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Von internationalem Rang

27. Mai 2008

50-Jahr-Feier: Arno Mohrs und Dieter Nohlens Band über das Heidelberger Institut für Politische Wissenschaft

Am 1. April 1958 wurde an der Heidelberger Universität das Institut für Politische Wissenschaft (IPW) gegründet. Zu den Erinnerungsfeierlichkeiten anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens haben die Herausgeber Arno Mohr und Dieter Nohlen nun einen Sammelband vorgelegt, der nicht nur eine Forschungsbilanz bietet, sondern zum großen Teil auch einem enzyklopädischem Nachschlagewerk gerecht wird.

Über 50 Autoren haben wissenschaftsgeschichtliche Überblicke, konzeptionell-programmatische Entwürfe, Charakteristika einzelner Gelehrter, Beurteilungen der am IPW vertretenen Forschungsansätze und Erinnerungssplitter beigetragen. Diese Vielfalt macht die Lektüre zu einem spannenden Unternehmen. Hinzu kommt, dass in der Auseinandersetzung mit der Politikwissenschaft auch bestimmte Entwicklungslinien der Ruperto Carola von den Anfängen nach 1945 bis zu den gegenwärtigen Problemen und Chancen deutlich werden.

Der umfangreichste Beitrag stammt von Arno Mohr, der seinen Überblick über die "Politikwissenschaft in Heidelberg" mit einem Rückgriff auf das "Institut für Sozial- und Staatswissenschaften" (INSOSTA) der zwanziger Jahre beginnt und die Rolle Alfred Webers (1868-1958) hervorhebt. Dieser war auch nach 1945 an den Diskussionen um die Einführung der Politikwissenschaft in Heidelberg beteiligt. Anhand von Materialien aus dem Universitätsarchiv rekonstruiert Mohr die Gründungsgeschichte des IPW. Neben dem im Harvard lehrenden Carl Joachim Friedrich, der abwechselnd ein Semester in Amerika und in Heidelberg lehrte, hatte Dolf Sternberger bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1972 einen Lehrstuhl inne. Beide standen in der Tradition der klassischen politischen Philosophie, setzten jedoch unterschiedliche Schwerpunkte. Während Friedrich staats- und verfassungsrechtliche Themen und die Erforschung des Totalitarismus präferierte, bemühte sich Sternberger um Studien zum Parlamentarismus, zum Regierungssystem der Bundesrepublik und zur Legitimitätstheorie.

Überragende Gründungsväter

Beide hatten viele Schüler, die sie in Forschungsprojekte einbanden. Dem überragenden Ruf der Gründungsväter war es zu danken, dass die Heidelberger Politikwissenschaft in ihrer Anfangsphase auf keinen Widerstand der Fakultäten stieß. Als Nachfolger von Friedrich wurde 1968 Hans-Joachim Arndt berufen.

Ähnlich dicht wie die Gründungszeit beschreibt Mohr auch die weiteren Phasen des IPW. Dabei wechselt er empirisch-quantitative und interpretatorisch- qualitative Sichtweisen. Mit Klaus von Beyme, Dieter Nohlen und Frank Pfetsch wuchs das Ansehen des Instituts in der nationalen und internationalen Wissenschaftslandschaft. Ein Grund dafür waren die zahlreichen Publikationen und Forschungsinitiativen, an denen viele Mitarbeiter teilgenommen haben.

Zu den Arbeitsschwerpunkten zählen Politische Theorie, Systemanalysen, Parteienforschung, Kulturpolitik (von Beyme), Wahlforschung, Südamerika und Methoden der vergleichenden Politikwissenschaft (Nohlen), Europäische Einigung, Verfassungsentwicklung sowie Friedens- und Konfliktforschung oder auch Friedenssicherung (Pfetsch). Komplexität der Fragestellungen, empirische und methodische Disziplin sind kennzeichnend für die Heidelberger Politikwissenschaft.

Dieser Band bietet viele Einblicke in die gegenwärtige Lage der Heidelberger Politikwissenschaft. Hier sei auf die Beiträge von Manfred G. Schmidt, Wolfgang Merkel (inzwischen in Berlin) und Uwe Wagschal verwiesen, die in dem Teil des Buches abgedruckt sind, der zentrale Aussagen zum Selbstverständnis der Heidelberger Politikwissenschaft enthält. Hier wird die aktuelle gesellschaftliche und politische Relevanz der am IPW betriebenen Wissenschaft, die nach wie vor hohe Reputation genießt, deutlich.
 
In vergleichender Argumentation analysieren die Autoren die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesrepublik im Rahmen der Staatstätigkeitsforschung, die Defizite moderner Demokratien, die Transformationsprozesse in unterschiedlichen Gesellschaften und die Chancen und Gefahren direktdemokratischer Mitbestimmung für die europäische Integration. Eine Forschungsausrichtung, die es als sinnvoll erscheinen lässt, dass die Heidelberger Politikwissenschaft seit 2002 mit den Wirtschaftswissenschaften und der Soziologie in der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vereinigt ist.

Zur Innenperspektive kommen Beiträgen, die das IPW von außen betrachten und dessen Stellenwert in den Sozialwissenschaften beurteilen. Aber auch die distanzierten Beiträge zeigen, dass das fünfzigjährige Bestehen der Heidelberger Politikwissenschaft ein wichtiges Erinnerungsdatum für die Ruperto Carola ist.
Andreas Cser
© Rhein-Neckar-Zeitung

Info: Arno Mohr, Dieter Nohlen (Hrsg.): "Politikwissenschaft in Heidelberg. 50 Jahre Institut für Politische Wissenschaft". Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2008. 446 S., 25 Euro.

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Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
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