Heidelberger Spuren in Ägypten
22. Januar 2008
Internationales Aushängeschild: 100 Jahre Deutsches Archäologisches Institut Kairo – Auch Wissenschaftler der Ruperto Carola bis heute im Land der Pharaonen präsent
Wenn Außenminister Frank-Walter Steinmeier in seinem Grußwort von "sechs Jahrtausenden geschichtlicher Entwicklung" im Forschungsbereich des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Kairo spricht, so erscheinen die hundert Jahre dieser Einrichtung als vergleichsweise kurzer Zeitraum. Und umgekehrt erscheinen die Dimensionen der ägyptischen Kultur umso gewaltiger.
Und dennoch hat sich das DAI Kairo in dieser extrem wechselhaften Zeit Steinmeier zufolge zu einem wichtigen "Aushängeschild Deutschlands" entwickelt. Die entsprechende Dokumentation findet sich in dem repräsentativen, vom Außenminister eröffneten Band "Begegnung mit der Vergangenheit – 100 Jahre in Ägypten. Deutsches Archäologisches Institut Kairo 1907-2007", der von den heutigen Institutsdirektoren Günter Dreyer und Daniel Polz herausgegeben wurde.
Früher Impuls vom Neckar
Und gleich zu Beginn ihres historischen Überblicks "100 Jahre am Nil" verweist Nicole Kehrer auf Spuren der Ruperto Carola: "Ein Schreiben des Heidelberger Ägyptologen August Eisenlohr (1832-1902) an den deutschen Kaiser vom 3. November 1881 ist der früheste aktenmäßig greifbare Beleg für die Bemühungen, auch der deutschen Ägyptologie ein eigenes Zentrum in Kairo zu schaffen. Hauptaufgabe des von Eisenlohr geforderten Instituts sollte die Aufnahme und Publikation von Inschriften, Unterstützung deutscher Wissenschaftler im Land und die Vergabe von Stipendien sein."
Aber erst 1907, nachdem im 19. Jahrhundert – vor allem durch Richard Lepsius – die Grundlagen für eine deutsche Ägyptologie geschaffen worden waren, wurde das "Kaiserlich Deutsche Institut für Ägyptische Altertumskunde" per Aufnahme in den Reichsetat am 1. April Wirklichkeit. Gründungsdirektor war der spätere Nofretete-Entdecker Ludwig Borchardt (siehe unten). Und bis heute lassen sich im Institut auch Heidelberger Spuren finden. Denn der jetzige 2.Direktor des DAI Kairo, Daniel Polz, hat in Heidelberg promoviert, und Rainer Stadelmann, der 1968-1988 der 2. Direktor sowie 1989-1998 der 1. Direktor der Forschungsstätte war, habilitierte am Neckar.
Die Geschichte dieser Einrichtung ist durch tiefe Einschnitte gekennzeichnet. Nachdem das Deutsche Haus in Theben schon 1904 fertig gestellt und drei Jahre später das Institut in Kairo eröffnet worden war, fand die "fruchtbare Anfangszeit" mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges ein jähes Ende: "Bis 1917 wurden das Institut und seine Häuser in Theben, Abusir und Amarna unter den Schutz der US-Botschaft, dann unter den der Schwedischen Botschaft gestellt." Es folgte die Konfiszierung durch den ägyptischen Staat.
Nach einem schwierigen Wiederherstellungsprozess konnte die Forschungsstätte 1923 neu eröffnet werden, und im "Leben Kairos der 30er Jahre spielte das Institut eine große Rolle". In diesem Jahrzehnt hielt sich im Thebener Haus auch der Heidelberger Ägyptologe Hermann Ranke auf, der 1910 erster Direktor des hiesigen Instituts gewesen war und 1913/14 die "badischen Grabungen" in Ägypten geleitet hatte. Aber dann brach der 2. Weltkrieg aus, mit der Folge, dass "die Beziehungen zwischen Ägypten und Deutschland am 3. September 1939 offiziell abgebrochen wurden. Das Institut wurde polizeilich besetzt und geschlossen". Es folgte ein weiterer Tiefpunkt: "Nach Kriegsende gab es die Zweigstelle Kairo de facto nicht mehr."
Dieses Mal konnte das Institut erst am 16. November 1957 offiziell wieder eröffnet werden. Erneut setzte eine Glanzzeit ein, die allerdings schon bald von der internationalen politischen Lage überschattet wurde. Während sich Deutschland Israel annäherte, wandte sich Ägypten der DDR zu. Kehrer schreibt: "Die so bereits angespannte Lage eskalierte am 13. Mai 1965: Als eine Reaktion auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel an diesem Tag brachen zehn arabische Staaten, darunter Ägypten, ihre diplomatischen Beziehungen zu Deutschland ab."
