Neue Aufgabenfelder erschlossen
Sehr erfolgreich war die Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität mit ihren Anträgen in allen drei Säulen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder in diesem Herbst. Dabei zeigt sich das Zukunftskonzept der dritten Säule, das auf dem nationalen und internationalen interdisziplinären Dialog über traditionelle Fächergrenzen und -kulturen hinweg beruht, vielleicht am exemplarischsten in der bewilligten Graduiertenschule "Mathematical and Computational Methods for the Science".
"Wir wollen neben den klassischen Anwendungsfeldern des wissenschaftlichen Rechnens, wie Chemie und Physik, neue Gebiete erschließen", erläutert Professor Hans Georg Bock vom Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) und Sprecher der Graduiertenschule. Dabei liegen die Anfänge der wissenschaftlichen Zusammenarbeit von Mathematikern/Informatikern und Wissenschaftlern anderer Fächer in Heidelberg etwas mehr als 20 Jahre zurück. 1987 wurde nämlich das IWR als eine zentrale Einrichtung der Universität gegründet, mit dem Ziel, die Aktivitäten in der Forschung mit spezieller Ausrichtung auf das wissenschaftliche Rechnen zu bündeln.
Dahinter stand die Idee der interdisziplinären Kooperation von Fachleuten aus Naturwissenschaft und Technik in bezug auf Modellierung, Simulation und experimenteller Verifikation von verschiedensten wissenschaftlichen Problemen. Anfangs betrafen die Arbeiten des IWR fast ausschließlich Fragestellungen aus den klassischen naturwissenschaftlichen Fächern wie Physik und Chemie, doch schon bald ergaben sich zahlreiche Verknüpfungen zu anderen Fächern. Speziell in Kooperation mit den Geisteswissenschaften hat das Wissenschaftliche Rechnen in den letzten Jahren vollkommen neue Aufgabenfelder erschlossen.
"Es gibt beispielsweise ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Kunstgeschichte", gibt Hans Georg Bock einen Einblick in derart ungewöhnliche scheinende Kooperation. Bei diesem Projekt handelt es sich um die Rekonstruktion mittelalterlicher Fresken, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Von diesen Fresken sind nur noch etwa 20 Prozent in Form kleiner Bruchstücke vorhanden. Dazu gibt es alte Schwarz/Weiß-Fotos der Kunstwerke. Mit Hilfe mathematischer Methoden gelingt die Zuordnung der Bruchstücke zu den Bildern nun wesentlicher schneller und effektiver, und zusätzlich wird eine farbliche Rekonstruktion der Fresken möglich.
Eine andere Anwendungsmöglichkeit mathematischer Methoden in geisteswissenschaftlichen Disziplinen zeigt sich etwa an der Rekonstruktion historischer Gebäude, wie etwa der Tempel im kambodschanischen Angkor oder von römischen Amphitheatern. "Die Amphitheater waren früher mit großen Tüchern versehen, um den Zuschauern Schatten zu spenden", weiß Hans Georg Bock. Welche Form aber diese segelartigen Tücher hatten und wo sie genau angebracht waren, dass lässt sich mit mathematischen Methoden herausfinden.
Mathematische Methoden spielen auch längst im Bereich der Lebenswissenschaften eine wichtige Rolle. "Aus dem Vergleich der Simulation des menschlichen Ganges mit dem eines Patienten lassen sich Fehlstellungen im Gangapparat erkennen", berichtet der Mathematiker Bock aus einem anderen Forschungsprojekt. Bei der Erkennung von Tumoren kann eine entsprechende Bildverarbeitung ebenso hilfreich sein und die Simulation der Dynamik von Blutströmungen kommt zum Einsatz bei bestimmten Operationstechniken, wie beispielsweise der künstlichen Verbindung von Arterien.
"Viele Methoden des wissenschaftlichen Rechnens sind erst in den vergangenen zehn Jahren entstanden und so wissen oft Mathematiker und Wissenschaftler anderer Forschungsrichtungen nichts von deren Anwendungsmöglichkeiten", zeigt Hans Georg Bock eine gewisse Problematik in der möglichen Zusammenarbeit der verschiedenen Wissenschaften auf. Diese Wissenslücke zu schließen wird auch eine Aufgabe der neu gegründeten Graduiertenschule "Mathematical and Computational Methods for the Science" sein.
In dieser werden 150 Doktoranden, von denen 15 aus den Geldern der Graduiertenschule finanziert werden, durch ein spezielles auf ihr Projekt ausgerichtetes Ausbildungsprogramm geschult. Denn die Fragestellungen der unterschiedlichen Projekte sind äußerst anspruchsvoll und verlangen von dem jeweiligen Kandidaten Kenntnisse in Mathematik und dem Fach, aus dem die zu bearbeitende Problematik stammt. So können die Doktoranden in der Graduiertenschule Kenntnisse aus dem entsprechenden Nachbargebiet erwerben, die ihnen bisher fehlten. Hinzu kommt eine intensive Betreuung durch jeweils zwei Professoren und zwei Mentoren. Zusätzlich werden drei Nachwuchsgruppen an der Graduiertenschule neu geschaffen werden, von denen eine von der BASF finanziert wird.
Wichtig ist Hans Georg Bock ebenso die internationale Ausrichtung der Graduiertenschule. Das bedeutet nicht nur, dass die Doktoranden aus den unterschiedlichsten Ländern kommen werden, sondern auch eine enge Zusammenarbeit mit international renommiertesten Universitäten wie Stanford, Princeton, Oxford, Cambridge oder Zürich. Es sind aber nicht nur die renommierten Hochschulen, die mit der Graduiertenschule kooperieren werden, sondern auch Universitäten in der Dritten Welt. So unterhält etwa Hans Georg Bock seit längerer Zeit Kontakte zu Universitäten in Kambodscha oder Vietnam und so werden auch die dortigen Studenten von der internationalen Ausrichtung der Graduiertenschule profitieren.
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Professor Dr. Hans Georg Bock
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