Alles gesagt – alles gehört – alles verstanden?
1. April 2008
Kolloquium an der Medizinischen Fakultät Heidelberg im Sommersemester 2008 – Veranstaltungsreihe zum Informationstransfer im klinischen Alltag
Das 22. Interdisziplinäre Kolloquium des Heidelberger Arbeitskreises Wissenschaftlichkeit in der Medizin trägt den Titel "Alles gesagt – alles gehört – alles verstanden? Informationstransfer in der klinischen Medizin".
Dem Grundprinzip einer stets vollständigen Aufklärung hat der Philosoph Alan Watts (1915-1973) die "Weisheit des ungesicherten Lebens" entgegengesetzt. Dieses Paradigma scheint der auf Kontrolle und Machbarkeit ausgerichteten Hochleistungsmedizin unseres Kulturkreises fundamental zu widersprechen.
In vielen Kulturen werden bei Krebserkrankungen eher die Angehörigen als die Patienten informiert. Der Anspruch, einem kranken Menschen "die Wahrheit" sagen zu wollen, verweist auf die Tatsache, dass Begriffe wie Wahrheit oder Lüge in den verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich verstanden werden. Auf diese Problematik wird der Heidelberger Medizinpsychologe Prof. Rolf Verres in seinem Vortrag "Aufklärung von Krebspatienten im interkulturellen Vergleich" am 17. April eingehen.
Wer an Krebs erkrankt, muss kaum noch mit einer "schonenden Lüge" seiner Ärzte rechnen. Als Folge einer radikal veränderten Aufklärungspraxis finden sich Patienten mit Krebs mit einer undurchschaubaren Fülle von Informationen überhäuft. Manche Betroffene begrüßen die neue Wissensteilhabe und bezeichnen sich stolz als "Diplompatienten". Dennoch sehen sich nicht wenige Menschen ratlos mit der Aufgabe allein gelassen, Expertenwissen und die persönliche Annäherung an die durch eine Krebserkrankung radikal veränderte Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Ausgehend von der provozierenden Frage "Now we tell – but how well?" wird sich der Vortrag der Heidelberger Psychosomatikerin und Privatdozentin Monika Keller am 19. Juni mit Möglichkeiten und Chancen beschäftigen, wie der Prozess der Aufklärung im Verlauf einer Krebserkrankung durch eine patientenzentrierte Perspektive wirksam unterstützt werden kann.
In unserem Kulturkreis und nach unserem Rechtsverständnis steht vor jedem ärztlichen Eingriff die Aufklärung des Patienten. Wann genau sie durch wen, wie umfassend und wie verständlich zu erfolgen hat, ist auch Thema von Normen und juristischen Handreichungen. Darüber wird am 10. Juli der Vortrag des Heidelberger Juristen Prof. Michael Anderheiden "Patientenaufklärung: notwendig, hinreichend, parteiisch?" informieren, der sich auch dem vielleicht unerreichbaren Ideal objektiver oder neutraler Aufklärung widmen wird.
Sowohl im wissenschaftlichen Kontext als auch im Alltag stellt sich die Frage, welche Aufgabe der klinischen Ethikberatung bei der Lösung moralischer Probleme zukommt. Einer weit verbreiteten Position zufolge hat der Berater oder die Beraterin vor allem die Aufgabe, die Kommunikation zwischen den Beteiligten (Behandlungsteam, Patienten, Angehörige) zu moderieren, um so eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Andere meinen, dass es nicht ausreicht, einen Konsens zu erzielen. Wie der Begriff Ethikberatung nahe legt, solle es vielmehr darum gehen, zu einer ethisch begründeten Entscheidung zu kommen.
Der Vortrag "Vom Rat zur Tat: Ethikberatung zwischen Pragmatismus und ethischem Begründungsanspruch", den Dr. Beate Herrmann, Klinische Ethikberaterin an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg, am 3. Juli halten wird, setzt sich mit beiden Positionen kritisch auseinander und präsentiert ein eigenes Konzept klinischer Ethikberatung. Sie wird verschiedene Beratungsmodelle vorstellen und anhand von Fallbeispielen veranschaulichen.
Der Umgang mit Fehlern in der Chirurgie ist ein ernstes Thema, das die Chirurgie seit jeher beschäftigt. Die Bandbreite von Fehlern in der Chirurgie reicht von einfachen, leicht korrigierbaren Handlungen (der falsche Schnitt oder die falsche Naht) bis hin zu fatalen Folgen für den Patienten. In der Öffentlichkeit stark diskutiert werden Organisationsfehler wie Verwechslungen der Körperseite, von Organen oder gar von Patienten. Ein sachlicher und transparenter Umgang mit Fehlern ist zentraler Bestandteil der chirurgischen Weiterbildung. Die Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg beschäftigt sich besonders mit Techniken der Fehlervermeidung, aber auch mit einer Kultur der Fehleranalyse und des Umgangs mit chirurgischem Fehlverhalten. Dies soll der Vortrag über "Fehlermanagement in der Chirurgie" von Prof. Markus Büchler am 17. Juli illustrieren.
