Seltene angeborene Stoffwechselerkrankung kann erfolgreich behandelt werden
Horst-Bickel-Preis 2007 geht an Kinderarzt des Universitätsklinikums Heidelberg für Forschungsarbeiten zur Glutarazidurie Typ I
Privatdozent Dr. Stefan Kölker, Oberarzt am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Klinik I, ist für seine umfassenden Forschungsarbeiten zu einer seltenen angeborenen Stoffwechselkrankheit, der Glutarazidurie Typ I, die durch eine spezielle, im Neugeborenenalter beginnende Therapie erfolgreich behandelt werden kann, am 15. November 2007 mit dem mit 25.000 Euro dotierten Horst-Bickel-Preis ausgezeichnet worden.
Die SHS-Gesellschaft für klinische Ernährung mbH, Heilbronn, stiftet den international ausgeschriebenen Preis zu Ehren von Professor Dr. Horst Bickel, ehemaliger Ordinarius der Ruprecht-Karls-Universität, Direktor der Heidelberger Universitäts-Kinderklinik und ein Wegbereiter der Pädiatrischen Stoffwechselmedizin.
Bei der Preisverleihung in Fulda (von links nach rechts): Prof. Dr. Brian Fowler (Vorsitzender der Horst-Bickel-Stiftung, Leiter Laboratorien, Universitätskinderspital Basel), PD Dr. Stefan Kölker und Helmut Brehl (Geschäftsführer der SHS Gesellschaft für klinische Ernährung mbH, Heilbronn).
Foto: privat
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Krankheitsverlauf und Therapie-Leitlinien
Bei der Glutarazidurie Typ I handelt es sich um eine Stoffwechselkrankheit im Abbauweg der Aminosäuren Lysin, Hydroxylysin und Tryptophan, bei der es aufgrund eines angeborenen Defekts des Enzyms Glutaryl-CoA-Dehydrogenase zur vermehrten Bildung bestimmter Stoffwechselprodukte kommt. Einige dieser Stoffe schädigen direkt das sich entwickelnde Gehirn bei Säuglingen und Kleinkindern.
Die Heidelberger Mediziner beschrieben in den vergangenen Jahren den genauen Krankheitsverlauf und bezogen Daten von mehr als der Hälfte der weltweit derzeit bekannten Patienten ein. Sie konnten hierbei folgendes zeigen: Mit Hilfe einer speziellen Diät, bestimmten Medikamenten und einer geeigneten Notfalltherapie können die Patienten eine normale körperliche und geistige Entwicklung durchlaufen. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine frühzeitige Therapieeinleitung und Diagnosestellung im Neugeborenenalter.
Dies gelingt zuverlässig nur durch das erweiterte Neugeborenenscreening: Dabei werden derzeit alle Neugeborenen in Deutschland 48 bis 72 Stunden nach der Geburt bundesweit einheitlich auf zwölf Stoffwechselkrankheiten und zwei endokrinologische Krankheiten hin untersucht.
Die Heidelberger Ergebnisse mündeten in einer ersten internationalen Leitlinie zur Therapie der Stoffwechselerkrankung Glutarazidurie Typ I. Außerdem konnten die Forscher in einem Mausmodell den molekularen Grundlagen der Erkrankung auf die Spur kommen.
Bickel zeigte erstmals: angeborene Stoffwechselerkrankungen sind behandelbar
Professor Bickel hatte in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts mit seinen bahnbrechenden Arbeiten zur Phenylketonurie (PKU) erstmals gezeigt, dass angeborene Stoffwechselkrankheiten behandelbar sein können, was zum damaligen Zeitpunkt noch als völlig unmöglich galt. Wird sofort nach der Geburt eine strenge Diät begonnen, bleibt den Betroffenen das Schicksal einer schweren geistigen Behinderung erspart. Nachdem der amerikanische Arzt Robert Guthrie im Jahr 1963 einen einfachen Test zum Nachweis einer PKU entwickelte – beim "Guthrie-Test" genügt ein Tropfen Blut, der auf einem Filterpapier getrocknet und im Labor untersucht wird – sorgte Professor Bickel dafür, dass der Guthrie-Test zu Beginn der 70er Jahre in Deutschland flächendeckend eingeführt wurde.
Neugeborenenscreening bewahrt vor schweren Folgeschäden
Durch Einführung der Tandem-Massenspektrometrie in die Stoffwechseldiagnostik Ende der 90er Jahre wurde das Neugeborenenscreening nachhaltig verändert, da nun mittels einer einzigen Methode mehrere Krankheiten gleichzeitig untersucht werden konnten. Auch die von Dr. Stefan Kölker und Kollegen untersuchte angeborene Stoffwechselerkrankung Glutarazidurie Typ I ist eine der Zielkrankheiten des bundesweiten Neugeborenenscreenings.
Kontakt:
PD Dr. med. Stefan Kölker
Oberarzt Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Klinik I
Sektion Angeborene Stoffwechselkrankheiten
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Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg