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Schlüssel zum Verständnis chronischer Erkrankungen

Die Suche nach den Ursachen von Alter und Krankheit und der Wunsch, diesen Prozessen entgegenzuwirken, beschäftigt Wissenschaftler und Ärzte seit Jahrhunderten. In jüngster Zeit wurde ein Rezeptor – eine "Antenne" auf der Oberfläche von Zellen – entdeckt, der offensichtlich Moleküle erkennt, die bei chronischen Erkrankungen und während des Alterns vermehrt auftreten. Angelika Bierhaus und Peter Nawroth von der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik erläutern die neue "RAGE-Hypothese", die sich als Schlüssel für das Verständnis – und die künftige Behandlung – typischer Alterserkrankungen erweisen könnte.

Der französische Biochemiker Louis Maillard untersuchte im Jahr 1912, warum Milch sich braun verfärbt, wenn sie beim Kochen anbrennt. Maillard beschrieb daraufhin einen komplexen chemischen Prozess, währenddessen Zucker- und Eiweißmoleküle miteinander reagieren und nicht mehr abbaubare langkettige Verbindungen, so genannte Glykierungsendprodukte, bilden. Die als "Maillard-Reaktion" bekannt gewordene chemische Reaktion führte lange ein Schattendasein in der biomedizinischen Forschung und wurde nur in der Lebensmittelchemie beachtet. Auch Maillard selbst hat vor fast 100 Jahren wohl kaum geahnt, dass er einen Vorgang entdeckt hatte, der heute als eine Ursache für die Chronizität von Erkrankungen in den Wohlstandsgesellschaften des 21. Jahrhunderts gilt.


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Erst in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurde erkannt, dass solche Glykierungsreaktionen nicht nur Brot eine braune Kruste, gebratenen Hähnchen eine knusprige Haut oder Bier seine goldgelbe Farbe verleihen, sondern auch im menschlichen Körper stattfinden. Der so genannte HbA1c-Wert etwa – er wird bei Patienten mit Diabetes mellitus als Maß für die Güte der Blutzuckereinstellung gemessen – spiegelt nichts anderes wider als das Ausmaß einer frühen Glykierungsstufe des sauerstofftragenden Moleküls Hämoglobin. Je höher der HbA1c-Wert ist, desto mehr Hämoglobin hat mit Zucker reagiert und umso schlechter ist die Blutzuckereinstellung des Patienten. Dem Arzt gibt dieser Wert wichtige Informationen über den Erfolg der blutzuckersenkenden Behandlung. Glykierungsreaktionen können nicht nur Hämoglobin, sondern alle Proteine des Körpers betreffen. Aus "frühen" Glykierungsprodukten entstehen durch weitere Reaktionen "fortgeschrittene" Glykierungsendprodukte. Sie werden in der biochemischen Fachsprache als "Advanced Glycation Endproducts", kurz AGEs, bezeichnet. Ursprünglich nahmen die Wissenschafter an, dass die AGE-Bildung bevorzugt bei Proteinen mit langer Lebensdauer erfolgt. Es zeigte sich jedoch, dass AGE-Modifikationen auch bei kurzlebigen Proteinen, kleinen Eiweißen (Peptiden), Fettbestandteilen und Nukleinsäuren auftreten können.

Heute werden AGEs auf Grund einer Reihe von Beobachtungen mit zahlreichen natürlichen und krankhaften Vorgängen in Verbindung gebracht. Man hat beispielsweise beobachtet, dass AGEs bei Patienten mit Diabetes mellitus, Urämie (Harnvergiftung) und Alzheimer Demenz verstärkt auftreten. Während des normalen Alterungsprozesses wird ebenfalls eine verstärkte AGE-Bildung beobachtet: Mit zunehmenden Alter nimmt die Menge an AGEs im Bindegewebe zu. Vergleicht man verschiedene Spezies mit unterschiedlicher Lebenserwartung, zeigt sich eine Korrelation der Lebensdauer mit der Rate der AGE-Bildung. Besonders eindrucksvoll ist die altersabhängig verstärkte AGE-Bildung in Lyophylisaten von Sehnen zu beobachten: Im Kindesalter sind sie weiß, in der ersten Lebenshälfte gelb und im fortgeschrittenen Alter braun – eine Folge der erstmals von Maillard beschriebenen Bräunungsreaktion. Die langsam verlaufende AGE-Bildung wird deshalb auch als "chemische Zeituhr" des Körpers betrachtet.