Info: Die fünf Vorträge mit anschließender Diskussion finden donnerstags von 18 bis 19.30 Uhr im Hörsaal der Medizinischen Klinik (Im Neuenheimer Feld 410) statt. Programm: http://www.wissmed.uni-hd.de/
Rückfragen bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Irene Thewalt
Tel. 06221 542310, Fax 542317
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Dem Grundprinzip einer stets vollständigen Aufklärung hat der Philosoph Alan Watts (1915-1973) die "Weisheit des ungesicherten Lebens" entgegengesetzt. Dieses Paradigma scheint der auf Kontrolle und Machbarkeit ausgerichteten Hochleistungsmedizin unseres Kulturkreises fundamental zu widersprechen.
In vielen Kulturen werden bei Krebserkrankungen eher die Angehörigen als die Patienten informiert. Der Anspruch, einem kranken Menschen "die Wahrheit" sagen zu wollen, verweist auf die Tatsache, dass Begriffe wie Wahrheit oder Lüge in den verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich verstanden werden. Auf diese Problematik wird der Heidelberger Medizinpsychologe Prof. Rolf Verres in seinem Vortrag "Aufklärung von Krebspatienten im interkulturellen Vergleich" am 17. April eingehen.
Wer an Krebs erkrankt, muss kaum noch mit einer "schonenden Lüge" seiner Ärzte rechnen. Als Folge einer radikal veränderten Aufklärungspraxis finden sich Patienten mit Krebs mit einer undurchschaubaren Fülle von Informationen überhäuft. Manche Betroffene begrüßen die neue Wissensteilhabe und bezeichnen sich stolz als "Diplompatienten". Dennoch sehen sich nicht wenige Menschen ratlos mit der Aufgabe allein gelassen, Expertenwissen und die persönliche Annäherung an die durch eine Krebserkrankung radikal veränderte Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Ausgehend von der provozierenden Frage "Now we tell – but how well?" wird sich der Vortrag der Heidelberger Psychosomatikerin und Privatdozentin Monika Keller am 19. Juni mit Möglichkeiten und Chancen beschäftigen, wie der Prozess der Aufklärung im Verlauf einer Krebserkrankung durch eine patientenzentrierte Perspektive wirksam unterstützt werden kann.
In unserem Kulturkreis und nach unserem Rechtsverständnis steht vor jedem ärztlichen Eingriff die Aufklärung des Patienten. Wann genau sie durch wen, wie umfassend und wie verständlich zu erfolgen hat, ist auch Thema von Normen und juristischen Handreichungen. Darüber wird am 10. Juli der Vortrag des Heidelberger Juristen Prof. Michael Anderheiden "Patientenaufklärung: notwendig, hinreichend, parteiisch?" informieren, der sich auch dem vielleicht unerreichbaren Ideal objektiver oder neutraler Aufklärung widmen wird.
Sowohl im wissenschaftlichen Kontext als auch im Alltag stellt sich die Frage, welche Aufgabe der klinischen Ethikberatung bei der Lösung moralischer Probleme zukommt. Einer weit verbreiteten Position zufolge hat der Berater oder die Beraterin vor allem die Aufgabe, die Kommunikation zwischen den Beteiligten (Behandlungsteam, Patienten, Angehörige) zu moderieren, um so eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Andere meinen, dass es nicht ausreicht, einen Konsens zu erzielen. Wie der Begriff Ethikberatung nahe legt, solle es vielmehr darum gehen, zu einer ethisch begründeten Entscheidung zu kommen.
Der Vortrag "Vom Rat zur Tat: Ethikberatung zwischen Pragmatismus und ethischem Begründungsanspruch", den Dr. Beate Herrmann, Klinische Ethikberaterin an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg, am 3. Juli halten wird, setzt sich mit beiden Positionen kritisch auseinander und präsentiert ein eigenes Konzept klinischer Ethikberatung. Sie wird verschiedene Beratungsmodelle vorstellen und anhand von Fallbeispielen veranschaulichen.
Der Umgang mit Fehlern in der Chirurgie ist ein ernstes Thema, das die Chirurgie seit jeher beschäftigt. Die Bandbreite von Fehlern in der Chirurgie reicht von einfachen, leicht korrigierbaren Handlungen (der falsche Schnitt oder die falsche Naht) bis hin zu fatalen Folgen für den Patienten. In der Öffentlichkeit stark diskutiert werden Organisationsfehler wie Verwechslungen der Körperseite, von Organen oder gar von Patienten. Ein sachlicher und transparenter Umgang mit Fehlern ist zentraler Bestandteil der chirurgischen Weiterbildung. Die Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg beschäftigt sich besonders mit Techniken der Fehlervermeidung, aber auch mit einer Kultur der Fehleranalyse und des Umgangs mit chirurgischem Fehlverhalten. Dies soll der Vortrag über "Fehlermanagement in der Chirurgie" von Prof. Markus Büchler am 17. Juli illustrieren.
Axel W. Bauer
© Rhein-Neckar-Zeitung
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Info: Die fünf Vorträge mit anschließender Diskussion finden donnerstags von 18 bis 19.30 Uhr im Hörsaal der Medizinischen Klinik (Im Neuenheimer Feld 410) statt. Programm: http://www.wissmed.uni-hd.de/
Rückfragen bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
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Irene Thewalt
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