Alle Macht geht vom Fleische aus
12. Februar 2008
Der Heidelberger Kunsthistoriker Dietrich Schubert hat seine unterschiedlichen Beiträge über Alfred Hrdlicka in einem Buch zusammengetragen
Vor einem Vierteljahrhundert war Alfred Hrdlicka in Heidelberg. Da präsentierte Hans Gercke die von Wauter Kotte in Utrecht initiierte Ausstellung "Dix – Hrdlicka" im Kunstverein. Die Anregung dazu war dem hiesigen Kunsthistoriker Dietrich Schubert zu danken, und in seiner soeben erschienenen Beitragssammlung über den einstigen Wiener Kraftprotz, der heute auf den Rollstuhl angewiesen ist, erinnert er u.a. mit einem Foto, das ihn gemeinsam mit dem Künstler und dem einstigen Kunstvereinsvorsitzenden zeigt) an das Ereignis aus dem Jahr 1983.
Hrdlicka, der gelernte Zahntechniker, der einer der größten Bildhauer seiner Zeit werden sollte, war damals auf seinem künstlerischen Höhepunkt, und wir erinnern uns noch gut an die Konfrontation der beiden Radierzyklen "Der Krieg" (1924) von Dix und "Wie ein Totentanz" (1974) von Hrdlicka. Während Dix seine eigenen schrecklichen Erlebnisse aus dem Ersten Weltkrieg aufarbeitete, hatte sich der Österreicher den 20. Juli 1944 vorgenommen. Hier, wie in seinen anderen Arbeiten, demonstrierte der Wotruba-Schüler einmal mehr sein politisches Engagement wie auch seine Faszination von Gewalt und Tod, von menschlichem Leid und Sexualität, von Macht und Ohnmacht. "Alle Macht in der Kunst geht vom Fleische aus" formulierte er und befasste sich auch mit dem homosexuellen Triebtäter Haarmann, dessen perverse Taten er als "Wetterleuchten des Nationalsozialismus" deutete.
Schonungslos nennt man seit jeher seine Darstellungen, und dieser Hang zur extremen und obszönen Gestaltung war für den überzeugten Marxisten stets ein Mittel, seine Zeitgenossen aufzurütteln. Viele verschreckte er indes, und "populär" im landläufigen Sinne war er nie.
Dietrich Schubert widmet dem fast 80-Jährigen (Geburtstag am 27. Februar), dem gegenwärtig eine Retrospektive in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall gilt (RNZ-Rezension vom 30. Januar), eine Schrift, in der er die wichtigsten seiner in den letzten Jahren über Hrdlicka publizierten Texte vorlegt.
Hrdlicka, der gelernte Zahntechniker, der einer der größten Bildhauer seiner Zeit werden sollte, war damals auf seinem künstlerischen Höhepunkt, und wir erinnern uns noch gut an die Konfrontation der beiden Radierzyklen "Der Krieg" (1924) von Dix und "Wie ein Totentanz" (1974) von Hrdlicka. Während Dix seine eigenen schrecklichen Erlebnisse aus dem Ersten Weltkrieg aufarbeitete, hatte sich der Österreicher den 20. Juli 1944 vorgenommen. Hier, wie in seinen anderen Arbeiten, demonstrierte der Wotruba-Schüler einmal mehr sein politisches Engagement wie auch seine Faszination von Gewalt und Tod, von menschlichem Leid und Sexualität, von Macht und Ohnmacht. "Alle Macht in der Kunst geht vom Fleische aus" formulierte er und befasste sich auch mit dem homosexuellen Triebtäter Haarmann, dessen perverse Taten er als "Wetterleuchten des Nationalsozialismus" deutete.
Schonungslos nennt man seit jeher seine Darstellungen, und dieser Hang zur extremen und obszönen Gestaltung war für den überzeugten Marxisten stets ein Mittel, seine Zeitgenossen aufzurütteln. Viele verschreckte er indes, und "populär" im landläufigen Sinne war er nie.
