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Erinnerung an "dunkle Seiten"

19. Juni 2008
Gedenkkolloquium für den jüdischen Mathematiker Heinrich Liebmann
Das Mathematische Institut der Universität Heidelberg gedachte in einem Kolloquium des 69. Todestages seines ehemaligen Dekans Professor Heinrich Liebmann sowie der Geschehnisse zur Zeit des Nationalsozialismus. Der Sohn des jüdischen Professors Liebmann übergab dem Institut ein zeitgenössisches Portrait seines Vaters, in Öl gemalt von Adelheid Furtwängler. Historiker sprachen über die Rolle der Universität im Dritten Reich und die Biografie Liebmanns, Mathematiker Prof. Friedrich Tomi würdigte sein fachliches Werk.

Heinrich Liebmann wurde am 22. Oktober 1874 in Straßburg geboren. Nach einem Studium der Mathematik und Promotion in Leipzig, habilitierte er 1899 "Über die Verbiegung der geschlossenen Flächen positiver Krümmung". Ab 1905 hatte er zunächst eine außerordentliche Professur in Leipzig, ab 1910 eine an der Technischen Hochschule München inne. 1920 kam der Mathematiker als Professor nach Heidelberg. Die ehemalige Musteruniversität der Weimarer Republik wurde unter der Herrschaft der Nationalsozialisten zu einer "besonders braunen Universität", wie der Heidelberger Historiker Professor Eike Wolgast erklärte. Die jüdischen Lehrenden, unter ihnen Liebmann, litten unter den Anfeindungen durch den stark nationalsozialistisch geprägten universitären Mittelbau und unter Boykotten der radikalisierten Studentenschaft. Liebmann wurde schließlich als "Vierteljude" zwangsemeritiert und kehrte 1936 nach München zurück. Öffentlich durfte er nicht mehr arbeiten; Liebmann zog sich ins Privatleben zurück. 1939 starb er an Tuberkulose.

Die Mathematik verdankt Professor Heinrich Liebmann ein "Lehrbuch der Differentialgleichungen" (1901), ein Lehrbuch zur "Nichteuklidische Geometrie" (1908) und eines zur "Synthetische Geometrie" (1924). Von besonderer Bedeutung war auch Liebmanns Arbeit als Übersetzer mit exzellenten Russischkenntnissen. So übertrug er beispielsweise als erster Andrei Andrejewitsch Markows Werk zur Wahrscheinlichkeitsrechnung ins Deutsche.

Von Heinrich Liebmanns Sohn, Professor Karl-Otto Liebmann, nahm der Dekan der Fakultät für Mathematik und Informatik, Professor Rolf Rannacher, ein Portrait des Mathematikers entgegen. Dieses hatte Adelheid Furtwängler, Mutter des berühmten Komponisten, gemalt. Die Fakultät sehe sich in der "Pflicht, sich der Tradition zu stellen", so Rannacher, "auch den dunklen Seiten". An diese und an den großartigen Mathematiker wird das Ölgemälde Heinrich erinnern.
Sören Sgries
© Rhein-Neckar-Zeitung

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