Die lebendige Seite des „Zen“
Tempelbuddhismus im modernen Japan
von Inken ProhlUm die Rolle des Zen-Buddhismus im gegenwärtigen Japan zu verstehen, haben Heidelberger Religionswissenschaftler nicht nur die Schriften studiert, sondern sind „ins Feld“ gezogen. Sie sprachen mit religiösen Akteuren, beobachteten ihr Handeln und wohnten den Zeremonien in japanischen Tempeln bei. Zen-buddhistische Schulen, stellte sich während der Studien heraus, sind im modernen Japan außerordentlich präsent. Mit den Zuweisungen aber, die der Zen-Buddhismus in Europa erfährt, hat der Zen-Buddhismus Japans nur wenig gemein.
Der Ausdruck „Zen“ ist zu einem Modewort geworden. Mit „Zen“ werden Übungen der Meditation, Entspannung und Stressreduktion assoziiert, Kosmetika und Süßigkeiten beworben und neue, schlichte Formen des Lifestyles propagiert. Häufig knüpfen sich an den Begriff „Zen“ Wünsche und Sehnsüchte nach besonderen religiösen Erfahrungen. Für viele transportiert der Begriff „Zen“ die Eigenarten Japans als einer verschlossenen, exotischen und zutiefst von Mystik geprägten asiatischen Kultur.
Diese Annahmen basieren auf Missverständnissen. Sie sind das Resultat irreführender Übertragung westlich geprägter Begriffe wie „Mystik“ auf den japanischen Kontext. Die einseitige Konzentration der Religionsforschung auf das Studium von Texten statt auf religiöse Akteure und ihre Praxis trug ebenfalls zur Herausbildung dieser Fehlannahmen bei.
Seit einigen Dekaden nehmen Religionshistoriker und -wissenschaftler die sozialgeschichtlichen, anthropologischen und soziologischen Aspekte religiöser Praxis in den Blick. In Bezug auf Japan hat sich dabei eine „andere Seite des Zen“ herauskristallisiert. Adressiert werden dabei die folgenden Fragen:
Welche Rolle spielt der Zen-Buddhismus im gegenwärtigen Japan? Sind die Japaner durch den Einfluss des Zen-Buddhismus entspannter und weniger gestresst? Meditieren sie überhaupt? Wie lässt sich die schlichte Ästhetik des „Zen“ mit dem grellen Chaos moderner japanischer Mega-Städte vereinbaren?
Um die Antwort vorwegzunehmen: Mit mehr als 20.000 Tempeln sind die Zen-buddhistischen Schulen im gegenwärtigen Japan außerordentlich präsent. Doch die Japaner sind aufgrund ihrer Verbundenheit mit dem Zen-Buddhismus weder signifikant weniger gestresst als Menschen in anderen Teilen der Welt noch meditieren sie besonders häufig.
Im Zentrum des Zen-Buddhismus steht das zazen. Zazen bezeichnet das schweigende Sitzen in der Lotusposition, das der Haltung von Buddha Shakyamuni nachempfunden ist, mit der er unter dem Bodhi-Baum das Erwachen erreichte. Im Westen wird die Praxis des zazen häufig als „Meditation“ verstanden. Um Missverständnisse über die Natur und die Ziele dieser Praxis zu vermeiden, empfiehlt es sich, besser die neutrale Bezeichnung „stilles Sitzen“ zu verwenden. Unter den 20 000 Zen-buddhistischen Tempeln in Japan finden sich nur 70 Einrichtungen, die als Klöster fungieren, in denen buddhistische Geistliche im Rahmen des monastischen Lebens zazen praktizieren. Lediglich 600 Tempel, also fünf Prozent der Gesamtzahl der Tempel, bieten darüber hinaus auch Treffen an, in denen die Laien das „stille Sitzen“ üben.
Die meisten Japaner besuchen einen Zen-buddhistischen Tempel, um an einer Begräbniszeremonie oder an einem Ahnengedenkritual teilzunehmen. Hunderttausende von Japanern zieht es jährlich zu einem der großen Zen-buddhistischen Klöster, um dort Bittrituale für die Lösung von Problemen oder die Erfüllung ihrer Wünsche von Zen- Priestern durchführen zu lassen. Die großen Zen-buddhistischen Tempel, besonders in der alten Kaiserhauptstadt Kyoto, die Scharen von Besuchern anziehen, sind Orte der Erinnerung, an denen sich die Besucher ihrer kulturellen Vergangenheit und Identität vergewissern.