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Unverstanden blieb zunächst, ob die Glykierung von Proteinen und anderen Molekülen nur eine Art Markierung für alte, nicht mehr funktionsfähige Zellbestandteile ist, die dem Abbau durch Makrophagen (Fresszellen) zugänglich gemacht werden sollen. Unklar war auch, ob glykierte Eiweiße selbst dazu in der Lage sind, Alterungs- und Krankheitsprozesse zu beeinflussen. Da es außer dem Abbau durch Makrophagen keine körpereigene Möglichkeit gibt, die AGE-Bildung wieder rückgängig zu machen, verändert die Glykierungsreaktion das betroffene Molekül dauerhaft: Es verändert oder verliert seine Funktion. Einmal glykierte Eiweiße können ihren normalen Aufgaben im Körper nicht mehr nachgehen, da sie durch die Bräunungsreaktion in ein grobmaschiges Netz eingebunden werden. Die großen, quervernetzten und sperrigen Eiweiße können sich zudem leicht in Blutgefäßen ablagern und so die Bildung arteriosklerotischer Plaques fördern. Ob diese schädigenden Einflüsse aber ausreichend für die Entstehung schwerer chronischer Erkrankungen sind, wurde von den Wissenschaftlern lange bezweifelt.


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Besonders wichtig für das Verständnis der Wirkweise der AGEs war die Entdeckung des Rezeptors "RAGE" (= Rezeptor für AGE). Er kommt auf nahezu allen Zellen des menschlichen Organismus vor und ist fähig, fast alle bisher untersuchten AGEs zu erkennen und an sich zu binden. Rezeptoren sind Eiweißmoleküle, die in der Membran von Zellen so verankert sind, dass ein äußerer (extrazellulärer) Teil aus der Zelloberfläche herausragt, während ein innerer (zytoplasmatischer) Teil zur Zellmitte weist. Der extrazelluläre Anteil des Rezeptors erkennt bestimmte Moleküle, beispielsweise AGEs, bindet diese "Liganden" und informiert so die Zelle über die Anwesenheit der gebundenen Substanzen. Rezeptoren arbeiten also wie hochempfindliche "Antennen" eines komplexen Nachrichtensystems, das die Zelle mit Informationen aus ihrer Umwelt versorgt.

Werden AGEs von RAGE gebunden, leitet der Rezeptor die Information in das Zellinnere weiter. Mit Hilfe seines zytoplasmatischen Teils sendet der Rezeptor entweder selbst Signale aus oder er veranlasst Proteine dazu, dies zu tun. RAGE bedient sich dabei eines sehr schnellen und effizienten Weges der Signalübertragung: Er setzt reaktive Sauerstoffmoleküle im Innern der Zelle frei. Diese Moleküle können Enzyme, so genannte Kinasen, dazu anregen, Phosphatgruppen auf andere Moleküle zu übertragen. Auf diese Weise wird ein Stafettenlauf im Zellinneren initiiert, der mit Hilfe der "Phophat-Post" Informationen schnell zur Exekutive weiterleitet.


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Eine besonders schnell handelnde Exekutivtruppe der Zelle sind die "Transkriptionsfaktoren". Sie "ruhen" im Zytoplasma von Zellen. Erhalten sie jedoch durch die Übertragung einer Phosphatgruppe ihr spezifisches Einsatzsignal, werden Transkriptionsfaktoren innerhalb von Sekunden aktiv und wandern in das Innere des Zellkerns. Dort rufen sie Informationen ab, die im Erbmaterial verschlüsselt vorliegen und als Bauplan für Proteine benötigt werden. Besonders geeignet für einen solch schnellen Einsatz ist ein Transkriptionsfaktor namens NF-kB. Er wird aktiv, sobald die Zelloberfläche verletzt wurde, etwa durch eindringende Bakterien oder Viren, und kann schneller als jeder andere Transkriptionsfaktor die Abwehr organisieren.

