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Lässt uns der Stress viel schneller altern?

25. Juli 2008
Die amerikanische Molekularbiologin Elizabeth Blackburn sprach beim Heidelberger Forum für Biowissenschaft und Gesellschaft
Die Molekularbiologin Elizabeth Blackburn (Foto: NAR) vom Institut für Mikrobiologie und Immunologie in San Francisco – laut „Times“ eine der 100 einflussreichsten Personen der Welt – sprach beim Heidelberger Forum für Biowissenschaft und Gesellschaft in Kooperation mit dem Netzwerk Alternsforschung (NAR) über die „Telomerase und die Gründe des Alterns“. Auf diesem Gebiet, so die Forscherin im RNZ-Interview, erwartet sie noch viele spannende Erkenntnisse.

Sie gelten als „Königin“ der Telomere, die Sie im Jahr 1984 zusammen mit Carol Greider entdeckt haben. Was sind Telomere, und was ist die Telomerase?

Telomere sind die Enden unserer Erbgutfäden, der Chromosomen. Sie dienen als Schutzkappe, denn sie werden bei jeder Zellteilung ein Stückchen kürzer. Bei einer kritischen Länge stoppt die Teilung der Zelle für immer – die Zelle vergreist.

Die Telomerase ist ein Eiweiß, dessen Aufgabe es ist, die Telomere wieder herzustellen. Die beiden Begriffe sind etwas verwirrend – Telomere und Telomerase. Sie kommen aus dem griechischen, telos = Ende, melos = Ort.Wir mussten einfach eine Bezeichnung finden, und das Wort Tetrahymenathermophilatelomerterminaltransferase war einfach zu lang. Das wären der Name des Wimperntierchens, in dem wir das Eiweiß zuerst entdeckt haben, und die Funktion des Eiweißes.

Mit Telomeren und Telomerase werden zwei Aspekte in Verbindung gebracht: Krebs und Altern. Kann die Telomerlänge beispielsweise als „Alternsuhr“ verwendet werden?

Statistisch gesehen gibt es einen Zusammenhang zwischen Telomerlänge und Alter.Man kann aber nicht anhand der Telomerlänge auf das absolute Alter schließen. Und wenn wir uns Tumorzellen ansehen: Sie sind unsterblich, das heißt, sie können sich immer weiter teilen. Ihre Telomere sind aber kurz, dafür besitzen sie eine riesige Menge an Telomerase. Dies zeigt, dass die Telomerase die Telomere beschützt. Es ist also nicht die Telomerlänge alleine, die darüber bestimmt, wie oft sich Zellen noch teilen können.

Sie haben einen direkten Beweis dafür gefunden, dass die Aktivität der Telomerase und damit die Länge der Telomere direkt von emotionalem Stress beeinflusst werden kann. Müssen wir Stress meiden, um lange leben zu können?

Wir untersuchten Immunzellen von insgesamt 58 Frauen, von denen 19 gesunde Kinder und 39 chronisch kranke Kinder versorgten. Die gestressten Mütter der kranken Kinder besaßen weitaus kürzere Telomere und ein geschwächtes Immunsystem. Dies war der erste Beweis für den Einfluss der Psyche auf die Körperzellen.

Die Ergebnisse haben uns sehr verblüfft.

Wir konnten auch sehen, dass Patienten mit Risikofaktoren für Herzerkrankungenwenig Telomerase haben. DieWissenschaft wird immer interdisziplinärer. Vor zehn Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich nun mit Psychologen zusammenarbeite und über eine Intervention mit Meditation nachdenke, um zu sehen, ob es hier einen Effekt auf die Telomerase gibt. Die Trennung von Gehirn und Körper ist eigentlich eine recht unwissenschaftliche.

Das Gehirn steuert viele physiologische Aktivitäten, warum nicht auch die Menge an Telomerase, die gebildet wird?

Können wir Leben verlängern, indem wir die Telomerase-Aktivität regulieren? Oder führt das unweigerlich zur Entstehung von Tumoren?

Telomerase an sich ist nicht für die Entstehung von Tumoren verantwortlich. Tumorzellen haben eine andere Genetik, das heißt, wenn die Zellen „nur“ mehr Telomerase bilden, werde sie nicht gleich unsterblich. Momentan ist die magische Pille – die man schluckt und schon hat man mehr Telomerase und die Zellen leben länger – noch eine Art Sciencefiction.

Warum manche Menschen alt werden und andere nicht, ist immer noch ein Geheimnis. Wenn man sie fragt, was habt ihr gemacht, um so alt zu werden, so bekommt man eine meist identische Antwort: Meine Eltern wurden schon sehr alt. Die zweite Antwort unterscheidet sich immer sehr stark: Ich habe geraucht, ich habe nicht geraucht, ich war dünn, ich war dick, ich habe mich bewegt oder nicht. Demnach gibt es kein Geheimrezept. Genetik ist die eine Sache, aber das Zusammenspiel von Genetik und nichtgenetischen Einflüssen ist spannend und muss noch genau untersucht werden.
Birgit Teichmann
© Rhein-Neckar-Zeitung

Rückfragen bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
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Irene Thewalt
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