Bild des Monats, September 2014
|
|
Das linke Bild stammt aus dem neuen Fotoalbum Kriecks im Archiv. Er ist der zweite von links.
Rechts eine Bronzebüste des NS-Rektors. Foto: Volker Thewalt
Rätselhafte Schallplatten, eine Rede auf dem Frankfurter Römer
Das TECHNOSEUM Mannheim half dem Universitätsarchiv Heidelberg beim Plattenfund einer Rede des NS-Rektors Ernst Krieck
Das Universitätsarchiv musste sich jetzt mit einer ungewöhnlichen Anfrage an das TECHNOSEUM in Mannheim wenden. Bei der Aufarbeitung des Teilnachlasses von Ernst Krieck tauchten fünf Schallplatten auf, die wahrscheinlich eine Rede Kriecks als Rektor der Universität Frankfurt (1933-1934) oder Heidelberg (1937-1938) wiedergaben. Allerdings gab es keine Hinweise, um was für eine Rede es sich handelte und wann und wo sie gehalten worden war. Ob die Kollegen vom TECHNOSEUM hier vielleicht technische Hilfe leisten und die Platten abspielen und digitalisieren könnten?
Im Mannheimer Depot zuerst die Erleichterung: Es handelt sich um Schellackplatten, auf die – im Gegensatz zu Schallfolien – das TECHNOSEUM eingerichtet ist. Die nächste Überraschung: Die Platte läuft von innen nach außen, nicht von außen nach innen. Den richtigen Anfang zu finden, erfordert also einiges Fingerspitzengefühl und gute Reflexe, um den Tonarm am Ende rechtzeitig abzufangen. Aber es gelingt: Die Stimme aus der Vergangenheit erklingt. Klärt sich damit auch die Frage nach dem wann und wo?
Leider fehlt die Anmoderation, also sind zunächst technische Besonderheiten wichtig. Dass die Platten nur auf einer Seite Rillen haben und die ungewöhnliche Laufrichtung verweisen auf eine Aufzeichnung eines Reichsrundfunksenders. Hier war dieses Format üblich, es wurde eine Kleinstserie produziert, die dann den einzelnen Rundfunkgesellschaften, aber auch Archiven oder – beispielsweise als besonderes Präsent – Einzelpersonen zur Verfügung gestellt wurde. Zur weiteren Analyse müsste die Aufnahme digitalisiert werden, doch darauf ist das TECHNOSEUM nicht eingerichtet. Erst mit privatem Aufzeichnungsequipment von Bernd Kießling lässt sich die Rede hörbar machen.
Autogeräusche – die Rede wurde im Freien gehalten. Aus Echos von deutlichen Wortendungen lässt sich sogar der Abstand zur nächsten Häuserwand errechnen. Der Redner steht vermutlich auf einem Balkon. Seitlich hinter ihm steht ein Mann, der immer wieder mit trockenem Husten zu kämpfen hat, was allerdings nicht wirklich weiter bringt. Eine Vorlesung in einem Auditorium kann man nun aber ausschließen, womit zum Beispiel die Antrittsvorlesung in Heidelberg ausscheidet.
Im Inhalt finden sich weitere Spuren. Die „alte deutsche Kaiserstadt Frankfurt“ solle in neuem Glanz erstrahlen… Das macht es wahrscheinlich, dass Krieck die Rede in Frankfurt gehalten hat, wo er vor seiner Zeit in Heidelberg als erster nationalsozialistischer Rektor eingesetzt war. Dann gibt es den Verweis auf eine Rede, die Adolf Hitler „gestern“ am Grab Friedrich des Großen gehalten habe. Sollte es sich hierbei um den „Tag von Potsdam“ handeln, den 21.3.1933? Dann wäre die Rede am 22.3.1933 gehalten worden. Eine kurze Internetrecherche zu einem anderen aus der Rede stammenden Stichwort macht die Vermutung zur Gewissheit: der 22.3.1933 war der „Tag des deutschen Buches“. Ende?
Nicht ganz. Wenige Tage später stellt sich heraus, dass Ernst Krieck am 22. März 1933 im Rahmen einer Kundgebung des „Kampfbundes für deutsche Kultur“ eine Rede gehalten hat. Auf dem Frankfurter Römerberg. Das ist also der akustisch analysierte Balkon! Aber wer da im Hintergrund gehustet hat, wird wohl ewig ein Rätsel der Geschichte bleiben ...
Text: Angela Kipp