Wissensbasis Mathematik
5. Februar 2008
Die Heidelberger Mathematik-Professorin Angela Stevens vom Institut für Angewandte Mathematik der Ruprecht-Karls-Universität entwickelt mathematische Werkzeuge zur Beschreibung biologischer Fragestellungen
"Die Mathematik stellt die Wissensbasis für alle Naturwissenschaften dar", macht die Professorin Angela Stevens vom Institut für Angewandte Mathematik der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität die Bedeutung ihres Faches klar. Für die Physik oder Astronomie ist das auch sofort einleuchtend, doch wie sieht das in Verbindung mit den Lebenswissenschaften aus, also Biologie oder Medizin? Sind die biologischen Vorgänge nicht viel zu komplex, um sie mit mathematischen Gleichungen beschreiben zu können?
Doch gerade die Entwicklung mathematischer Werkzeuge zur Beschreibung biologischer Fragestellungen ist das Forschungsgebiet von Angela Stevens. Wie sie dabei vorgeht, erläutert sie mit Hilfe eines Beispiels aus der Physik: "Die Dynamik einer Flüssigkeit in einem Gefäß, das bewegt wird, lässt sich mit Differentialgleichungen beschreiben", erklärt die Mathematikerin. Vergleichbares gibt es auch in der Biologie, wie Angela Stevens aus Forschungsarbeiten ihrer eigenen Arbeitsgruppe, die im Heidelberger Bioquant-Forschungsnetz ansässig ist, weiß. So gibt es beispielsweise Wissenschaftler, die adulte Zellen des Herzens oder des Auges in eine Petrischale setzen, um wieder zusammenhängende Zellstrukturen zu bauen. Normalerweise bilden sich dabei zweidimensionale Zellstrukturen aus. Wird die Petrischale aber bewegt, so entstehen dreidimensionale Gebilde.
Die Frage, die sich nun stellt ist, ob die Art der Bewegung der Petrischale und damit der darin enthaltenen Flüssigkeit einen Einfluss auf die Größe und Form der neu gebildeten Aggregate ausübt. Und hier kommt die Mathematik ins Spiel. Die Dynamik der Flüssigkeit kann mit Gleichungen beschrieben werden, und auch wie sich die Zellen in der Flüssigkeit verhalten. Doch dabei tauchen gewisse Probleme für den Mathematiker auf, denn es ist schwer zu entscheiden, welche physikalischen Merkmale die Zellen in der Nährlösung besitzen. Verhalten sie sich eher wie eine elastische oder weniger elastische Strukturen? Zahlreiche theoretische Rechnungen und Simulationen sind notwendig, um die richtige Antwort zu finden. Der Aufwand lohnt sich jedoch, denn mit Hilfe der Mathematik können die Grundprinzipien der Strukturbildung bei Zellen erkannt werden.
Aus dem Bereich der Entwicklungsbiologie gibt Angela Stevens ein weiteres Beispiel für die Anwendung der Mathematik in der Biologie. Hier soll geklärt werden, wie aus einer anfänglichen Zellstruktur ein komplexer Zellverband entsteht. Als Modellorganismus dient die Schleimamöbe Dictyostelium discoideum, die auf bestimmte Lockstoffe reagiert, um sich etwa in Richtung einer Nahrungsquelle zu bewegen, was der Wissenschaftler als Chemotaxis bezeichnet. Hat dieser Einzeller allerdings für längere Zeit keine Nahrung bekommen, so bilden mehrere Zellen der Schleimamöbe einen Zellverband aus, der zuerst Aggregate bildet, sich dann weiter streckt, umfällt und sich dann wurmartig fortbewegt, bis er eine geeignete Stelle gefunden hat, um einen Fruchtkörper zu bilden.
In diesem Verband sind die Zellen differenziert. Wie kommt es nun zu dieser Zelldifferenzierung? Ist daran etwa die Chemotaxis beteiligt? Schon in den frühen Aggregaten sind die Zellen an der Basis tatsächlich chemotaktisch schwächer als die oben befindlichen. Die mathematische Beschreibung der Bewegungsdynamik der beiden Zelltypen gibt Aufschluss über die Strukturierung des Zellverbandes. Aber es zeigt sich, dass beide Zelltypen, also die schwächeren und die stärkeren Zellen, im mathematischen Modell gleichzeitig aggregieren. Vermutlich bindet der chemotaktisch schwächere Zelltypus aber mehr Zellen an sich als der stärkere, und so gibt es wahrscheinlich noch weitere Faktoren, die bei der Bildung eines Zellverbandes im mathematischen Modell zu berücksichtigen sind, wie etwa Unterschiede in der Verteilung der Adhäsionsrezeptoren der Zellen.
Um schließlich die Strukturbildung bei Zellen und in Geweben zu verstehen und mathematisch beschreiben zu können, ist für Angela Stevens die Zusammenarbeit mit Biologen und Medizinern unabdingbar. Und hierfür bietet Heidelberg mit dem Forschungsnetzwerk Bioquant, aber auch den verschiedenen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, wie etwa dem Europäischen Labor für Molekularbiologie (EMBL), hervorragende Möglichkeiten, betont die Mathematikerin Stevens.
