ die Aufmerksamkeit seiner Zeitgenossen erregte.

Beaumarchais auf den Bühnen Europas. Das war Thema eines Vortrags von Silke Leopold, in dem die Ordinaria für Musikwissenschaft und „Noch-Prorektorin“ an der Ruperto Carola, im Heidelberger Theater, herzlich begrüßt von Opernchef Bernd Feuchtner, ebenso kenntnisreich wie detailfreudig den vielfältigen Verästelungen nachging, die der komplexe Stoff in sich birgt. Die Musikwissenschaftlerin führte in die Entstehungszeit der Komödie ein, als Beaumarchais zwischen 1774 und 1790 seine Trilogie schrieb und Figaro, wohl als sein „alter ego“ und Repräsentant des Zeitgeistes, gedacht, für die aufstrebenden Tendenzen des Bürgertums stand.

Die Gestalt wurde denn auch rasch zum Opernhelden. Eingehend würdigte die Wissenschaftlerin die unterschiedlichen Adaptionen, zum Beispiel Friedrich Ludwig Bendas „Barbier von Sevilla“ (1776) oder Giovanni Paisiellos 1782 vor der russischen Zarin in St. Petersburg aufgeführte Oper „Il Barbiere di Siviglia“, in dem die gesellschaftspolitische Brisanz der Typenkomödie stärker hervorgehoben wurde. Dieses Musikwerk, rasch ein europaweiter Erfolg, wurde 1783 in Wien auf die Bühne gebracht. Mozart hat mehrere Aufführungen besucht.

Rossini hatte es schwer, sich gegen Paisiello mit seinem „Barbier“ durchzusetzen. Das Publikum hielt es wohl für vermessen, dass jemand noch einmal dasselbe Libretto zu vertonen wagt. Die erste Aufführung war denn auch ein Fiasko. Doch schon kurze Zeit später setzte sich seine Oper durch.

An zahlreichen Beispielen demonstrierte Silke Leopold die von den unterschiedlichen Komponisten eingesetzten musikalischen Mittel. So blieben bei Paisiello die gesellschaftskritischen Untertöne der Vorlage spürbar, während sie bei Rossini verschwanden, und in Mozarts „Figaro“ scheinen die Friktionen zwischen den Ständen ihren Höhepunkt zu erreichen, als Gräfin und Susanne im vierten Akt die Kleider tauschen. Doch – so Silke Leopold – musikalisch gibt es keine Verkleidung, da Kammermädchen Susanne nicht im platten Parlando der Unterschicht singt. Höfische und bürgerliche Sphäre versöhnen sich.

Nach Mozart wurde der Figaro-Stoff nicht mehr erfolgreich weiterentwickelt, und die Musikwissenschaftlerin resümierte: Beaumarchais wäre heute auf der Opernbühne nicht mehr präsent, hätten ihm Mozart, Rossini und Paisiello nicht Unsterblichkeit verliehen.
Heide Seele
© Rhein-Neckar-Zeitung

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