Welchen Stellenwert nimmt der Zen-Buddhismus innerhalb der religiösen Szenerie Japans ein? Die überwiegende Mehrheit der Japaner gehört einem der 80 000 buddhistischen Tempel an. Die Tempel sind in verschiedenen Schulen organisiert. Die meisten Angehörigen haben die Schulen des Reinen Landes, die Nichiren-Schule und die Shingon-Schule des esoterischen Buddhismus. Mit gut drei Millionen Angehörigen zählen die Organisationen des Zen-Buddhismus zu den eher kleineren buddhistischen Schulen.
Der Zen-Buddhismus teilt sich in drei Richtungen auf: Soto, Rinzai und Obaku-Zen. Viele Japaner sind sich nicht darüber im klaren, welcher buddhistischen Schule sie angehören beziehungsweise zu welcher buddhistischen Schule ihr Familientempel zu rechnen ist. Der Tempel, der mit der Betreuung des Familiengrabs betraut ist, wird Familientempel genannt. Die Unterschiede in Lehre und Praxis, die zwischen den Schulen des Reinen Landes, Amida- oder Zen-Buddhismus bestehen, spielen für sie eine untergeordnete Rolle. Fragt man einen Japaner, welcher buddhistischen Schule er angehört, bekommt man häufig die Antwort, dass er dass nicht wisse, da in seiner Familie glücklicherweise lange niemand gestorben sei.
In Japan wird der Familientempel wichtig, wenn es zu einem Todesfall in der Familie kommt. Dann wird der Priester der wichtigste Ansprechpartner für Fragen hinsichtlich des komplizierten Zeremoniells einer Beerdigung. Er ist es, der die komplexen Bestattungszeremonien durchführt. Weitere Besuche im Tempel finden anlässlich von Ahnengedenkzeremonien statt. Darüber hinaus hat die Mehrheit der Japaner vor allem in den großen urbanen Zentren kaum Kontakt mit ihrem Familientempel.
Den Großteil ihrer Einnahmen beziehen die Familientempel aus Begräbnis- und Ahnengedenkritualen. Aus diesen Gründen wird der japanische Buddhismus der Gegenwart häufig abfällig als „Begräbnisbuddhismus“ tituliert. Auch in den Zen-buddhistischen Schulen sind die Priester vor allem für den Tod verantwortlich.
Weshalb agieren die Priester des Zen-Buddhismus, der im Westen vor allem mit Meditation, Mystik und schlichten Ästhetiken assoziiert wird, in Japan vor allem als Spezialisten für den Tod? Was hat das „stille Sitzen“, das im Mittelpunkt des Zen-Buddhismus steht, mit Totenritualen zu tun? Weshalb wird der Buddhismus in Japan überhaupt mit dem Tod und mit den Ahnen assoziiert? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns der Geschichte des Zen-Buddhismus in Japan zuwenden.
Der chinesische Chan-Buddhismus wurde als Zen-Buddhismus im Mittelalter nach Japan eingeführt. Die Zen-Buddhisten brachten den Japanern etwas Neues: Sie haben den Weg zum Erkennen der Wahrheit radikal vereinfacht. Der Zen-Buddhismus lehrt, dass sich der Zugang zur Wahrheit, wie sie der historische Buddha erkannt hat, durch das stille Sitzen und die Beschäftigung mit Koan vollzieht. Durch das stille Sitzen ahmen die Zen-Buddhisten das Erwachen des historischen Buddha nach. Bei den Koan handelt es sich um die Aussprüche und Ausrufe erwachter Meister und ihrer Dialoge mit den Schülern, durch die sie diese zum Erwachen bringen.
In beiden Fällen ereignet sich das Erwachen jenseits der Möglichkeit des Nachvollzugs durch den rationalen Verstand. Seinem Selbstverständnis nach basiert der Zen-Buddhismus auf dem Erkennen der wahren Natur des Seins, ist unabhängig von der Autorität heiliger Schriften und vermittelt sich in einer bis auf den historischen Buddha zurückgehenden ungebrochenen Linie von Meister zu Schüler.