Vorsorglich wurde das Institut unter den Schutz der Italienischen Botschaft gestellt. Diese angespannte Situation, die im Juni 1967 im Sechs-Tage-Krieg gegen Israel gipfelte, führte das Institut erneut in eine existentielle Krise, die es jedoch überstand, wenngleich Projekte beendet werden mussten. Andererseits eröffneten sich Kehrer zufolge neue Perspektiven: "Im thebanischen Raum ... konnten die Arbeiten fortgesetzt und sogar aufgestockt werden: 1969 begann das bis heute fortgeführte DFG-gestützte Projekt zur Aufnahme und Publikation thebanischer Beamtengräber, im Dezember 1970 nahm Rainer Stadelmann seine Arbeiten im Tempel Sethos' I. in Qurna auf."
In dem Buchkapitel "Die thebanische Beamtennekropole" schreibt die Heidelberger Ägyptologin Heike Heye: "1977 begann das Ägyptologische Institut der Universität Heidelberg ein ebenfalls von der DFG unterstütztes Projekt, das sich spezifisch auf die Bearbeitung der ramessidenzeitlichen Gräber der 19. und 20. Dynastie in Theben ausrichtet."
Die Untersuchungsperiode war zunächst sehr groß: "Diese weite Ausdehnung wurde jedoch unter Rainer Stadelmann als Projektleiter zurückgenommen und durch eine chronologische und geographische Konzentration auf die 18. Dynastie und den Nekropolenteil Sheikh Abd el-Qurna ersetzt. Auf diese Weise wurde erreicht, dass sich das Heidelberger und das Instituts-Projekt gegenseitig ergänzen und gemeinsam das gesamte Neue Reich in der thebanischen Nekropole umfassen."
Entsprechend stark sind die Wissenschaftler mit Heidelberger Hintergrund – Polz, Heye, Stadelmann – in der Kapitelfolge 29 bis 34 zum Thema "Eine Hauptstadt Ägyptens: Das ‚siegreiche' Theben" im vorliegenden Band vertreten.
Und im anhängenden Schriftenverzeichnis ist auch der frühere Heidelberger Lehrstuhlinhaber Jan Assmann schon ab 1970 mit diversen Arbeiten vertreten. Von Assmann und Kollegen herausgegeben, findet sich dort auch der Titel "Thebanische Beamtennekropolen. Neue Perspektiven archäologischer Forschung" über ein internationales Symposion, das 1993 in Heidelberg stattfand.
Info: Günter Dreyer, Daniel Polz (Hrsg.): "Begegnung mit der Vergangenheit – 100 Jahre in Ägypten. Deutsches Archäologisches Institut Kairo 1907-2007". Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2007. 345 S., 347 Farb- und 155 s/w-Abb.; 49,90 Euro.
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Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
http://www.uni-heidelberg.de/presse
Irene Thewalt
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Und dennoch hat sich das DAI Kairo in dieser extrem wechselhaften Zeit Steinmeier zufolge zu einem wichtigen "Aushängeschild Deutschlands" entwickelt. Die entsprechende Dokumentation findet sich in dem repräsentativen, vom Außenminister eröffneten Band "Begegnung mit der Vergangenheit – 100 Jahre in Ägypten. Deutsches Archäologisches Institut Kairo 1907-2007", der von den heutigen Institutsdirektoren Günter Dreyer und Daniel Polz herausgegeben wurde.
Früher Impuls vom Neckar
Und gleich zu Beginn ihres historischen Überblicks "100 Jahre am Nil" verweist Nicole Kehrer auf Spuren der Ruperto Carola: "Ein Schreiben des Heidelberger Ägyptologen August Eisenlohr (1832-1902) an den deutschen Kaiser vom 3. November 1881 ist der früheste aktenmäßig greifbare Beleg für die Bemühungen, auch der deutschen Ägyptologie ein eigenes Zentrum in Kairo zu schaffen. Hauptaufgabe des von Eisenlohr geforderten Instituts sollte die Aufnahme und Publikation von Inschriften, Unterstützung deutscher Wissenschaftler im Land und die Vergabe von Stipendien sein."
Aber erst 1907, nachdem im 19. Jahrhundert – vor allem durch Richard Lepsius – die Grundlagen für eine deutsche Ägyptologie geschaffen worden waren, wurde das "Kaiserlich Deutsche Institut für Ägyptische Altertumskunde" per Aufnahme in den Reichsetat am 1. April Wirklichkeit. Gründungsdirektor war der spätere Nofretete-Entdecker Ludwig Borchardt (siehe unten). Und bis heute lassen sich im Institut auch Heidelberger Spuren finden. Denn der jetzige 2.Direktor des DAI Kairo, Daniel Polz, hat in Heidelberg promoviert, und Rainer Stadelmann, der 1968-1988 der 2. Direktor sowie 1989-1998 der 1. Direktor der Forschungsstätte war, habilitierte am Neckar.
