Eine Erscheinung von tragischer Ambivalenz
Pressemitteilung Nr. 5/2009
26. Februar 2009
26. Februar 2009
Mit dem literarischen Diskurs während des Nationalsozialismus befasst sich die Ausstellung „Hans Grimm – Zwischen Politik und Literatur“ im Palais Boisserée Heidelberg
Die Veröffentlichung seines Kolonialromans „Volk ohne Raum“ im Jahr 1926 machte den nationalkonservativen Schriftsteller Hans Grimm (1875–1959) schlagartig zu einer gefeierten Persönlichkeit. Das Werk, dem NS-Chefideologe Alfred Rosenberg 1930 „Ewigkeitswert“ bescheinigte, ist heute als Paradigma tradiert, war es doch unter den Nationalsozialisten zum Schlagwort ihrer Expansionspolitik geworden.
In seinem Opus Magnum propagiert Grimm den Erwerb von Lebensraum als Lösungsstrategie für die sozialen und wirtschaftlichen Probleme Deutschlands. 13 Jahre lang lebte er als Kaufmann, Farmer und Journalist in Südafrika. Die Erfahrung der Weite des Kontinents verarbeitet er in mehreren Werken, darunter „Der Gang durch den Sand“ (1916), das Tagebuch „Der Ölsucher von Duala“ (1918) und „Der Richter in der Karu“ (1926).
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland kaufte er das Lippoldsberger Klosterhaus, in dem er ab 1934 jährlich völkische und nationalkonservative Schriftsteller um sich versammelt. Diese „Lippoldsberger Dichtertage“ waren unabhängig von NS-Kulturprogrammen organisiert und brachten die ablehnende Haltung des Gastgebers gegenüber der Literaturpolitik des Dritten Reiches zum Ausdruck.
Zwar befürwortete Grimm die Ideen und Ziele des Nationalsozialismus, trat der NSDAP aber nie bei und bekundete Unmut gegenüber den Reglementierungen im Kulturbereich. Seine Kritik galt auch der Unterlassung geheimer Wahlen und dem brutalen Umgang mit marxistisch eingestellten Arbeitern oder einem jüdischen Zahnarzt aus seiner Umgebung. Nach dem Zweiten Weltkrieg aber blieb Grimm ein Verfechter der nationalsozialistischen Weltanschauung. 1954 veröffentlichte er seine Rechtfertigungsschrift „Warum, woher, aber wohin?“, in der er an Hitler als Heilsfigur festhält und die alleinige deutsche Kriegsschuld ablehnt.
Die Ausstellung „Hans Grimm – Zwischen Politik und Literatur“, die am Germanistischen Seminar Heidelberg zu sehen ist, ermöglicht einen Einblick in das Netzwerk der Schriftsteller der Konservativen Revolution und anderer rechter Gruppierungen zu Ende der Weimarer Republik und während des Dritten Reiches.
Komplexe Persönlichkeit
Als Ergebnis eines studentischen Forschungsprojekts, das aus Studiengebühren finanziert wurde, präsentiert die Ausstellung einen Querschnitt durch die umfangreiche Korrespondenz des Schriftstellers. Grundlage des Projekts ist Grimms Nachlass mit einem Umfang von nahezu 400 Kästen im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar, der von sechs Studenten gesichtet und ausgewertet wurde.
Gezeigt werden Grimms Briefwechsel mit den Schriftstellern Rudolf G. Binding, Hermann Claudius, August Winnig, Arnolt Bronnen, Gottfried Benn, den Germanisten Heinz Kindermann, Hellmuth Langenbucher und Hermann Pongs sowie dem Herausgeber der Zeitschrift „Das Innere Reich“, Paul Alverdes. Die Briefe spiegeln den literarischen Diskurs im Lichte der politischen Gegebenheiten der Zeit wider.
Im Zentrum des Austauschs stehen die Diskussion um die Aufgabe und Verantwortung der Schriftsteller, Fragen nach dem Standort der Literaturwissenschaft, Überlegungen zu politischen Weichenstellungen für eine effiziente Kulturpolitik und verlegerische Angelegenheiten. Einige Briefe, besonders solche, mit denen er sich gar bei hohen Parteistellen über herrschende Missstände beklagt, machen indes Grimms Reputation als Verfasser des zur Pflichtlektüre gewordenen „Volk ohne Raum“ deutlich.
Berücksichtigt man, dass eine offen gelebte oppositionelle Denkweise weniger bekannte Schriftsteller die Existenz gekostet hätte, so tritt Grimm hier als nahezu unantastbare Figur in Erscheinung. Die Ausstellung beleuchtet diese Grenzstellung als Freund des Nationalsozialismus einerseits und als offener Kritiker besonders seiner Literaturpolitik andererseits – eine komplexe Persönlichkeit, die Klaus von Delft zutreffend als Charakter von „tragischer Ambivalenz“ bezeichnet.
