Krisen und Katastrophen im Spiegel der Wissenschaft
30. Oktober 2013
Mit Krisen und Katastrophen im Spiegel der Wissenschaft befasst sich eine Publikation, die Forscher der Universität Heidelberg herausgegeben haben. Im Mittelpunkt steht dabei die Definition des Begriffes „Krise“. Zugleich geht es um Möglichkeiten seiner Anwendung in der Erforschung und Deutung von Geschichte. Vertreter verschiedener Fachrichtungen analysieren in diesem Zusammenhang die sprachliche Kommunikation über Krisenszenarien in verschiedenen Epochen und Medien. Herausgeber der Veröffentlichung sind die Heidelberger Historikerinnen Dr. Carla Meyer und Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern sowie der Mediävist Prof. Dr. Gerrit Jasper Schenk von der Technischen Universität Darmstadt, der ein Forschungsprojekt zum Thema Katastrophen am Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kontext“ der Ruperto Carola leitet.
„Der Begriff der Krise wird ,offen‘ verwendet und daher in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen auch unterschiedlich definiert“, erläutert Prof. Patzel-Mattern. „In den Geschichtswissenschaften verstehen wir ‚Krise‘ beispielsweise als eine Phase der Verunsicherung, die das Potential hat, soziale Verhältnisse tiefgreifend zu verändern.“ Doch wie verorten Sozialpsychologen, Ethnologen, Wirtschafts- oder Kulturwissenschaftler den Krisenbegriff? Mit dieser Fragestellung befassen sich die Beiträge im ersten Teil der Publikation.
Der zweite Teil des Bandes umfasst geschichtswissenschaftliche Beiträge, die von der Semantik des Begriffs „Krise“ ausgehen. „Krisenhafte Situationen werden von der Öffentlichkeit zwar als chaotisch wahrgenommen, sprachlich aber nach immer gleichen Mustern kommuniziert“, betont Prof. Schenk. „Dahinter steht der Wunsch, die komplexe und oft überfordernde Fülle an Ereignissen ordnend zu fassen.“ Die Autoren erörtern unterschiedliche Aspekte der sprachlichen Darstellung von Krisensituationen in Literatur und Medien. Dabei geht es zum Beispiel um die Medienberichterstattung über Unglücksfälle in der Chemieindustrie des 20. Jahrhunderts.
Die anschließenden Beiträge gehen der Frage nach, wie sich „Krisen“ deuten lassen und wie ihnen begegnet werden kann. „Die Darstellung einer Krise bietet ein Interpretationsschema, das den untersuchten Ereignissen einen logischen Ablauf und eine Zielgerichtetheit unterstellt. Im Rückblick dient die ‚Krise‘ daher als ‚Werkzeug‘ für Erklärungsansätze, die entweder Kontinuitäten über Brüche hinweg oder auch Wandel begründen und deuten“, erklärt Dr. Meyer. Wie diese beiden Extreme zur Interpretation von Krisenszenarien herangezogen werden können, thematisiert unter anderem ein Beitrag zur Darstellung der „Terrorismus-Krise“ in Filmen der 1970er-Jahre.
Die Publikation mit dem Titel „Krisengeschichte(n) – ‚Krise‘ als Leitbegriff und Erzählmuster in kulturwissenschaftlicher Perspektive“ umfasst 19 Fachbeiträge und geht auf ein gleichnamiges Symposium zurück, das im Jahr 2009 am Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kontext“ der Universität Heidelberg stattgefunden hat.
Bibliographische Information:
Carla Meyer, Katja Patzel-Mattern, Gerrit Jasper Schenk (Hrsg.): Krisengeschichte(n). „Krise“ als Leitbegriff und Erzählmuster in kulturwissenschaftlicher Perspektive. Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte – Beihefte, Band 210, Stuttgart 2013