Dieser besondere Transkriptionsfaktor kann auch durch AGEs aktiviert werden, die an RAGE binden. Dadurch werden Abwehr- und Entzündungsreaktionen ausgelöst – eine Beobachtung, die zu einem völlig neuen Verständnis der pathophysiologischen Bedeutung von Glykierungsreaktionen führte.

Die Frage nach den Folgen eines durch RAGE ausgelösten permanenten "Notrufs" im Innern von Zellen ist ein wichtiger Forschungsschwerpunkt unserer Arbeitsgruppe. Wir konnten nachweisen, dass sich das Signal, das nach AGE-Bindung in das Zellinnere vermittelt wird, von allen andern bisher bekannten zellulären Signalen unterscheidet: Während andere Rezeptoren den Transkriptionsfaktor NF-kB nur für einige Stunden aktivieren, können Liganden, die an RAGE binden, dies für Wochen tun. Da RAGE zudem selbst zu den Proteinen gehört, deren Herstellung durch NF-kB ausgelöst wird, werden im Sinne einer positiven Rückkopplung zahlreiche neue RAGE-Moleküle synthetisiert und in die Zellwand eingebaut. Dadurch vergrößert sich die Zahl der RAGE-Moleküle auf der Zelloberfläche ständig. Überraschenderweise erkennt RAGE nicht nur AGEs, sondern auch andere Substanzen, die bei chronisch entzündlichen und altersbedingten Erkrankungen im Körper gebildet werden. Dazu zählt ein als b-Amyloid bezeichnetes Peptid. Es findet sich verstärkt im Gehirn von Patienten mit Alzheimer Demenz. Auch so genannte S100-Proteine werden verstärkt von Entzündungszellen hergestellt. Alle von RAGE erkannten Liganden bewirken eine über Wochen andauernde Aktivierung der Zellen. Entsprechend sind Zellen, die solchen Gefahrstoffen ausgesetzt sind, ununterbrochen in einem unnatürlich stimulierten Zustand, der die Zelle letztlich schädigt.


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Zusammen mit Laboratorien des Deutschen Krebsforschungszentrums und der Columbia Universität in New York wurden mittlerweile Tiermodelle entwickelt, die eindeutige Antworten auf die Frage geben sollen, wie bedeutend die RAGE-vermittelte Signalgebung tatsächlich für die Entstehung chronischer Erkrankungen ist. Dazu wurde ein RAGE-Rezeptormolekül hergestellt, das zwar seine Liganden bindet, aber nicht in der Zellmembran verankert ist. Dieses "lösliche RAGE" kann eingesetzt werden, um zu verhindern, dass Liganden im Organismus an ihren zellulären Rezeptoren binden: Lösliches RAGE fängt die Liganden vorher ab. Unsere Untersuchungen und die der Arbeitsgruppe von David Stern in New York zeigten, dass sich der Gesundheitszustand von Mäusen, die an Diabetes mellitus, Arteriosklerose, Alzheimer Demenz, Morbus Crohn und anderen chronisch-entzündlichen Krankheiten litten, deutlich besserte, wenn ihnen lösliches RAGE verabreicht wurde. Parallel dazu konnte unsere Arbeitsgruppe nachweisen, dass lösliches RAGE geeignet ist, die chronische NF-kB-Aktivierung in Mäusen mit Diabetes mellitus und entzündlichen Darmerkrankungen zu mindern. So verblüffend und ermutigend diese Ergebnisse auch sind – sie lassen noch nicht eindeutig darauf schließen, dass RAGE und die von RAGE abhängige NF-kB-Aktivierung eine zentrale Rolle bei der Entstehung chronischer Erkrankungen spielt. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass lösliches RAGE die Liganden von anderen Rezeptoren fernhält, die möglicherweise ebenfalls zur Entstehung chronischer Erkrankungen beitragen.