Die Ausstellung ist Teil eines größeren Projekts zu konservativen, völkischen und nationalsozialistischen Autoren zwischen 1918 bis 1945 unter der Leitung von Prof. Helmuth Kiesel am Germanistischen Seminar. Ziel des Projektseminars ist außerdem die Publikation eines Sammelbandes unter gleichnamigen Titel. Die Autorin ist Teilnehmerin des Projekts.
Allgemeine Rückfragen von Journalisten bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Irene Thewalt
Tel. 06221 542310, Fax 542317
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
In seinem Opus Magnum propagiert Grimm den Erwerb von Lebensraum als Lösungsstrategie für die sozialen und wirtschaftlichen Probleme Deutschlands. 13 Jahre lang lebte er als Kaufmann, Farmer und Journalist in Südafrika. Die Erfahrung der Weite des Kontinents verarbeitet er in mehreren Werken, darunter „Der Gang durch den Sand“ (1916), das Tagebuch „Der Ölsucher von Duala“ (1918) und „Der Richter in der Karu“ (1926).
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland kaufte er das Lippoldsberger Klosterhaus, in dem er ab 1934 jährlich völkische und nationalkonservative Schriftsteller um sich versammelt. Diese „Lippoldsberger Dichtertage“ waren unabhängig von NS-Kulturprogrammen organisiert und brachten die ablehnende Haltung des Gastgebers gegenüber der Literaturpolitik des Dritten Reiches zum Ausdruck.
Zwar befürwortete Grimm die Ideen und Ziele des Nationalsozialismus, trat der NSDAP aber nie bei und bekundete Unmut gegenüber den Reglementierungen im Kulturbereich. Seine Kritik galt auch der Unterlassung geheimer Wahlen und dem brutalen Umgang mit marxistisch eingestellten Arbeitern oder einem jüdischen Zahnarzt aus seiner Umgebung. Nach dem Zweiten Weltkrieg aber blieb Grimm ein Verfechter der nationalsozialistischen Weltanschauung. 1954 veröffentlichte er seine Rechtfertigungsschrift „Warum, woher, aber wohin?“, in der er an Hitler als Heilsfigur festhält und die alleinige deutsche Kriegsschuld ablehnt.
Die Ausstellung „Hans Grimm – Zwischen Politik und Literatur“, die am Germanistischen Seminar Heidelberg zu sehen ist, ermöglicht einen Einblick in das Netzwerk der Schriftsteller der Konservativen Revolution und anderer rechter Gruppierungen zu Ende der Weimarer Republik und während des Dritten Reiches.
Komplexe Persönlichkeit
Als Ergebnis eines studentischen Forschungsprojekts, das aus Studiengebühren finanziert wurde, präsentiert die Ausstellung einen Querschnitt durch die umfangreiche Korrespondenz des Schriftstellers. Grundlage des Projekts ist Grimms Nachlass mit einem Umfang von nahezu 400 Kästen im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar, der von sechs Studenten gesichtet und ausgewertet wurde.
Gezeigt werden Grimms Briefwechsel mit den Schriftstellern Rudolf G. Binding, Hermann Claudius, August Winnig, Arnolt Bronnen, Gottfried Benn, den Germanisten Heinz Kindermann, Hellmuth Langenbucher und Hermann Pongs sowie dem Herausgeber der Zeitschrift „Das Innere Reich“, Paul Alverdes. Die Briefe spiegeln den literarischen Diskurs im Lichte der politischen Gegebenheiten der Zeit wider.
Im Zentrum des Austauschs stehen die Diskussion um die Aufgabe und Verantwortung der Schriftsteller, Fragen nach dem Standort der Literaturwissenschaft, Überlegungen zu politischen Weichenstellungen für eine effiziente Kulturpolitik und verlegerische Angelegenheiten. Einige Briefe, besonders solche, mit denen er sich gar bei hohen Parteistellen über herrschende Missstände beklagt, machen indes Grimms Reputation als Verfasser des zur Pflichtlektüre gewordenen „Volk ohne Raum“ deutlich.
Berücksichtigt man, dass eine offen gelebte oppositionelle Denkweise weniger bekannte Schriftsteller die Existenz gekostet hätte, so tritt Grimm hier als nahezu unantastbare Figur in Erscheinung. Die Ausstellung beleuchtet diese Grenzstellung als Freund des Nationalsozialismus einerseits und als offener Kritiker besonders seiner Literaturpolitik andererseits – eine komplexe Persönlichkeit, die Klaus von Delft zutreffend als Charakter von „tragischer Ambivalenz“ bezeichnet.
Die Ausstellung ist Teil eines größeren Projekts zu konservativen, völkischen und nationalsozialistischen Autoren zwischen 1918 bis 1945 unter der Leitung von Prof. Helmuth Kiesel am Germanistischen Seminar. Ziel des Projektseminars ist außerdem die Publikation eines Sammelbandes unter gleichnamigen Titel. Die Autorin ist Teilnehmerin des Projekts.
Simona Hurst
© Rhein-Neckar-Zeitung
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Info: Bis zum 31. Mai im Germanistischen Seminar Heidelberg, Raum 133.
Allgemeine Rückfragen von Journalisten bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Irene Thewalt
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