Die Geschichte dieser Einrichtung ist durch tiefe Einschnitte gekennzeichnet. Nachdem das Deutsche Haus in Theben schon 1904 fertig gestellt und drei Jahre später das Institut in Kairo eröffnet worden war, fand die "fruchtbare Anfangszeit" mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges ein jähes Ende: "Bis 1917 wurden das Institut und seine Häuser in Theben, Abusir und Amarna unter den Schutz der US-Botschaft, dann unter den der Schwedischen Botschaft gestellt." Es folgte die Konfiszierung durch den ägyptischen Staat.
Nach einem schwierigen Wiederherstellungsprozess konnte die Forschungsstätte 1923 neu eröffnet werden, und im "Leben Kairos der 30er Jahre spielte das Institut eine große Rolle". In diesem Jahrzehnt hielt sich im Thebener Haus auch der Heidelberger Ägyptologe Hermann Ranke auf, der 1910 erster Direktor des hiesigen Instituts gewesen war und 1913/14 die "badischen Grabungen" in Ägypten geleitet hatte. Aber dann brach der 2. Weltkrieg aus, mit der Folge, dass "die Beziehungen zwischen Ägypten und Deutschland am 3. September 1939 offiziell abgebrochen wurden. Das Institut wurde polizeilich besetzt und geschlossen". Es folgte ein weiterer Tiefpunkt: "Nach Kriegsende gab es die Zweigstelle Kairo de facto nicht mehr."
Dieses Mal konnte das Institut erst am 16. November 1957 offiziell wieder eröffnet werden. Erneut setzte eine Glanzzeit ein, die allerdings schon bald von der internationalen politischen Lage überschattet wurde. Während sich Deutschland Israel annäherte, wandte sich Ägypten der DDR zu. Kehrer schreibt: "Die so bereits angespannte Lage eskalierte am 13. Mai 1965: Als eine Reaktion auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel an diesem Tag brachen zehn arabische Staaten, darunter Ägypten, ihre diplomatischen Beziehungen zu Deutschland ab."
Vorsorglich wurde das Institut unter den Schutz der Italienischen Botschaft gestellt. Diese angespannte Situation, die im Juni 1967 im Sechs-Tage-Krieg gegen Israel gipfelte, führte das Institut erneut in eine existentielle Krise, die es jedoch überstand, wenngleich Projekte beendet werden mussten. Andererseits eröffneten sich Kehrer zufolge neue Perspektiven: "Im thebanischen Raum ... konnten die Arbeiten fortgesetzt und sogar aufgestockt werden: 1969 begann das bis heute fortgeführte DFG-gestützte Projekt zur Aufnahme und Publikation thebanischer Beamtengräber, im Dezember 1970 nahm Rainer Stadelmann seine Arbeiten im Tempel Sethos' I. in Qurna auf."
In dem Buchkapitel "Die thebanische Beamtennekropole" schreibt die Heidelberger Ägyptologin Heike Heye: "1977 begann das Ägyptologische Institut der Universität Heidelberg ein ebenfalls von der DFG unterstütztes Projekt, das sich spezifisch auf die Bearbeitung der ramessidenzeitlichen Gräber der 19. und 20. Dynastie in Theben ausrichtet."
Die Untersuchungsperiode war zunächst sehr groß: "Diese weite Ausdehnung wurde jedoch unter Rainer Stadelmann als Projektleiter zurückgenommen und durch eine chronologische und geographische Konzentration auf die 18. Dynastie und den Nekropolenteil Sheikh Abd el-Qurna ersetzt. Auf diese Weise wurde erreicht, dass sich das Heidelberger und das Instituts-Projekt gegenseitig ergänzen und gemeinsam das gesamte Neue Reich in der thebanischen Nekropole umfassen."
Entsprechend stark sind die Wissenschaftler mit Heidelberger Hintergrund – Polz, Heye, Stadelmann – in der Kapitelfolge 29 bis 34 zum Thema "Eine Hauptstadt Ägyptens: Das ‚siegreiche' Theben" im vorliegenden Band vertreten.
Und im anhängenden Schriftenverzeichnis ist auch der frühere Heidelberger Lehrstuhlinhaber Jan Assmann schon ab 1970 mit diversen Arbeiten vertreten. Von Assmann und Kollegen herausgegeben, findet sich dort auch der Titel "Thebanische Beamtennekropolen. Neue Perspektiven archäologischer Forschung" über ein internationales Symposion, das 1993 in Heidelberg stattfand.
Heribert Vogt
© Rhein-Neckar-Zeitung
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Info: Günter Dreyer, Daniel Polz (Hrsg.): "Begegnung mit der Vergangenheit – 100 Jahre in Ägypten. Deutsches Archäologisches Institut Kairo 1907-2007". Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2007. 345 S., 347 Farb- und 155 s/w-Abb.; 49,90 Euro.
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