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Ein „heißer“ Pilz liefert DNA-Bausteine für den „Nachbau“ zentraler Strukturen der Zellkernhülle

Pressemitteilung Nr. 256/2011
22. Juli 2011
Heidelberger Forscher entschlüsseln Genom des hitzeliebenden Eukaryonten Chaetomium thermophilum

Mit Hilfe von DNA-Bausteinen eines hitzeliebenden Pilzes, der zwischen 50 und 60 Grad Celsius optimal wächst, ist es Heidelberger Wissenschaftlern gelungen, zentrale Strukturen in der Hülle von Zellkernen für die Forschung im Reagenzglas nachzubilden. Dabei handelt es sich um den Kernporenkomplex, der den Stoffaustausch zwischen dem Zellkern und seiner Umgebung durch die Kernhülle hindurch ermöglicht. Die Forscher der Universität Heidelberg und des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) haben dazu das Genom des thermophilen Eukaryonten Chaetomium thermophilum sequenziert und daraus die Proteine isoliert, aus denen ein lange gesuchter Grundpfeiler der Kernpore zusammengebaut werden konnte. Die Forschungsergebnisse von Prof. Dr. Ed Hurt und Dr. Peer Bork wurden heute (22. Juli 2011) in „Cell“ veröffentlicht.

Eine der auffälligsten Entwicklungen in der Evolution der eukaryontischen Zelle war die Ausbildung der Kernhülle, die die Erbinformation des Zellkerns umschließt. Diese Hülle war aber gleichzeitig auch eine Barriere, die erst durchlässig für den Stoffaustausch zwischen dem Zellkern und dem Zytoplasma gemacht werden musste. Diese Aufgabe hat der Kernporenkomplex übernommen, der als Pfropfen in der Kernhülle wie ein Pförtner am Eingangstor einer großen Fabrikanlage den „Güterverkehr“ zwischen den Zellräumen vermittelt. Die Kernpore besteht aus rund 30 verschiedenen Einzelbausteinen, den Nukleoporinen oder Nups. Jedes dieser Nups hat die Fähigkeit, sich zu mehreren Kopien zusammenzulagern, so dass eine komplexe Nano-Maschine aus insgesamt 500 Untereinheiten entsteht.

Bisher war der Aufbau der Kernpore in ihrem inneren Strukturbereich weitgehend unverstanden – vor allem auch deswegen, weil sich der gesamte Komplex nicht außerhalb der Zelle für die Forschung nachbilden ließ. Das lag unter anderem daran, dass sich insbesondere die großen Kernporenbausteine im isolierten Zustand äußerst labil verhielten. Prof. Hurt und sein Team haben daher überlegt, Kernporenbausteine aus thermophilen Eukaryonten für biochemische Rekonstitutionen einzusetzen. Von hitzeliebenden Bakterien, die noch bei einer Temperatur von über 100 Grad Celsius wachsen können, war bekannt, dass ihre Proteine robuste Eigenschaften aufweisen. Auch im Reich der Eukaryonten gibt es solche Exoten. So ist Chaetomium thermophilum in der Lage, bei 50 bis 60 Grad abgestorbenes pflanzliches Material abzubauen; bei diesem Prozess können Spitzentemperaturen von bis zu 70 Grad entstehen.

Am Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg haben Prof. Hurt und sein Team die gesamte DNA-Sequenz des thermophilen Pilzes mit rund 28 Millionen DNA-Basen entschlüsselt. Dr. Bork und seine Arbeitsgruppe am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie übernahmen die Aufgabe, das sequenzierte Genom zu ordnen und die Gesamtheit aller hitzeliebenden Proteine in diesem Organismus, immerhin mehr als 7.000, zu identifizieren. Darunter waren auch die 30 gesuchten Bausteine für den Kernporenkomplex. Den Wissenschaftlern um Ed Hurt gelang es schließlich, ein zentrales Grundgerüst der Kernpore mit den entsprechenden Nups im Reagenzglas zusammenzubauen. Prof. Hurt und Dr. Bork sind zuversichtlich, dass ihre Forschungsergebnisse wesentlich dazu beitragen, dass Chaetomium thermophilum künftig als Modellorganismus für die Erforschung von komplexen molekularen Maschinen von Eukaryonten genutzt werden kann.

Informationen im Internet können unter www.uni-heidelberg.de/zentral/bzh/hurt abgerufen werden.

Originalveröffentlichung:
Amlacher, S., Sarges, P., Flemming, D., van Noort, V., Kunze, R., Devos, D.P., Arumugam, M., Bork, P. & Hurt, E.: Insight into Structure and Assembly of the Nuclear Pore Complex by Utilizing the Genome of a Eukaryotic Thermophile, Cell 146, 277-289, July 22, 2011, doi:10.1016/j.cell.2011.06.039

Hinweis an die Redaktionen:
Digitales Bildmaterial ist in der Pressestelle erhältlich.

Kontakt:
Prof. Dr. Ed Hurt
Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg
Telefon (06221) 54-4173
ed.hurt@bzh.uni-heidelberg.de

Kommunikation und Marketing
Pressestelle, Telefon (06221) 54-2311
presse@rektorat.uni-heidelberg.de

 

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