Im Mahayana-Buddhismus, dem „Großen Fahrzeug“, werden der historische Buddha, die Bodhisattvas und mythischen Buddhas sowie der buddhistische Dharma, das heißt die Wahrheit, die der Buddha erkannt hat, als Quelle besonderer Kraft angesehen. Mit dieser Kraft kann das buddhistische Erlösungsprogramm, alle Lebewesen zum Heil zu führen, verwirklicht werden. Je größer die Nähe zu den Quellen der Kraft ist, desto wirksamer kann sie leidenden Wesen zum Heil verhelfen. Die Zen-Buddhisten verfügten im Mittelalter mit dem rituellen Sitzen und der Koan-Literatur über eindrucksvolle performative Mittel, ihre Nähe zum historischen Buddha und dem Dharma unter Beweis zu stellen. Das zazen avancierte zu einer mächtigen rituellen Inszenierung, mit dem die Zen-Buddhisten ihre religiöse Überlegenheit demonstrierten.
Mit diesen rituellen Inszenierungen begegneten sie einem der drängendsten Probleme der religiösen Szenerie Japans: Die religiöse Landschaft war bevölkert von Furcht erregenden, zornigen und übelwollenden Geistern. Japanische Religionshistoriker gehen soweit, die japanischen Religionen vor Einführung des Buddhismus als Religion des Terrors zu bezeichnen. Die Priester der Zen-buddhistischen Schulen, insbesondere der Soto-Schule, lehrten, dass es sich bei diesen übelwollenden Geistern um leidende Lebewesen handelt. Sie begannen, diese Geister mithilfe ihrer besonderen Kraft zu erlösen.
Die Geister wurden formell in den Sangha, die Gemeinschaft der Buddhisten, konvertiert und so von ihrem Leid befreit. Mit ihrem Groll und Zorn erlosch auch ihr negativer Einfluss auf die Menschen. Nach und nach wurden die Ordinationsrituale, mit denen die Geister in die Gemeinschaft der Zen-Buddhisten aufgenommen wurden, auf alle Verstorbenen ausgeweitet. Die Soto-Schule entwickelte Begräbnisrituale, die die Verstorbenen durch die Verleihung eines posthumen Namens in den Zen-buddhistischen Sangha aufnahmen. Mit der Zeit übernahmen die meisten anderen buddhistischen Schulen diese Praxis, die bis in die Gegenwart die Grundlage für den „Begräbnis-Buddhismus“ bildet.
Ab dem 17. Jahrhundert wurden alle Japaner von der Regierung gezwungen, sich an einem buddhistischen Tempel registrieren zu lassen. Ausschlaggebend für die Frage, an was für einem Tempel die Registrierung erfolgt, waren keine doktrinären Fragen, sondern vor allem die räumliche Nähe zu einem Tempel. Besonders die Soto-Schule nutzte diese Regierungsmaßnahme, um die Angehörigen ihrer Familientempel zur Teilnahme an Begräbnis- und Ahnengedenkritualen zu verpflichten. Sie brachte immer neue Rituale und Zeremonien hervor, an denen die Tempelangehörigen teilnehmen mussten.
In der Gegenwart können die buddhistischen Schulen niemanden mehr zwingen, die buddhistischen Begräbnis- und Ahnengedenkrituale zu nutzen. Sicher ist es auch auf die jahrhundertealte Verbindung zwischen Totenritualen und Buddhismus zurückzuführen, dass sich kaum ein Japaner vorstellen kann, auf die Anwesenheit eines Priesters bei den Beerdigungszeremonien zu verzichten. Für das hohe Prestige, das den buddhistischen Tempeln hinsichtlich des Umgangs mit dem Tod zugeschrieben wird, und für die hohen Summen, die in Japan für die Durchführung von Begräbnissen gezahlt werden, muss es allerdings noch andere Gründe geben.
