Von Oliver Fink
Zum begonnenen Sommersemester wurde die Leitung des Marsilius-Kollegs in neue Hände gelegt: Auf die beiden Gründungsdirektoren, den Soziologen Wolfgang Schluchter und den Virologen Hans-Georg Kräusslich, folgen der Biologe Thomas Rausch und der Historiker Bernd Schneidmüller. Prof. Dr. Thomas Rausch (Jahrgang 1953) lehrt und forscht am Centre for Organismal Studies Heidelberg; zwischen 2010 und 2013 wirkte er an der Ruperto Carola als Prorektor für Forschung. Der Mediävist Prof. Dr. Bernd Schneidmüller (Jahrgang 1954) war als Fellow bereits 2009/2010 Teil des Marsilius-Kollegs. Was in den kommenden Monaten zu tun sein wird und wie es nach 2017 mit diesem „Institute of Advanced Study“ weitergehen könnte, erklären die beiden Wissenschaftler hier im Interview:
Worin bestehen die Aufgaben der Direktoren am Marsilius-Kolleg?Schneidmüller: „Der Name gibt schon einen wichtigen Hinweis: Es handelt sich um ein Kolleg. Und von daher gibt es keine festen Hierarchien. Die Aufgabe der Direktoren wird zum Beispiel sein, Motivation herzustellen. Ich würde meinen Job auch als sehr stark moderierend ansehen.“
Rausch: „Moderierend – und vielleicht auch provozierend. Eine provokative Bemerkung, etwa bei den regelmäßigen Diskussionen mit den Fellows, kann durchaus Teil einer guten Moderation sein. Zudem müssen wir – gerade mit Blick auf die Zukunft – für dieses Kolleg und seine Arbeit innerhalb und außerhalb der Universität werben.“
Für Sie beide ist das Marsilius-Kolleg kein unbekanntes Terrain. Sie, Herr Schneidmüller, waren bereits Fellow. Sie, Herr Rausch, haben nicht zuletzt als Prorektor für Forschung die Entwicklung dieser Einrichtung aufmerksam verfolgt. Was schätzen Sie an diesem Kolleg besonders?
Schneidmüller: „Ich denke, es ist eine faszinierende Mischung aus Freiraum und Anstrengung, die hier zu beobachten ist. Außerdem herrscht – so habe ich das jedenfalls als Fellow empfunden – eine großartige Kollegialität. Es wird viel über Interdisziplinarität geredet, aber sie auszugestalten ist eine besondere Herausforderung.“
Rausch: „Das ist in der Tat eine sehr schöne Spanne – zwischen Freiraum, Anstrengung und auch Zielorientierung. Das trifft es sehr gut. Im Hinblick auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit liegt mir insbesondere daran, mit den Kollegiaten zusammen herauszubekommen, nach welchen Kriterien wir eigentlich die Qualität dessen messen können, was wir hier produzieren. Das ist eine sehr anspruchsvolle und bislang keineswegs beantwortete Frage, die nicht nur das Marsilius-Kolleg betrifft.“
Seit Gründung hat sich am Marsilius-Kolleg eine feste Struktur mit verschiedenen Instrumenten für den interdisziplinären Dialog und die Zusammenarbeit herausgebildet, dazu gehören die Fellows und die Marsilius-Projekte, aber auch die öffentlichen Veranstaltungen und die Marsilius-Studien. Gibt es Ihrerseits Planungen, hieran etwas zu ändern oder zu ergänzen?
Neue Direktoren: der Historiker Bernd Schneidmüller (links) und der Biologe Thomas Rausch. | Foto: Tobias Schwerdt |
Rausch: „Ich denke, die Grundstruktur, auf welche Weise wir in die Universität aber auch in die Öffentlichkeit hineinwirken, wie hier verschiedene Fachkulturen vernetzt und Kolleginnen und Kollegen an einen Tisch gebracht werden, ist so gut und erfolgreich, dass wir sie allenfalls aktualisieren müssen. Wir werden sicherlich hier und da ein paar andere Akzente setzen. Eine Agenda aber für eine regelrechte Neugestaltung haben wir nicht, da eine solche gar nicht notwendig ist.“
Schneidmüller: „Volle Zustimmung. Wichtig ist mir, dass wir auch weiterhin im Kolleg die Idee der Volluniversität thematisieren und nach außen tragen. Das Marsilius-Kolleg ist ja geradezu ein Werbeträger für die Idee der Volluniversität, wie sie im Zukunftskonzept der Universität Heidelberg charakterisiert wird.“
Im Oktober 2017 endet die Förderung des Zukunftskonzepts im Zuge der Exzellenzinitiative. Gibt es ein Konzept zur Weiterführung des Marsilius-Kollegs für die Zeit danach?
Rausch: „Wir sind zunächst einmal sehr glücklich darüber, dass das derzeitige Rektorat dem Marsilius-Kolleg eine ganz große Bedeutung über 2017 hinaus zuweist. Das ist schon mal ein sehr wichtiges Zeichen. Was die Frage der Finanzierung angeht, da gibt es verschiedene Möglichkeiten – vom Engagement privater Stifter bis hin zur Förderung durch die öffentliche Hand. Was wir persönlich für eine Weiterführung tun können, das werden wir tun.“
Schneidmüller: „Natürlich ist es unsere Aufgabe, dieses Datum klar zu fokussieren. Wie das dann im Einzelnen geschieht, wird man allerdings abwarten müssen, weil wir die Parameter noch nicht kennen. Dem Kolleg ist ja von seiner Struktur her eine doppelte Entfaltung in die Wiege gelegt. Zum einen gibt es die projektunabhängige und grundlegende Diskussion zwischen den Fellows – also den Freiraum, die Spielwiese, wenn Sie so wollen. Zum anderen die ehrgeizigen Marsilius-Projekte, in denen zielgerichtet große Fragen mit gesellschaftlicher Relevanz konkret angegangen werden. Wie diese Balance zwischen dem Marsilius-Kolleg als Plattform des Austauschs und Dialogs auf der einen und sachbezogener Förderung von einzelnen Projekten auf der anderen Seite zukünftig aussieht, das wollen wir in den nächsten Jahren erarbeiten.“
Und was sind für Sie die Glanzlichter in den kommenden Monaten?
Rausch: „Bei mir gibt es da ganz bescheidene Vorfreuden: Neugierde vor allem auf die Diskussionsrunden, an denen ich ja, im Gegensatz zu Herrn Schneidmüller, noch nie teilgenommen habe.“
Schneidmüller: „Ich freue mich darauf, dass jetzt meine Montage im Sommersemester sinnvoll verplant sind. Es wird sicherlich eine stimulierende Diskussion werden. Wir kennen die neuen Kollegiatinnen und Kollegiaten bereits, aber wir wissen nicht, wie sie zusammenarbeiten. Und diese Spannung, wie sich so eine Gruppe entwickelt und neue Themen generiert, das ist immer etwas Wunderbares.“
www.marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de
Siehe auch: „Marsilius-Kolleg: Zwei neue Direktoren und eine neue Fellow-Klasse“