„Kann man den Tod bestellen wie eine Pizza?“
12. Mai 2008
Forscher diskutieren an der Universität Heidelberg über Menschenwürde am Ende des Lebens – Nicola Bardola las aus "Schlemm"
"Du siehst aber alt aus!" Mit diesem Satz zeigt unsere Sprache, wo wir gedanklich stehen. Altern und Tod sind als Gesprächsthemen tabu und werden am besten verdrängt, allenfalls beschönigt. Wenn es unbedingt sein muss, gehen wir ins "Seniorenstift", aber – Gott bewahre – nicht ins Alten- oder gar Pflegeheim.
Und an wundervollen Maitagen fällt die Auseinandersetzung mit der Begrenztheit des Lebens doppelt schwer. Mit "Menschenbild und Menschenwürde am Ende des Lebens" befasst sich seit Donnerstag ein Kongress, den das Interdisziplinäre Forum für Biomedizin und Kulturwissenschaft (IFBK) in der Alten Aula ausrichtet. Zum Auftakt las Nicola Bardola aus seinem Roman "Schlemm". Das Thema ist brisant, geht es in dem autobiographisch geprägten Buch des Schweizers doch um eine besondere Art zu sterben, den "assistierten Suizid", so der kühle terminus technicus. Denn in der Schweiz ist möglich, was in Deutschland verboten ist: sich ohne strafrechtliche Konsequenzen für die Helfer für einen begleiteten Freitod zu entscheiden.
Genau dazu entschließen sich in dem Buch, das seit seinem Erscheinen vor drei Jahren für einigen medialen Wirbel sorgt, Paul und Franca Salamun. Paul ist 75 Jahre alt und hat einen Blasentumor, er möchte sich (und anderen) ein langsames Dahinsiechen ersparen. Seine Frau will mit ihm sterben, und beide legen als "Deadline", so Bardola, den 9. Dezember fest. Sohn Luca wird eingeweiht und überlegt: "Kann man sich den Tod bestellen wie eine Pizza beim Heimservice?" Während Bardola eine gute halbe Stunde Passagen aus seinem Buch vorliest, ist es in der Alten Aula sehr still, die Zuhörer sind offensichtlich gebannt. Dabei erzählt und liest der 1959 geborene Schriftsteller völlig unsentimental. Gerade deshalb ist sein Buch nicht nur inhaltlich brisant, sondern auch sprachlich eindrucksvoll und formal bestechend.
Am Todestag der Eltern rennt der Sohn schließlich allein durch den Wald, lässt seine Tränen mit dem fallenden Schnee verschmelzen und hat das Gefühl, "dass die Nabelschnur zum zweiten Mal reißt". Eine ähnliche Erfahrung hat wohl auch Nicola Bardola gemacht. "Junge, ich habe Krebs", hatte ihm sein Vater am Telefon gesagt – und sich an eine Sterbehilfeorganisation gewandt.
Die Teilnehmer des Kongresses führte Bardolas Lesung mitten in eine Diskussion über das Recht auf einen menschenwürdigen Tod, die sich gestern fortsetzte. Obwohl sich laut Umfrage die Mehrheit der Deutschen für eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe einsetzt, ist die Vorstellung eines "Tods auf Bestellung" für Politiker und Theologen nicht denkbar. Der Theologe Professor Wilfried Härle unterstrich in seinem Eröffnungsvortrag, dass die Würde eines Menschen unverletzlich sei und einen respektvollen Umgang auch mit Alter und Tod einschließe. Am heutigen Samstag um 12 Uhr schließt die Tagung mit einem öffentlichen Vortrag von Professor Andreas Kruse: "Der Respekt vor der Würde des Menschen am Ende seines Lebens".
Rückfragen bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Irene Thewalt
Tel. 06221 542310, Fax 542317
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Und an wundervollen Maitagen fällt die Auseinandersetzung mit der Begrenztheit des Lebens doppelt schwer. Mit "Menschenbild und Menschenwürde am Ende des Lebens" befasst sich seit Donnerstag ein Kongress, den das Interdisziplinäre Forum für Biomedizin und Kulturwissenschaft (IFBK) in der Alten Aula ausrichtet. Zum Auftakt las Nicola Bardola aus seinem Roman "Schlemm". Das Thema ist brisant, geht es in dem autobiographisch geprägten Buch des Schweizers doch um eine besondere Art zu sterben, den "assistierten Suizid", so der kühle terminus technicus. Denn in der Schweiz ist möglich, was in Deutschland verboten ist: sich ohne strafrechtliche Konsequenzen für die Helfer für einen begleiteten Freitod zu entscheiden.
Genau dazu entschließen sich in dem Buch, das seit seinem Erscheinen vor drei Jahren für einigen medialen Wirbel sorgt, Paul und Franca Salamun. Paul ist 75 Jahre alt und hat einen Blasentumor, er möchte sich (und anderen) ein langsames Dahinsiechen ersparen. Seine Frau will mit ihm sterben, und beide legen als "Deadline", so Bardola, den 9. Dezember fest. Sohn Luca wird eingeweiht und überlegt: "Kann man sich den Tod bestellen wie eine Pizza beim Heimservice?" Während Bardola eine gute halbe Stunde Passagen aus seinem Buch vorliest, ist es in der Alten Aula sehr still, die Zuhörer sind offensichtlich gebannt. Dabei erzählt und liest der 1959 geborene Schriftsteller völlig unsentimental. Gerade deshalb ist sein Buch nicht nur inhaltlich brisant, sondern auch sprachlich eindrucksvoll und formal bestechend.
Am Todestag der Eltern rennt der Sohn schließlich allein durch den Wald, lässt seine Tränen mit dem fallenden Schnee verschmelzen und hat das Gefühl, "dass die Nabelschnur zum zweiten Mal reißt". Eine ähnliche Erfahrung hat wohl auch Nicola Bardola gemacht. "Junge, ich habe Krebs", hatte ihm sein Vater am Telefon gesagt – und sich an eine Sterbehilfeorganisation gewandt.
Die Teilnehmer des Kongresses führte Bardolas Lesung mitten in eine Diskussion über das Recht auf einen menschenwürdigen Tod, die sich gestern fortsetzte. Obwohl sich laut Umfrage die Mehrheit der Deutschen für eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe einsetzt, ist die Vorstellung eines "Tods auf Bestellung" für Politiker und Theologen nicht denkbar. Der Theologe Professor Wilfried Härle unterstrich in seinem Eröffnungsvortrag, dass die Würde eines Menschen unverletzlich sei und einen respektvollen Umgang auch mit Alter und Tod einschließe. Am heutigen Samstag um 12 Uhr schließt die Tagung mit einem öffentlichen Vortrag von Professor Andreas Kruse: "Der Respekt vor der Würde des Menschen am Ende seines Lebens".
Ingeborg Salomon
© Rhein-Neckar-Zeitung
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