Um diese Zusammenhänge besser untersuchen zu können, haben wir gemeinsam mit Bernd Arnold vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg so genannte RAGE-Knock-out-Mäuse gezüchtet. Diesen Mäusen fehlt die Erbinformation, die für den Bau des RAGE-Moleküls erforderlich ist. Zur Zeit untersuchen wir mit Hilfe dieser Mäuse, ob das Fehlen von RAGE vor chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Arteriosklerose und Alzheimer Demenz schützt.

Die Ergebnisse der ersten Versuchsreihen bestätigen die Daten, die mit löslichem RAGE erzielt wurden. Mäuse, denen RAGE fehlt, erkranken zwar an Diabetes, scheinen aber vor diabetischen Spätschäden besser geschützt als Mäuse, die RAGE besitzen. Die durch Diabetes ausgelöste Nierenschädigung ist innerhalb der ersten Wochen in RAGE-Knock-out-Mäusen beispielsweise vermindert. Auch eine durch Diabetes vermittelte chronische NF-kB-Aktivierung in peripheren Nerven (die möglicherweise zur diabetischen Neuropathie, Nervenentzündung, beiträgt) bleibt in Mäusen, denen RAGE fehlt, aus. RAGE-Liganden bewirken zudem nur im Darm von Mäusen, die über RAGE verfügen – nicht aber in RAGE-Knock-out-Mäusen –, eine vermehrte NF-kB-Aktivierung und eine nachfolgende Entzündungsreaktion. Schließlich haben wir erste Hinweise darauf, dass Mäuse, denen RAGE fehlt, im Alter schlank bleiben und "erfolgreicher" altern als Mäuse, die RAGE besitzen. Diese Experimente belegen erstmals, dass RAGE tatsächlich eine zentrale Rolle als "Masterswitch" bei verschiedenen Erkrankungen spielt.

Ist erst die genaue Funktion von RAGE im gesunden wie im kranken Organismus erkannt, wird es eines Tages vielleicht möglich werden, Medikamente zu entwickeln, die die von RAGE abhängige Nachrichtenübermittlung bei Patienten mit chronisch-entzündlichen und altersbedingten Krankheiten teilweise oder sogar vollständig ausschalten können.

Eine andere wichtige Frage ist, ob eine von RAGE abhängige, dauerhafte Zellaktivierung tatsächlich bei Patienten beobachtet werden kann, die an chronischen Erkrankungen leiden. Aus Untersuchungen an Zellkulturen und Mäusen wissen wir, dass RAGE auf nahezu allen Zellen des Körpers vorkommt. Da auch RAGE-Liganden wie AGEs und S100-Proteine – sie werden bei chronischen Erkrankungen freigesetzt – im ganzen Körper zu finden sind, sollten sie nicht nur in Zellen von Geweben und Organen, sondern auch in Zellen des menschlichen Blutes eine Reaktion auslösen. Es wurden deshalb Methoden entwickelt, um aus Blutproben Blutzellen zu gewinnen und so aufzuarbeiten, dass festgestellt werden kann, ob es in Gegenwart von RAGE-Liganden zu einer Reaktion in den Zellen kommt, die mit der Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-kB endet.

Bisher konnten wir nachweisen, dass in Blutzellen von Patienten mit Diabetes mellitus und im Darm von Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen NF-kB vermehrt und dauerhaft aktiv ist. Diese Daten werden durch Tiermodelle bestätigt: Mäuse, die RAGE besitzen und an Diabetes mellitus oder entzündlichen Darmerkrankungen leiden, zeigen eine deutlich vermehrte NF-kB-Aktivierung; in Mäusen, denen RAGE fehlt, ist diese NF-kB-Aktivierung vermindert. Obgleich bisher noch kein Patient beschrieben wurde, dem RAGE vollständig fehlt, sind in den letzten Jahren einige Patienten identifiziert worden, deren Erbinformation für RAGE verändert ist. Diese Veränderungen (Polymorphismen) beeinflussen die Funktion von RAGE. Ein Polymorphismus im RAGE-Gen bewirkt, dass ein falscher Baustein in das RAGE-Molekül eingesetzt wird – die Bindung von RAGE-Liganden an ihren Rezeptor ist dann verstärkt. Eine erste klinische Studie weist nach, dass Patienten, die diese spezielle Genveränderung aufweisen, häufiger an rheumatoider Arthritis erkranken und unterstützt die Hypothese einer zentralen Rolle von RAGE bei der Entstehung chronischer Erkrankungen. Sie macht aber zugleich deutlich, dass es noch ein langer Weg sein wird, die im Tiermodell gewonnenen Erkenntnisse in die Klinik zu übertragen.

