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Mehr Germanisten braucht die Politik

10. Juli 2008
Wie gelingt Kommunikation ? – Fritz Kuhn, Politiker und Linguist, gibt eine praktische Anleitung
Ist der feinsinnige Germanist in der rauen Polit-Welt weniger gut aufgehoben als der rationalistische Jurist oder Politologe? "Keineswegs", so die klare Antwort von einem, der es wissen muss. Fritz Kuhn, ehemals Linguistik-Professor der Stuttgarter Merz Akademie, heute Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, begründet: "Jede politische Kritik ist nichts anderes als Sprachkritik", und die lerne der Germanist freilich am differenziertesten. Also sei er auch in diesem Berufsfeld unverzichtbar – egal ob im Parlament, im Beraterbüro oder in den Medien.

Kuhns Vortrag "Sprache und Politik", der letzte in der Reihe "Germanisten in der Gesellschaft", war aber weit mehr als ein Mutmacher für Germanistikstudenten, die noch nicht wissen, wohin die berufliche Reise geht. Vielmehr führte der Heidelberger Bundestagsabgeordnete eindrücklich vor Augen, wie sehr politische Entscheidungen und Entwicklungen von Sprache abhängig sind. Etwa wenn es darum geht, Schlagworte wie "Herdprämie" und "Betreuungsgeld" für politische Ziele gegeneinander auszuspielen. Folglich sollten Politiker und Politologen einen Grundkurs in Sprachkritik bekommen, was aber leider selten der Fall sei.

Zudem gab Kuhn einen Schnellkurs zum Thema "Wie gelingt eigentlich Kommunikation?". Dafür bediente sich der Grünenpolitiker der drei Maximen des Sprachphilosophen Herbert Paul Grice: Sei relevant! Sei glaubwürdig! Sei verständlich! Wie wichtig ihre Beachtung ist, zeigte Kuhn anhand zahlreicher Beispiele, bei denen sie ignoriert wurden – und die Kommunikation scheiterte.

Was etwa passiert, wenn sich die Relevanz politischer Ziele nicht ausreichend vermitteln lässt, hätten die Grünen selbst schmerzlich erfahren müssen: "Im Bundestagswahlkampf 1990 sind wir mit dem Slogan ,Alle reden über die Einheit, wir reden über das Wetter' zwangsläufig baden gegangen." Man habe den politischen Fokus verschieben wollen, dabei aber unterschätzt, dass das Klimathema damals einfach nicht relevanter zu machen war als die deutsche Einheit.

Die Verständlichkeits-Maxime, so Kuhn weiter, würde heute am häufigsten missachtet. Der Grund: "Es gibt fast nur noch Fachpolitiker, die sich wunderbar virtuos in ihrer eigenen Sprachwelt bewegen, aber nicht daran denken, dass kaum jemand den Unterschied zwischen Grundsicherung und Grundeinkommen kennt." Die fatale Folge sei politische Verdrossenheit.

Zum Schluss gab Kuhn seinen Hörern noch eine vierte, ganz persönliche Maxime an die Hand: Sei unterhaltsam! Damit meine er jedoch nicht die Gags eines Guido Westerwelle, der sich einst eine "18" unter die Sohle pinselte, sondern die Fähigkeit, den Kommunikationspartner durch packende Pointen bei der Stange zu halten. Ein Vorbild Kuhns in diesem Punkt: Heiner Geißler.
Bastian Strauch
© Rhein-Neckar-Zeitung

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