Fragen danach, wie sich das Verhältnis von Tempeln und ihren Angehörigen in der sozialen Realität gestaltet und welche Bedeutung Tempelbesuchen zugeschrieben wird, lassen sich allein auf der Basis des Studiums von Texten kaum beantworten. Aus diesem Grund verfolgt die Religionswissenschaft gemeinsam mit Wissenschaften wie der Sinologie oder Japanologie immer häufiger multimethodische Ansätze, die das Studium von Texten mit anthropologischen Methoden wie Feldforschung oder Interviews mit Akteuren verbinden.
Am Institut für Religionswissenschaft der Universität Heidelberg beschäftigen sich verschiedene Projekte unter Einsatz anthropologischer Methoden mit der sozialen Realität gelebter Religionen. Die Forschenden begeben sich für eine zeitlang „ins Feld“, um mit religiösen Akteuren zu sprechen und ihre Handlungen und Interaktionen sowie die performativen und ästhetischen Dimensionen religiösen Handelns zu beobachten. Für die Untersuchung des japanischen Zen-Buddhismus der Gegenwart folgt daraus, für eine zeitlang den Abläufen an einem japanischen Tempel beizuwohnen.
Eine von der Autorin absolvierte Feldforschung in den Jahren 2005 bis 2006 an einem Soto-buddhistischen Tempel im ländlichen Japan bestätigt, dass die Mehrheit der Angehörigen der Zen-Schulen mit der Praxis des zazen kaum in Berührung kommt. An den Treffen, bei denen der Tempel einmal in der Woche für Laien die Übung des zazen anbietet, beteiligen sich im Durchschnitt nur fünf bis sechs Angehörige des Tempels, dessen Gemeinde insgesamt mehr als 600 Familien umfasst.
Die meisten der Tempelangehörigen besuchen den Tempel lediglich, um Begräbnisritualen oder Ahnengedenkzeremonien beizuwohnen. Nur sehr wenige wenden sich an den Tempel und seinen Priester, wenn sie über religiöse Belange oder persönliche Probleme sprechen möchten. Aus diesen Beobachtungen folgt aber nicht, dass die Übung des „stillen Sitzens“ für den Zen-Buddhismus der Gegenwart bedeutungslos ist. Ein Blick auf die Interaktionen zwischen Priestern und Laien illustriert die Bedeutung des „stillen Sitzens“.
In der Regel werden die Tempel innerhalb der Priesterfamilien vom Vater an den Sohn vererbt. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert ist es den buddhistischen Priestern gestattet zu heiraten. Die Ehefrauen der Tempelpriester übernehmen wichtige Aufgaben im Tempel. Sie bereiten Zeremonien vor, sind für die Bewirtung der Gäste verantwortlich und verwalten in vielen Fällen auch die Finanzen des Tempels.
Die Ausbildung zu einem Zen-buddhistischen Priester erfolgt in zwei Stufen: Zunächst besuchen die meisten künftigen Priester eine buddhistische Universität. Dem schließt sich in der Zen-buddhistischen Soto-Schule eine mindestens einjährige Ausbildungsphase in einem Kloster an. Während dieser Zeit üben sich die künftigen Priester in monastischer Disziplin, zu der auch lange und intensive Phasen des „stillen Sitzens“ gehören.
Diese Disziplin solle den Geist zu ständiger Achtsamkeit erziehen und dazu verhelfen, von seinem Selbst loslassen zu können. Die künftigen Priester werden durch diese Disziplin zu Mitgliedern der Gemeinschaft der Erwachten und erlangen Zugang zur religiös wirksamen Kraft, die dem Dharma und dem Sangha zugeschrieben werden. Diese Kräfte versetzen sie in die Lage, Begräbnis- und Ahnengedenkzeremonien durchführen zu können, bei denen sie die Geister der Verstorbenen befreien sollen.
