Völlig losgelöst
21.
November
2008
Wie fühlt sich Schwerelosigkeit an ? – Der Astronaut Thomas Reiter berichtete vor Medizinern von seinen Erfahrungen im All
Wie fühlt sich das eigentlich an, wenn man das Gewicht des eigenen Körpers nicht mehr spürt? Wenn oben und unten, rechts und links keine Bedeutung mehr haben? Wenn Schwerelosigkeit herrscht? Kein Deutscher kann das besser beurteilen als der Astronaut Thomas Reiter, der fast ein Jahr seines Lebens in der Schwerelosigkeit verbracht hat. Jetzt berichtete der 50-Jährige beim Hennig-Symposium an der Hals-, Nasen- und Ohrenklinik über seine Erfahrungen - und die zuhörenden Mediziner lauschten gebannt.
Reiter, der als Vorstand für Raumfahrt-Forschung und -Entwicklung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt arbeitet, hat zwei sehr verschiedene Flüge ins All erlebt: Am 3. September 1995 startete er in einer "Sojus TM-22" zur russischen Raumstation "Mir", wo er als Bordingenieur arbeitete, bevor er am 29. Februar 1996 zur Erde zurückkehrte. Zehn Jahre später hob der Luft- und Raumfahrttechniker erneut von der Erde ab; am 4. Juli 2006 flog er mit dem Spaceshuttle "Discovery" zur International Space Station (ISS), am 22. Dezember 2006 kehrte er zur Erde zurück. "Beim zweiten Mal hat sich mein Körper wesentlich leichter an die Schwerelosigkeit und bei der Rückkehr wieder an die Erdanziehungskraft gewöhnt", zog Reiter Bilanz.
Exakt achteinhalb Minuten hatte es bei der zweiten Weltraummission gedauert, bis die "Discovery" die Schwerkraft überwunden hatte. "Ich habe mich dann abgeschnallt, den Raumanzug abgelegt und angefangen zu arbeiten", so der Astronaut. Er habe nur ein leichtes Schwindelgefühl verspürt, "mein Körper erinnerte sich offenbar an die Erfahrung vor elf Jahren". Da in der Schwerelosigkeit die Gewebeflüssigkeit von unten nach oben gedrückt wird (weil keine Erdanziehungskraft sie mehr nach unten zieht), "geht die Nase zu und das fühlt sich an wie ein Schnupfen".
Bei der ersten Weltraummission habe er unter sehr starken Rückenschmerzen gelitten - die mit Gewebeflüssigkeit gepolsterten Bandscheiben dehnen sich nämlich aus -, beim zweiten Mal habe er nur noch "eine Art Muskelkater" gespürt. Schwierig sei es hingegen besonders in den ersten Tagen, in der 60 Meter langen Raumstation die Orientierung zu behalten, weil rechts und links, oben und unten nicht mehr gelten.
Besonders auf die Einsätze außerhalb der Raumstation habe er sich deshalb sehr gründlich vorbereiten müssen. "Im Weltall muss jeder Handgriff sitzen, denn die Sauerstoffzufuhr reicht nur für etwa sechs Stunden, da darf man einfach nicht trödeln", erzählte Reiter. Das Wort "Weltraumspaziergang" treffe die Sache ohnehin nicht: "Wir sind mit 28 000 Stundenkilometern um die Erde geflogen, das ist harte körperliche Arbeit", unterstrich Thomas Reiter, der seinen Vortrag mit vielen faszinierenden Bildern anreicherte.
Leicht sind infolge der Schwerelosigkeit nur die Materialien. Ein Astronaut könne also problemlos eine 80-Kilo-Batterie herumwuchten oder ein 160 Kilo schweres Bauteil durch die Gegend bugsieren, "nur loslassen darf man es nicht, es fällt ja nicht nach unten". Dass in den Raumfähren und Raumstationen auch die sanitären Anlagen an die Schwerelosigkeit angepasst sind und die Fäkalien abgesaugt werden, versteht sich. Getrunken wird auch nicht aus Tassen oder Gläsern, sondern aus Tuben oder Bechern mit Deckel und verschließbarem Strohhalm.