Dietrich Schubert widmet dem fast 80-Jährigen (Geburtstag am 27. Februar), dem gegenwärtig eine Retrospektive in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall gilt (RNZ-Rezension vom 30. Januar), eine Schrift, in der er die wichtigsten seiner in den letzten Jahren über Hrdlicka publizierten Texte vorlegt.
Alfred Hrdlicka, „Landsknechte – Szene aus der Bauernrevolte 1526“, Tusche/Pastell, 1981.
Foto: aus dem besprochenen Buch
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Der pensionierte Professor vom Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg resümiert die Eigenheiten des eigenwilligen Bildhauers, Malers und Zeichners, der mit seinen Werken immer wieder aneckte, rühmt Hrdlickas Bestreben, der "fortschreitenden Abstraktion und thematischen Entleerung der modernen Kunst" entgegenzuwirken und zieht in diesem Zusammenhang gegen die "Kunstmarktkunst" von heute zu Felde, die nur gut Verkäufliches präferiere, Abstrakt-Designähnliches, Dekoratives, vergrößerte Fotografien von Menschen oder grellfarbene "Neue Figuration". Kontrastierend zu diesen Trends hebt er positiv den radikalen Verismus, den "echten Realismus" eines Hrdlicka (und Dix) hervor, der konzentriert, abstrahiert, verdichtet.
Schuberts Affinität zu Alfred Hrdlicka wird in seinen Zeitschriften- und Katalog-Beiträgen offenkundig, in Artikeln über eine Ausstellung in Lübeck 1980, über das Wuppertaler Denkmal für Friedrich Engels, über Hrdlickas Ausstellung 1985 in der Akademie Berlin-Ost oder über sein antifaschistisches Mahnmal als Gegenensemble zum Hamburger Kriegerdenkmal von 1936. Immer wird der Interpret grundsätzlich, indem er die bildnerischen Phantasien und das dynamisch-triebhafte Schaffen des Künstlers würdigt, bei den Grafikzyklen auch auf die begleitenden Zeichnungen und Studien verweist oder anhand eines Motivs wie "Der Tod und das Mädchen" an lange Bildtraditionen erinnert.
Lesenswert ist sein Essay über Funktionen und Formen der Handzeichnung bei Alfred Hrdlicka, und auch dessen Vorliebe für bestimmte Personen, etwa für den antiken Marsyas oder den gewaltsam zu Tode gekommenen italienische Filmregisseur Pier Paolo Pasolini, findet ausführliche Deutung.
Info: Dietrich Schubert: Alfred Hrdlicka – Beiträge zu seinem Werk, Wernersche Verlagsgesellschaft. 136 S., 26 Euro.
Allgemeine Rückfragen von Journalisten bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Irene Thewalt
Tel. 06221 542310, Fax 542317
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Schuberts Affinität zu Alfred Hrdlicka wird in seinen Zeitschriften- und Katalog-Beiträgen offenkundig, in Artikeln über eine Ausstellung in Lübeck 1980, über das Wuppertaler Denkmal für Friedrich Engels, über Hrdlickas Ausstellung 1985 in der Akademie Berlin-Ost oder über sein antifaschistisches Mahnmal als Gegenensemble zum Hamburger Kriegerdenkmal von 1936. Immer wird der Interpret grundsätzlich, indem er die bildnerischen Phantasien und das dynamisch-triebhafte Schaffen des Künstlers würdigt, bei den Grafikzyklen auch auf die begleitenden Zeichnungen und Studien verweist oder anhand eines Motivs wie "Der Tod und das Mädchen" an lange Bildtraditionen erinnert.
Lesenswert ist sein Essay über Funktionen und Formen der Handzeichnung bei Alfred Hrdlicka, und auch dessen Vorliebe für bestimmte Personen, etwa für den antiken Marsyas oder den gewaltsam zu Tode gekommenen italienische Filmregisseur Pier Paolo Pasolini, findet ausführliche Deutung.
Heide Seele
© Rhein-Neckar-Zeitung
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Info: Dietrich Schubert: Alfred Hrdlicka – Beiträge zu seinem Werk, Wernersche Verlagsgesellschaft. 136 S., 26 Euro.
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