Kühler Beobachter seiner Zeit
21. Februar 2008
US-Schriftsteller Louis Begley ist Ehrendoktor der Ruperto Carola
Er war der erste nichtdeutsche Poetik-Dozent am Germanistischen Seminar, jetzt ist seine Verbindung zu Heidelberg noch fester: Der US-Schriftsteller Louis Begley erhielt die Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg.
Die Zeremonie fand in der vollbesetzten Alten Aula statt, es gratulierten Vertreter des Rektorats, der Neuphilologischen Fakultät und ein Abgesandter des amerikanischen Konsulats in Frankfurt. Nach der Laudatio von Prof. Helmuth Kiesel las Begley aus seinem noch nicht veröffentlichten Essay "What is the value of one man?", in dem er harte Kritik an der US-Außenpolitik übt.Geschichte wiederholt sich
Die Reden zu Ehren des frisch gekürten Doktor honoris causa waren voller Superlative: Er wurde mit keinem geringeren als Henry James verglichen. Prorektor Thomas Pfeiffer machte sogar auf Parallelen zu Goethe aufmerksam: Beide hätten ein zweites Standbein in den Rechtswissenschaften. Und beide zeichne die so typisch für Juristen ironische Betrachtungsweise aus, so der Prorektor. Der in Polen geborene jüdische Autor zähle zu den bedeutendsten US-Schriftstellern der Gegenwart. Für die Verleihung des Titels, vom Senat übrigens einstimmig beschlossen, seien zwei Gründe ausschlaggebend gewesen, so Kiesel: Begleys Machart und der Gegenstand seiner Arbeit.
Seine Werke erfüllen alle Voraussetzungen eines "Experimentalromans" im Sinne von Emil Zola: Es sind scharfsinnige soziologische Studien über die Welt und das Leben eines Einzelnen. Wie ein roter Faden ziehen sich durch Begleys Romane das Schicksal der im Krieg verfolgten Juden sowie das Motiv des jüdischen Daseins in einer multiethnischen Welt. Ohne avantgardistische Stilzüge sind seine Werke von konventioneller Darstellungsweise dennoch weit entfernt. Sein mehrfach ausgezeichnetes Werk "Lügen in Zeiten des Krieges" ist ein eindrucksvolles Beispiel für eine kunstvolle Verschmelzung von Fiktivem und Autobiographischem - ein typisches Stilmerkmal Louis Begleys, das er auch in späteren Romanen, etwa "Ehrensachen", eingesetzt hat.
Begley, der nach dem Zweiten Weltkrieg über Frankreich in die USA emigrierte und dort in Harvard aufgenommen wurde, hat sich aber auch als aufmerksamer Beobachter und Kommentator des Zeitgeschehens hervorgetan. Seine beachtliche Essay-Sammlung deckt historische, literaturtheoretische und politische Themen ab.
Nun gab der 78-jährige Schriftsteller eine Kostprobe seiner essayistischen Kunst und las aus einem Werk vor, das von der politischen Affäre um Alfred Dreyfus im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts handelt. In prägnanten, eindringlichen Sätzen schilderte Begley den kontroversen Fall des jüdischen Artilleriehauptmanns, der trotz fehlender eindeutiger Beweise des Landesverrats bezichtigt und verbannt wurde.
Allem Anschein nach wurde Dreyfus Opfer antisemitischer Tendenzen. Das wiederum erinnerte den Autor an die Situation der heutigen Guantanamo-Häftlinge: Auch sie werden häufig ohne gerichtliche Grundlage unter unwürdigen Bedingungen gefangen gehalten - nur weil sie Muslime sind. Geschichte wiederholt sich, stellte der Schriftsteller nüchtern fest.
Das neue Werk Begleys, ein biographischer Großessay über Franz Kafka, kommt noch in diesem Jahr auf den Markt. Es sei dem Autor gelungen, ein eigenständiges, facettenreiches Bild des Klassikers zu zeichnen, so Helmuth Kiesel, und das obwohl auf dem Gebiet der Kafka-Forschung Originalität nur noch schwer zu erzielen sei. Vielleicht wird die Universität durch ihren direkten Draht zum Ehrendoktor bald wieder in den Genuss einer weiteren hochkarätigen Vorlesung kommen.
Yvonne Kaul
© Rhein-Neckar-Zeitung
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