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Singuläres Zeugnis der Universitätsgeschichte

18. September 2008
Gedenkschrift von 1499 für den Heidelberger Gründungsrektor Marsilius von Inghen
Eine würdige Feier für eine Persönlichkeit, die seit über 600 Jahren tot ist. Auslöser für die ungewöhnliche, vom Freundeskreis für Archiv und Museum der Ruperto Carola initiierte Veranstaltung war die Edition der 1499 (aus Anlass des 100. Todestages von Marsilius von Inghen) erschienenen Gedenkschrift, die der Heidelberger Mattes Verlag in einer erstmals kritischen Ausgabe herausbrachte.

An authentischem Ort, der Heidelberger Peterskirche, erinnerten vier vom Blechbläserensemble der ESG musikalisch umrahmte Ansprachen an den ersten Rektor der hiesigen Universität, der am 20. August 1396 in Heidelberg starb und sein Grab in der alten Vorgängerkirche St. Peter erhielt im romanischen Chor vor dem Hochaltar. Diese Stelle wurde bei der Veranstaltung durch ein schwarzes Tuch und vier Kerzen markiert – wie bei den einstigen Totenfeiern üblich.

Marsilius von Inghen, nach dem der kleine Platz vor dem früheren Germanistischen Seminar im Bereich der Neuen Universität benannt ist, war um 1340 bei Nimwegen geboren worden, hielt von 1362 an als Magister in der Artistenfakultät in Paris Vorlesungen, wo er auch Rektor wurde. Spätestens 1386 traf er in Heidelberg ein. Pfalzgraf Ruprecht I. hatte ihn am 29. Juni 1386 mit 200 Gulden Jahresgehalt als Rektor der neu gegründeten Universität berufen. Sie wurde am 18. Oktober feierlich eröffnet.

Marsilius, der über Logik las und 1396 zum Doktor der Theologie promoviert wurde, ist zu danken, dass die Heidelberger Universität, an der er achtmal Rektor war, 1386 in fünf Urkunden Privilegien von Pfalzgraf Ruprecht erhielt, in denen zum Beispiel Aufbau und Einrichtung des Studiums nach Pariser Vorbild festgeschrieben wurden.

Die Heidelberger Humanisten, allen voran Jakop Wimpfeling, besannen sich in ihrer bunt zusammengewürfelten Gedenkschrift von 1499 auf den Universitätsgründer, der im Universalienstreit die nominalistische „via moderna“ des Engländers William von Ockham vertreten hatte, von manchen als „via Marsiliana“ bezeichnet, mit der Marsilius die europäische Geistesgeschichte akzentuierte. Die Publikation in lateinischer Sprache gilt daher als gefühlvolle Verteidigung der „via moderna“, die im Gegensatz zu den Anschauungen der „Realisten“ stand, wobei zu fragen wäre, ob dieser lange zurückliegende „Wegestreit“ im Jahr 1499 überhaupt noch brisant war. Vielleicht gilt die aktuelle, von Prof. Dorothea Walz und Prof. Reinhard Düchting herausgegebene Edition gerade deshalb als „singuläres Zeugnis für die Geschichte der Heidelberger Universität auf der Schwelle von der Aristotelischen Scholastik zum Humanismus der Neuzeit“ (Walz). Prof. Reinhard Düchting widmet sich darin eingehend den über 50 „Verteidigern“ des Universitätsgründers und lieferte bei der Feier, bei der Peterskirchen-Pfarrer Albrecht Herrmann die Gäste begrüßt hatte, einige Kostproben aus den poetischen Epigrammen. Nachdem Prof. Jürgen Miethke sich der Person von Inghens gewidmet hatte, Dorothea Walz die Inhalte der Gedenkschrift anriss, die unter anderem den Widmungsbrief der Heidelberger Vertreter der „via moderna“ an Kurfürst Philipp den Aufrichtigen in der Pfalz enthält und die von Nikolaus Prowin am 24. August 1396 in der Heiliggeistkirche gehaltene Totenrede auf Marsilius, erinnerte Dr. Anneliese Seeliger-Zeiss an die Geschichte des verlorengegangenen Grabes in der Peterskirche. Zum Abschluss präsentierte das Verleger-Ehepaar Mattes die Gedenkschrift.

Info: „Marsilius von Inghen – Gedenkschrift 1499 zum 100. Todestag des Gründungsrektors der Universität Heidelberg“, Band 1 der Reihe „Lateinische Literatur im Deutschen Südwesten“, hrsg. von Dorothea Walz und Reinhard Düchting, Mattes Verlag Heidelberg, 172 Seiten, 19,80 Euro.
Heide Seele
© Rhein-Neckar-Zeitung
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