Junger Heidelberger Wissenschaftler trifft weltberühmten Linguisten
Großer Auftritt, große Ehre: Der Heidelberger Anglist Michael Schiffmann hielt in Oldenburg anlässlich einer Preisverleihung die Laudatio für Noam Chomsky.
„Ein bisschen verwickelt“ nennt Michael Schiffmann, der im August an der Universität Heidelberg promoviert wurde, seine Geschichte. Vor einigen Wochen hat er eine Laudatio gehalten, die nicht unwichtig war – denn geehrt wurde Noam Chomsky, der vermutlich einflussreichste Linguist und meistzitierte lebende Gelehrte der Welt. Chomsky bekam für sein politisches Engagement und seine scharfe Kritik an der Außenpolitik aller US-Regierungen seit Lyndon B. Johnson den Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg. Und freute sich über die Worte des Laudators. Kein Wunder: Kaum jemand in Deutschland kennt seine Arbeiten so gut wie Schiffmann.
Dabei hatte der Heidelberger, der nach seinem Abitur längere Zeit als Erzieher arbeitete, zunächst nur sehr wenig mit Sprachwissenschaft zu tun. Doch die Bücher von Noam Chomsky, erst die politischen Pamphlete, dann auch die wissenschaftlichen Werke, hatten es ihm angetan. Um Chomsky besser zu verstehen, begann Schiffmann, eine seiner Vorlesungsreihen zu übersetzen: „Ich wollte es genau wissen“, erklärt er seinen ungewöhnlichen Einsatz. Noch bevor er 1995 mit seinem Studium der Anglistik und Allgemeinen Sprachwissenschaft begann, hatte er das Buch „Probleme sprachlichen Wissens“ von Chomsky übersetzt. „Es sollte für gebildete Laien verständlich sein“, sagt Schiffmann – und es wurde gedruckt.
Begegnet war Michael Schiffmann dem Vater der „generativen Grammatik“ bereits 1986 während eines Kongresses – ein Erlebnis, das ihn sehr beeindruckte. Einige Jahre später hörte er ihn auch in Hamburg und in Zürich sprechen. Bald darauf nahm er Kontakt zu Chomsky auf, denn der ersten Übersetzung folgten weitere, die Schiffmann neben seinem Studium anfertigte. „Wenn du dem heute einen Brief schreibst, dann kriegst du in zwei bis drei Wochen eine genauso ausführliche Antwort“, erzählt Schiffmann begeistert. Zugänglich, freundlich und humorvoll sei Chomsky – und „always on the side of the underdogs“.
Gute Voraussetzungen also, um eine Laudatio zu halten. Doch als Eckard Spoo, eines der Jury-Mitglieder für den Carl-von-Ossietzky-Preis, Michael Schiffmann bat, die ehrenden Worte bei der Preisverleihung zu sprechen, „da habe ich mich gefragt, was zum Teufel ich da sagen will“, erzählt der Heidelberger Linguist. „Ich wollte in der Laudatio etwas rüberbringen von seinem Weltbild, von seiner Sprachphilosophie und seinem politischen Wissen“. Und machte sich an die Arbeit – parallel zu seiner Vorbereitung auf die Promotionsprüfungen und parallel zur Endphase seiner jüngst erschienenen, mit ausführlichen biographischen Anmerkungen versehenen Textauswahl „absolute Noam Chomsky“. Das Ergebnis: ein Text, in dem Michael Schiffmann die Entwicklung Noam Chomskys nachzeichnet und auch die Frage nach dem „Chomsky-Problem“ aufwirft – „die Frage nach der Verbindung zwischen dem Wissenschaftler Chomsky und dem verantwortungsbewussten Intellektuellen und sozialen Aktivisten“.
Dass er während seiner Laudatio „sehr aufgeregt“ war, gibt Michael Schiffmann unumwunden zu. Doch fügt er gleich hinzu, dass er die Preisverleihung genossen habe. Zumal sich Chomsky viel Zeit genommen habe für Gespräche und auch für ein langes Interview, das er mit ihm führen konnte. Was Schiffmann besonders freut: „Vor Chomskys Abflug haben wir noch Pläne für gemeinsame Projekte geschmiedet.“ Mehr wird vorerst aber nicht verraten.
Im Wintersemester 2004/05 bietet Michael Schiffmann am Anglistischen Seminar zwei Seminare zu den sprachwissenschaftlichen Theorien Chomskys an.