Verschiedene Versuchsreihen haben dokumentiert, dass es möglich ist, eine durch AGE, RAGE und Sauerstoffradikale ausgelöste überschießende NF-kB-Aktivierung in Zellen mit Medikamenten zu kontrollieren. Überraschenderweise zeigten weitere Studien, dass nicht nur Arzneimittel, sondern auch durch Akupunktur erzeugte Entspannung, Wohlbefinden und Zufriedenheit oder ein Glas Rotwein den oxidativen Stress vermindern. Vermehrter Stress hingegen und eine ungesunde Lebensweise erhöhen die NF-kB-Aktivität. Besonders bei Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus könnte psychischer Stress ein bislang unterschätzter Risikofaktor sein. Deshalb soll in den nächsten Jahren untersucht werden, ob es möglich ist, die NF-kB-Aktivierung durch eine psychotherapeutische Betreuung zu mindern und dadurch diabetische Spätkomplikationen bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 zu reduzieren.

Dies scheint umso wichtiger, weil neue Untersuchungen einen bisher unbekannten Zusammenhang zeigen: Die via "Phosphat-Post" übermittelten Nachrichten erreichen nicht immer nur den eigentlichen Empfänger NF-kB. Sie können auch an andere zelluläre Adressen weitergeleitet werden. Besonders häufig ist der falsche Adressat ein Protein namens IRS-1. Es befähigt Zellen dazu, auf das Blutzucker senkende Hormon Insulin zu reagieren. Insulin bindet dazu an Rezeptoren, die mit Hilfe von IRS-1 den Auftrag zur Zuckerumsetzung in das Zellinnere schicken. Hat IRS-1 zuvor aber die für NF-kB bestimmte Phosphatnachricht empfangen, ist es nicht mehr fähig, die vom Insulinrezeptor ausgehende Nachricht aufzunehmen. Die Folge: Die Zellen reagieren nicht auf Insulin; der von den Zellen aufgenommene Zucker wird nicht verarbeitet, obwohl Insulin vorhanden ist. Dieser Zustand wird als "Insulinresistenz" bezeichnet. Einzelne Gewebe können im Falle einer Insulinresistenz ein Notfallprogramm veranlassen und Zucker auch ohne Insulin umsetzen. Wie die meisten Notfallprogramme der Zelle geht jedoch auch diese Maßnahme mit der Freisetzung von Sauerstoffradikalen einher. Diese aktivieren den Transkriptionsfaktor NF-kB und verstärken die AGE-Bildung. Eine Insulinresistenz unterstützt also die AGE-Bildung ebenso wie die RAGE-abhängige und -unabhängige NF-kB-Aktivierung. Eine Minderung der durch Stress ausgelösten NF-kB-Aktivierung bei Diabetikern könnte daher auch eine Minderung der Aktivierung der AGE-RAGE-NF-kB-Achse bewirken. Ziel unserer Forschung ist daher nicht nur, RAGE besser zu verstehen, um Medikamente zu entwickeln, mit denen chronisch-entzündliche und altersbedingte Erkrankungen behandelt werden können. Es gilt auch zu untersuchen, wie veränderte Lebensgewohnheiten genutzt werden können, um die krankheitsrelevante Aktivierung der AGE-RAGE-NF-kB-Achse zu vermeiden.

Autoren:
Dr. Angelika Bierhaus und Prof. Dr. Peter Nawroth,
Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik,
Abteilung Innere Medizin I,
Bergheimer Straße 58,
69115 Heidelberg,
Telefon (0 62 21) 56 47 52, Fax (0 62 21) 56 52 26 und 56 47 54

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