Auch das Zurückkommen auf die Erde und damit zur Schwerkraft habe er beim zweiten Mal besser verkraftet. "Als ich nach der Landung ausstieg, sackte das Blut ab, und ich war dementsprechend blass", erinnert er sich. Aber einen Tag später habe er in Houston schon wieder an einem Stehempfang teilgenommen, "einen Walzer hätte ich aber nicht tanzen wollen", lacht er. Nach einer Woche seien alle Symptome verschwunden gewesen und nach weiteren acht Wochen mit einem intensiven sportlichen Reha-Programms habe er sich auf der Erde wieder wohlgefühlt.
Rückfragen von Journalisten bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Irene Thewalt
Tel. 06221 542310, Fax 542317
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Reiter, der als Vorstand für Raumfahrt-Forschung und -Entwicklung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt arbeitet, hat zwei sehr verschiedene Flüge ins All erlebt: Am 3. September 1995 startete er in einer "Sojus TM-22" zur russischen Raumstation "Mir", wo er als Bordingenieur arbeitete, bevor er am 29. Februar 1996 zur Erde zurückkehrte. Zehn Jahre später hob der Luft- und Raumfahrttechniker erneut von der Erde ab; am 4. Juli 2006 flog er mit dem Spaceshuttle "Discovery" zur International Space Station (ISS), am 22. Dezember 2006 kehrte er zur Erde zurück. "Beim zweiten Mal hat sich mein Körper wesentlich leichter an die Schwerelosigkeit und bei der Rückkehr wieder an die Erdanziehungskraft gewöhnt", zog Reiter Bilanz.
Exakt achteinhalb Minuten hatte es bei der zweiten Weltraummission gedauert, bis die "Discovery" die Schwerkraft überwunden hatte. "Ich habe mich dann abgeschnallt, den Raumanzug abgelegt und angefangen zu arbeiten", so der Astronaut. Er habe nur ein leichtes Schwindelgefühl verspürt, "mein Körper erinnerte sich offenbar an die Erfahrung vor elf Jahren". Da in der Schwerelosigkeit die Gewebeflüssigkeit von unten nach oben gedrückt wird (weil keine Erdanziehungskraft sie mehr nach unten zieht), "geht die Nase zu und das fühlt sich an wie ein Schnupfen".
Bei der ersten Weltraummission habe er unter sehr starken Rückenschmerzen gelitten - die mit Gewebeflüssigkeit gepolsterten Bandscheiben dehnen sich nämlich aus -, beim zweiten Mal habe er nur noch "eine Art Muskelkater" gespürt. Schwierig sei es hingegen besonders in den ersten Tagen, in der 60 Meter langen Raumstation die Orientierung zu behalten, weil rechts und links, oben und unten nicht mehr gelten.
Besonders auf die Einsätze außerhalb der Raumstation habe er sich deshalb sehr gründlich vorbereiten müssen. "Im Weltall muss jeder Handgriff sitzen, denn die Sauerstoffzufuhr reicht nur für etwa sechs Stunden, da darf man einfach nicht trödeln", erzählte Reiter. Das Wort "Weltraumspaziergang" treffe die Sache ohnehin nicht: "Wir sind mit 28 000 Stundenkilometern um die Erde geflogen, das ist harte körperliche Arbeit", unterstrich Thomas Reiter, der seinen Vortrag mit vielen faszinierenden Bildern anreicherte.
Leicht sind infolge der Schwerelosigkeit nur die Materialien. Ein Astronaut könne also problemlos eine 80-Kilo-Batterie herumwuchten oder ein 160 Kilo schweres Bauteil durch die Gegend bugsieren, "nur loslassen darf man es nicht, es fällt ja nicht nach unten". Dass in den Raumfähren und Raumstationen auch die sanitären Anlagen an die Schwerelosigkeit angepasst sind und die Fäkalien abgesaugt werden, versteht sich. Getrunken wird auch nicht aus Tassen oder Gläsern, sondern aus Tuben oder Bechern mit Deckel und verschließbarem Strohhalm.
Auch das Zurückkommen auf die Erde und damit zur Schwerkraft habe er beim zweiten Mal besser verkraftet. "Als ich nach der Landung ausstieg, sackte das Blut ab, und ich war dementsprechend blass", erinnert er sich. Aber einen Tag später habe er in Houston schon wieder an einem Stehempfang teilgenommen, "einen Walzer hätte ich aber nicht tanzen wollen", lacht er. Nach einer Woche seien alle Symptome verschwunden gewesen und nach weiteren acht Wochen mit einem intensiven sportlichen Reha-Programms habe er sich auf der Erde wieder wohlgefühlt.
Ingeborg Salomon
© Rhein-Neckar-Zeitung
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