Mit großem Erfolg haben die Teilchenphysiker der Universität Heidelberg Forschungsgelder für ihre Arbeiten am weltweit größten und stärksten Teilchenbeschleuniger eingeworben, dem Large Hadron Collider (LHC) bei Genf. In den kommenden drei Jahren stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mehr als neun Millionen Euro für die Arbeiten unter dem Dach der drei LHC-Experimente ATLAS, ALICE und LHCb zur Verfügung; Unterstützung für begleitende Theorieprojekte wurde ebenfalls bewilligt.
Nach zweijähriger Pause ist der am Europäischen Kernforschungszentrum CERN betriebene Large Hadron Collider inzwischen wieder angelaufen und liefert seit Anfang Juni neue Daten. „Die vergangenen zwei Jahre waren geprägt von harter Ausbauarbeit“, schildert Prof. Dr. Hans-Christian Schultz-Coulon vom Heidelberger Kirchhoff-Institut für Physik. Nun ist der LHC mit erhöhter Energie, einem verbesserten Beschleuniger und verbesserten Experimenten an den Neustart gegangen: Mit der Rekordenergie von 13 Tera-Elektronenvolt (TeV) kollidieren wieder regelmäßig Protonen in den Teilchendetektoren; und die CERN-Physiker erhoffen sich neben zusätzlichen Erkenntnissen über das 2012 am LHC entdeckte Higgs-Teilchen weitere überraschende Einblicke in die Teilchenwelt. „Mit den vom BMBF bewilligten Mitteln können die Physiker der Universität Heidelberg weiter an dieser Forschungsreise teilnehmen und ihre bisher sehr erfolgreiche Arbeit fortsetzen“, betont Prof. Dr. Ulrich Uwer vom Physikalischen Institut der Ruperto Carola.
Am CERN und seinen Experimenten sind mehr als 10 000 Forscherinnen und Forscher aus über 80 Nationen beteiligt, darunter auch zahlreiche Studierende und Doktoranden. Die Arbeiten sollen dazu beitragen, fundamentale Fragestellungen zu den Bausteinen der Materie und ihrer Rolle bei der Entstehung unseres Universums zu beantworten. So versuchen die Wissenschaftler des ATLAS-Experiments (Grafik: CERN) die Frage nach dem Ursprung der Teilchenmasse zu beantworten und die Natur der Dunklen Materie zu ergründen. Die Forscher der ALICE-Kollaboration analysieren die Eigenschaften des sogenannten Quark-Gluon-Plasmas, aus dem das Universum kurz nach dem Urknall möglicherweise bestand. Im Mittelpunkt der LHCb-Forschungen steht das unterschiedliche Verhalten von Materie und Antimaterie, das Grundlage für die Existenz unserer Welt ist.
In Deutschland ist die Förderung für die LHC-Experimente in vier Forschungsschwerpunkten (FSP) des BMBF strukturiert. Darin eingebunden sind mehr als 20 Universitäten und Forschungseinrichtungen mit einer Vielzahl von Arbeitsgruppen. In den kommenden Jahren werden drei dieser Forschungsverbünde von Heidelberger Physikern geleitet. FSP-Sprecher sind Prof. Dr. Johanna Stachel für ALICE, Prof. Uwer für LHCb und von Mitte 2016 an Prof. Schultz-Coulon für ATLAS. Zu den leitenden Wissenschaftlern gehören außerdem Prof. Dr. Stephanie Hansmann-Menzemer, Prof. Dr. Tilman Plehn und Prof. Dr. Andre Schöning.
Campus-Report-Interview zum Thema mit Prof. Hans-Christian Schultz-Coulon (mp3)
Campus-Report-Interview Teil zwei mit Prof. Hans-Christian Schultz-Coulon (mp3)
Mit einem neuen Hochleistungsrechencluster haben sich die Universitäten Heidelberg und Mannheim für die Top-500-Liste der schnellsten Supercomputer der Welt qualifiziert (Symbolbild: Universität Heidelberg): Der sogenannte „bwForCluster MLS&WISO“, der in den molekularen Lebenswissenschaften (MLS) sowie den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WISO) eingesetzt wird, steht mit seinem Produktionsteil auf Platz 297 und dem Entwicklungsteil auf Platz 331 einer Rangliste, die kürzlich auf der International Supercomputing Conference 2015 in Frankfurt vorgestellt wurde. Das System, das auch zur Methodenentwicklung im Bereich des Wissenschaftlichen Rechnens zum Einsatz kommt, wurde mit fünf Millionen Euro vom Land Baden-Württemberg und der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie aus Universitätsmitteln finanziert.
Der „bwForCluster MLS&WISO“ hat eine Leistung von mehreren Tausend Prozessorkernen. Der Produktionsteil, mit dem dauerhafte Rechenkapazität bereitgestellt wird, ist auf das Rechenzentrum der Universität Mannheim und das Universitätsrechenzentrum der Ruperto Carola verteilt. Seine Rechenleistung liegt bei 241,1 TeraFLOP pro Sekunde.
Der Entwicklungsteil bietet dagegen eine flexible, innovative Infrastruktur für die Entwicklung neuer Methoden und Algorithmen; er wird gemeinsam mit dem Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg betrieben und erreicht eine Rechenleistung von 222,7 TeraFLOP pro Sekunde. Beide Komponenten wurden von Unternehmen aus Deutschland und der Schweiz hergestellt. Der „bwForCluster MLS&WISO“ ist Teil der „High Performance Computing“-Strategie des Landes Baden-Württemberg, mit der an vier Universitätsstandorten Hochleistungsrechencluster für strategisch wichtige Forschungsschwerpunkte eingerichtet werden.
