Das Gefühl des Vertrauens, das aus dem Labor kommt
24.
Oktober
2008
Prof. Andreas Meyer-Lindenberg sprach beim Netzwerk Alternsforschung über die Zusammenhänge zwischen menschlichem Sozialverhalten und Gehirnmechanismen
Bestimmen die Gene unser Verhalten? Nein! Das war die klare Aussage von Prof. Andreas Meyer-Lindenberg bei seinem Vortrag beim Netzwerk Alternsforschung in der Neuen Universität. Damit lässt der Wissenschaftler am Zentralinstitut für seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim die Verantwortung für die eigenen Taten beim Individuum.
Dennoch zeigte er anhand der genetischen Erkrankung „Williams-Beuren-Syndrom“, wie Gene doch das soziale Verhalten bestimmen können. Dieses Syndrom, von dem eines von 7 500 Neugeborenen betroffen ist, tritt dann auf, wenn auf dem Chromosom 7 eine Gruppe von etwa 30 Genen fehlt. Nach außen zeigt sich – neben typischen körperlichen Beeinträchtigungen – ein extrem soziales und empathisches Verhalten. Das völlige Fehlen von sozialer Angst – schon die Babys fremdeln nicht – geht jedoch mit anderen Phobien wie Angst vor Dunkelheit, vor Spinnen oder vor der Zukunft einher. „Ein genetisches Experiment der Natur“, sagt Meyer-Lindenberg. Aufgrund von Experimenten ist er der Überzeugung, dass das Erscheinungsbild mit einer fehlerhaften Regulierung der Amygdala (Mandelkern) im Gehirn verbunden ist.
Er hat auch andere Hinweise, dass etwa Sozialverhalten und Sozialstatus mit gewissen Erkrankungsrisiken verknüpft sind. So weiß man, dass in instabilen Hierarchien die Chefposition die stressreichste ist. Und auch, dass soziale Hierarchien im Gehirn so verdrahtet sind, das der Mensch seine Aufmerksamkeit immer dem sozial Höherstehenden widmet: „Man vergleicht sich immer nach oben hin.“ Für Wissenschaftler erhebt sich die Frage, ob der Mandelkern und damit das Sozialverhalten therapeutisch zu beeinflussen sind.
Meyer-Lindenberg brachte die Hormone Oxytocin und Vasopressin ins Spiel, das erste steigert Partnerbindung und Mutter-Kind-Bindung, das zweite ist beispielsweise bei Männern für Partnerbindung verantwortlich. Vom Kuschelhormon Oxytocin wisse man seit 2001, dass es, per Nasenspray verabreicht, die Gehirnregionen erreiche. Züricher Forscher haben auch nachgewiesen, dass Oxytocin Investoren vertrauensseliger macht. Da also soziale Ängste selektiv gedämmt werden könnten, könne man an einen Einsatz des Hormons bei Autismus, Borderline-Störungen und sozialen Phobien denken, meinte Prof. Meyer-Lindenberg. Doch das Medikament wirke nur kurz und sei sehr teuer.
Die Forschung stellt sich durchaus die Frage, ob irgendwann molekulare Ansätze in Verbindung mit Psychotherapie bei Störungen eingesetzt werden können. Medikamente, so Prof. Meyer-Lindenberg, gibt es noch nicht. Und ob das Oxytocin-haltige „Liquid Trust“, das flüssige Vertrauen, das im Internet als Spray zu haben ist, in irgendeiner Form wirkt wie Pheromone im Tierreich und Männlein wie Weiblein vetrauensselig an die Brust des jeweils anderen Geschlechtes sinken lässt, bezweifelt der Wissenschaftler.
Was man jedoch weiß und wo eine Oxytocin-Therapie wichtig sein könnte: Bei den extrem vernachlässigten rumänischen Waisenkindern seien die Oxytocin-Werte „im Keller“, erklärte Andreas Meyer-Lindenberg. Auch Autisten haben davon zu wenig – und Adoptiv-Kinder.
Allgemeine Rückfragen von Journalisten auch an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Irene Thewalt
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Dennoch zeigte er anhand der genetischen Erkrankung „Williams-Beuren-Syndrom“, wie Gene doch das soziale Verhalten bestimmen können. Dieses Syndrom, von dem eines von 7 500 Neugeborenen betroffen ist, tritt dann auf, wenn auf dem Chromosom 7 eine Gruppe von etwa 30 Genen fehlt. Nach außen zeigt sich – neben typischen körperlichen Beeinträchtigungen – ein extrem soziales und empathisches Verhalten. Das völlige Fehlen von sozialer Angst – schon die Babys fremdeln nicht – geht jedoch mit anderen Phobien wie Angst vor Dunkelheit, vor Spinnen oder vor der Zukunft einher. „Ein genetisches Experiment der Natur“, sagt Meyer-Lindenberg. Aufgrund von Experimenten ist er der Überzeugung, dass das Erscheinungsbild mit einer fehlerhaften Regulierung der Amygdala (Mandelkern) im Gehirn verbunden ist.
Er hat auch andere Hinweise, dass etwa Sozialverhalten und Sozialstatus mit gewissen Erkrankungsrisiken verknüpft sind. So weiß man, dass in instabilen Hierarchien die Chefposition die stressreichste ist. Und auch, dass soziale Hierarchien im Gehirn so verdrahtet sind, das der Mensch seine Aufmerksamkeit immer dem sozial Höherstehenden widmet: „Man vergleicht sich immer nach oben hin.“ Für Wissenschaftler erhebt sich die Frage, ob der Mandelkern und damit das Sozialverhalten therapeutisch zu beeinflussen sind.
Meyer-Lindenberg brachte die Hormone Oxytocin und Vasopressin ins Spiel, das erste steigert Partnerbindung und Mutter-Kind-Bindung, das zweite ist beispielsweise bei Männern für Partnerbindung verantwortlich. Vom Kuschelhormon Oxytocin wisse man seit 2001, dass es, per Nasenspray verabreicht, die Gehirnregionen erreiche. Züricher Forscher haben auch nachgewiesen, dass Oxytocin Investoren vertrauensseliger macht. Da also soziale Ängste selektiv gedämmt werden könnten, könne man an einen Einsatz des Hormons bei Autismus, Borderline-Störungen und sozialen Phobien denken, meinte Prof. Meyer-Lindenberg. Doch das Medikament wirke nur kurz und sei sehr teuer.
Die Forschung stellt sich durchaus die Frage, ob irgendwann molekulare Ansätze in Verbindung mit Psychotherapie bei Störungen eingesetzt werden können. Medikamente, so Prof. Meyer-Lindenberg, gibt es noch nicht. Und ob das Oxytocin-haltige „Liquid Trust“, das flüssige Vertrauen, das im Internet als Spray zu haben ist, in irgendeiner Form wirkt wie Pheromone im Tierreich und Männlein wie Weiblein vetrauensselig an die Brust des jeweils anderen Geschlechtes sinken lässt, bezweifelt der Wissenschaftler.
Was man jedoch weiß und wo eine Oxytocin-Therapie wichtig sein könnte: Bei den extrem vernachlässigten rumänischen Waisenkindern seien die Oxytocin-Werte „im Keller“, erklärte Andreas Meyer-Lindenberg. Auch Autisten haben davon zu wenig – und Adoptiv-Kinder.
Birgit Sommer
© Rhein-Neckar-Zeitung
© Rhein-Neckar-Zeitung
Allgemeine Rückfragen von Journalisten auch an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Irene Thewalt
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