Rückfragen bitte an:
Prof. Dr. Angela Stevens
Universität Heidelberg
Institut für Angewandte Mathematik
Im Neuenheimer Feld 267, 69120 Heidelberg
Tel. 06221 5451327
angela.stevens@bioquant.uni-heidelberg.de
Allgemeine Rückfragen von Journalisten auch an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Irene Thewalt
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Doch gerade die Entwicklung mathematischer Werkzeuge zur Beschreibung biologischer Fragestellungen ist das Forschungsgebiet von Angela Stevens. Wie sie dabei vorgeht, erläutert sie mit Hilfe eines Beispiels aus der Physik: "Die Dynamik einer Flüssigkeit in einem Gefäß, das bewegt wird, lässt sich mit Differentialgleichungen beschreiben", erklärt die Mathematikerin. Vergleichbares gibt es auch in der Biologie, wie Angela Stevens aus Forschungsarbeiten ihrer eigenen Arbeitsgruppe, die im Heidelberger Bioquant-Forschungsnetz ansässig ist, weiß. So gibt es beispielsweise Wissenschaftler, die adulte Zellen des Herzens oder des Auges in eine Petrischale setzen, um wieder zusammenhängende Zellstrukturen zu bauen. Normalerweise bilden sich dabei zweidimensionale Zellstrukturen aus. Wird die Petrischale aber bewegt, so entstehen dreidimensionale Gebilde.
Die Frage, die sich nun stellt ist, ob die Art der Bewegung der Petrischale und damit der darin enthaltenen Flüssigkeit einen Einfluss auf die Größe und Form der neu gebildeten Aggregate ausübt. Und hier kommt die Mathematik ins Spiel. Die Dynamik der Flüssigkeit kann mit Gleichungen beschrieben werden, und auch wie sich die Zellen in der Flüssigkeit verhalten. Doch dabei tauchen gewisse Probleme für den Mathematiker auf, denn es ist schwer zu entscheiden, welche physikalischen Merkmale die Zellen in der Nährlösung besitzen. Verhalten sie sich eher wie eine elastische oder weniger elastische Strukturen? Zahlreiche theoretische Rechnungen und Simulationen sind notwendig, um die richtige Antwort zu finden. Der Aufwand lohnt sich jedoch, denn mit Hilfe der Mathematik können die Grundprinzipien der Strukturbildung bei Zellen erkannt werden.
Aus dem Bereich der Entwicklungsbiologie gibt Angela Stevens ein weiteres Beispiel für die Anwendung der Mathematik in der Biologie. Hier soll geklärt werden, wie aus einer anfänglichen Zellstruktur ein komplexer Zellverband entsteht. Als Modellorganismus dient die Schleimamöbe Dictyostelium discoideum, die auf bestimmte Lockstoffe reagiert, um sich etwa in Richtung einer Nahrungsquelle zu bewegen, was der Wissenschaftler als Chemotaxis bezeichnet. Hat dieser Einzeller allerdings für längere Zeit keine Nahrung bekommen, so bilden mehrere Zellen der Schleimamöbe einen Zellverband aus, der zuerst Aggregate bildet, sich dann weiter streckt, umfällt und sich dann wurmartig fortbewegt, bis er eine geeignete Stelle gefunden hat, um einen Fruchtkörper zu bilden.
In diesem Verband sind die Zellen differenziert. Wie kommt es nun zu dieser Zelldifferenzierung? Ist daran etwa die Chemotaxis beteiligt? Schon in den frühen Aggregaten sind die Zellen an der Basis tatsächlich chemotaktisch schwächer als die oben befindlichen. Die mathematische Beschreibung der Bewegungsdynamik der beiden Zelltypen gibt Aufschluss über die Strukturierung des Zellverbandes. Aber es zeigt sich, dass beide Zelltypen, also die schwächeren und die stärkeren Zellen, im mathematischen Modell gleichzeitig aggregieren. Vermutlich bindet der chemotaktisch schwächere Zelltypus aber mehr Zellen an sich als der stärkere, und so gibt es wahrscheinlich noch weitere Faktoren, die bei der Bildung eines Zellverbandes im mathematischen Modell zu berücksichtigen sind, wie etwa Unterschiede in der Verteilung der Adhäsionsrezeptoren der Zellen.
Um schließlich die Strukturbildung bei Zellen und in Geweben zu verstehen und mathematisch beschreiben zu können, ist für Angela Stevens die Zusammenarbeit mit Biologen und Medizinern unabdingbar. Und hierfür bietet Heidelberg mit dem Forschungsnetzwerk Bioquant, aber auch den verschiedenen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, wie etwa dem Europäischen Labor für Molekularbiologie (EMBL), hervorragende Möglichkeiten, betont die Mathematikerin Stevens.
Stefan Zeeh
Rückfragen bitte an:
Prof. Dr. Angela Stevens
Universität Heidelberg
Institut für Angewandte Mathematik
Im Neuenheimer Feld 267, 69120 Heidelberg
Tel. 06221 5451327
angela.stevens@bioquant.uni-heidelberg.de
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