Die Top-500-Liste der schnellsten Supercomputer beruht auf dem „LINPACK-Benchmark“, mit dem die Rechenleistung beim Lösen linearer Gleichungssysteme gemessen wird. Bereits kurz nach Lieferung und Aufbau der Hardware-Komponenten konnten sich sowohl der Produktions- als auch der Entwicklungsteil des Rechenclusters der Universitäten Heidelberg und Mannheim für die aktuelle Rangliste qualifizieren. Beide Komponenten des Systems werden in den nächsten Wochen noch für den Betrieb vorbereitet und optimiert. Mit der Freigabe der neuen Ressourcen für die Nutzer ist spätestens zum kommenden Wintersemester zu rechnen.
www.bwhpc-c5.de/wiki/index.php/Category:BwForCluster_MLS%26WISO
Auf einer vierwöchigen Schiffsexpedition in den westlichen tropischen Atlantik will ein internationales Team unter Leitung von Geowissenschaftlern der Universität Heidelberg im Frühjahr 2016 historische Niederschlagsveränderungen in Brasilien untersuchen. Ziel des Projekts SAMBA – das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird – ist es, die Veränderungen der Niederschläge während der vergangenen 150 000 Jahre zu rekonstruieren. „Diese logistisch komplexe Expedition mit dem Forschungsschiff METEOR (Foto: Zentrum für Marine und Atmosphärische Wissenschaften) wird neue Perspektiven für die geowissenschaftliche Forschung an der Ruperto Carola eröffnen“, erklärt der Expeditionsleiter André Bahr vom Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg.
Die Teilnehmer der Schiffsexpedition wollen Wasser- und Sedimentproben im Mündungsbereich von Flüssen entlang der Küste zwischen Rio de Janeiro und Fortaleza entnehmen. „Bisherige Klimarekonstruktionen zeigen, dass gerade Ostbrasilien im Pleistozän und Holozän von extremen Schwankungen in der geographischen Niederschlagsverteilung betroffen war; das führte zu abrupten Wechseln zwischen feuchten und trockenen Perioden, mit entsprechend drastischen Auswirkungen auf die lokale Vegetation“, erläutert André Bahr. Die Schwankungen im Niederschlag hängen wiederum von der Stärke des südamerikanischen Sommermonsuns ab, der durch langfristige Änderungen in der Sonneneinstrahlung und kurzfristige Schwankungen in der Ozeanzirkulation gesteuert wird.
„Wir wissen allerdings noch zu wenig über die Funktionsweise der komplexen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Steuerungsfaktoren“, so Geologe Bahr, „diese sind aber gerade in Bezug auf die zukünftige Klimaentwicklung höchst relevant.“ Die bei der Fahrt eingesammelten Sedimentkerne wollen die Wissenschaftler mit modernsten geochemischen Methoden untersuchen. Kontinentale Klima- und Umweltschwankungen wie etwa Vegetationsänderungen mit Veränderungen in der Ozeanzirkulation in Verbindung zu bringen soll möglich sein, weil die Kerne in Landnähe gewonnen werden – davon erhoffen sich die Forscher neue Einsichten in die Klimadynamik dieser Region.
Die Fahrt findet in enger Einbindung von Projektpartnern der brasilianischen Universitäten Sao Paulo und Rio de Janeiro statt. Zu dem internationalen Team gehören neben Heidelberger Wissenschaftlern Mitarbeiter des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), der Goethe-Universität Frankfurt sowie von Institutionen in Frankreich, Italien, Luxemburg und Kolumbien. Der Projekttitel SAMBA steht für „South American Hydrological Balance and Paleoceanography during the Late Pleistocene and Holocene“.
www.geow.uni-heidelberg.de/forschungsgruppen/friedrich/projekte.html
Für ihren zweisprachigen Audio-Podcast, mit dem sie naturwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Themen auf kurzweilige Art verbinden, sind zwei Studierende der Universität Heidelberg vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ausgezeichnet worden: Für den Monat Juli ernannte der Stifterverband das Projekt „Science Pie“ (Repro: Universität Heidelberg) von Annika Brockschmidt und Dennis Schulz zur „Hochschulperle digital“.
Der deutsch-englische Podcast von Brockschmidt und Schulz liefert „Wissenshäppchen“, die die Grenzen der Disziplinen überschreiten. Um sich etwa dem Thema „Zeitreisen“ zu nähern, ist Albert Einsteins Relativitätstheorie ebenso Teil der Erläuterungen wie der Dichter Johann Wolfgang von Goethe oder das Finanzsystem. Annika Brockschmidt studiert an der Universität Heidelberg Geschichte und Germanistik; Dennis Schulz ist Master-Student an der Ruperto Carola und forscht zu Fragen der Tieftemperaturphysik.
Die Jury des Stifterverbands hob die Eigeninitiative und das Engagement der beiden Heidelberger Hochschüler als vorbildlich hervor. „Die einzelnen Episoden sind professionell produziert und vermitteln Wissenschaft auf eine unterhaltsame Weise“, so das Jury-Lob. Das Projekt „Science Pie“ besteht seit knapp einem Jahr. Neben dem Audio-Podcast bieten Brockschmidt und Schulz einen Blog mit fächerübergreifenden Wissenschaftsthemen an.
Der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft stellt seit Anfang 2015 jeden Monat eine „Hochschulperle digital“ heraus. Damit werden innovative und beispielhafte, digital basierte Projekte gewürdigt, die Lehre, Forschung, Verwaltung oder das studentische Leben an einer Hochschule verbessern. Dabei ist es unerheblich, ob sich die Initiativen speziell an Studierende auf dem Campus richten, sich für eine aktive Zivilgesellschaft einsetzen, innovative Lernformen ermöglichen, Forschung erleichtern oder neue Wege für die Kommunikation, Kooperation und Vernetzung eröffnen.