Im Zuge der harten monastischen Ausbildung üben sich die künftigen Priester in einer ruhigen und gelassenen Geisteshaltung. Diese Haltung hilft ihnen im Umgang mit dem Tod und mit den Trauernden. Viel wichtiger ist allerdings der besondere Habitus, den sie erwerben. Soto-Priester betonen, dass sie in ihrer Ausbildung des stillen Sitzens und des Zen-buddhistischen Zeremoniells vor allem das adäquate Benehmen, die Etikette eines Priesters erlernen. Ihre Nähe zum buddhistischen Dharma drückt sich vor allem physisch aus. Sie eignen sich eine straffe Haltung, einen gesetzten Gang und ruhige und gemächliche Bewegungen an. So wird die religiöse Überlegenheit der Zen-Priester, denen die Befreiung der Toten anvertraut wird, auch äußerlich erkennbar. Mit diesem Habitus stellen die Priester beim Rezitieren der Sutren, das wesentlicher Bestandteil der Begräbniszeremonien ist, die Verbindung zur Kraft des buddhistischen Dharma dar, die die Verstorbenen befreien soll.
Eine ähnliche Beziehung zwischen dem stillen Sitzen und der Kraft des Dharma lässt sich auch an den großen Klöstern des Soto-Zen beobachten, die als Orte der Kraft Hunderttausende von Besuchern anziehen. Sie wünschen sich religiöse Hilfe bei der Heilung von Krankheit, der Befreiung von Leiden und der Erfüllung von Wünschen.
Gegen ein Entgelt können die Besucher an den Bittritualen teilnehmen. Die Besucher werden Zeugen aufwendiger Inszenierungen religiöser Kraft. Diszipliniert durch intensives monastisches Training und die Praxis des zazen bewegen sich die Priester beim Eintritt in die Tempelhalle, den rituellen Verbeugungen und dem Rezitieren der Sutren völlig synchron. Die Bittrituale wirken wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt. Ihr traumwandlerisch perfektes Zusammenspiel erweckt den Eindruck der Überweltlichkeit. Auch hier wird die Nähe zum buddhistischen Dharma für alle sichtbar gemacht und so plausibel und nachvollziehbar. Der Hauptpriester verharrt während der gesamten Zeremonie der Bittrituale bewegungslos im zazen. So wird der historische Buddha als Quelle befreiender Kraft rituell präsent.
Das Begräbniszeremoniell und die Praxis der Bittrituale führen eindrucksvoll vor Augen, dass das „stille Sitzen“ bis in die Gegenwart hinein den zentralen Bezugspunkt für das Selbstverständnis und die Präsentation des Zen-Buddhismus darstellt. Paradoxerweise fungiert gerade das stille Sitzen, das im Westen als Mittel zur Verwirklichung weltlicher Ziele wie Entspannung und Stressreduktion angesehen wird, als entscheidendes Vehikel, die angenommene religiöse Heilswirksamkeit des Zen-Buddhismus plausibel und real zu machen. Der Blick auf die soziale Realität des Zen-Buddhismus illustriert, dass er in Japan wenig mit Mystik oder mit besonderen übernatürlichen Erfahrungen und auf keinen Fall mit einem besonderen Lifestyle oder speziellen Kosmetika zu tun hat.
Die Missverständnisse, die hinsichtlich des Buddhismus und des Zen-Buddhismus im Westen kursieren, treten deutlich zutage. Diese Missverständnisse sind vor allem auf die unangemessene Übertragung von europäischen Konzepten wie dem der „Mystik“ oder der „religiöse Erfahrung“ auf nicht-europäische Kulturen zurückzuführen.
Die Untersuchung der sozialen Realität außereuropäischer Religionen hilft uns dabei zu erkennen, dass es viel mehr als diese Religionen selbst die unangemessene Anwendung dieser Begriffe auf sie ist, die zur Exotisierung und Essentialisierung führen. Wünschen nach posthumem Heil, Problemlösung und Wunscherfüllung, wie sie im Zen-Buddhismus ihren Ausdruck und ihre religiöse Antwort finden, sind wahrscheinlich den meisten von uns nur allzu bekannt.
Inken Prohl ist seit dem Jahr 2006 Professorin am Institut für Religionswissenschaft der Universität Heidelberg. Sie promovierte und habilitierte sich an der Freien Universität Berlin und forschte mehrere Jahre an der University of Tokyo und der Hitotsubashi University zu neuen religiösen Entwicklungen in Japan.
Kontakt: inken.prohl@zegk.uni-heidelberg.de
Seitenbearbeiter:
E-Mail
Letzte Änderung:
03.06.2009