Bereichsbild
Kontakt

Sammlungsleitung
Prof. Dr. Andrea Jördens
Institut für Papyrologie
Tel. +49 6221 54-2397
andrea.joerdens@zaw.uni-heidelberg.de

Homepage der Sammlung

 
Weiterführende Informationen
SUCHE

Ein Zauberbuch zur Leidensbekämpfung

Die Papyrussammlung und ihr besonderes Objekt

Kurzbeschreibung:

Michaelbuch

Die Papyrussammlung beherbergt Papyri, Pergamente und Hadernpapiere aus Ägypten vorrangig aus einem Entstehungszeitraum von 600 v. Chr. bis 720 n. Chr. Die Texte reichen von literarischen Werken über offizielle Dokumente bis hin zu Zeugnissen der Alltagskultur und befassen sich mit allen Aspekten des Lebens der griechisch-römischen Antike. Gesetzestexte und Gerichtsurteile, Verträge und Rechnungen sind ebenso vertreten wie private Briefe und Notizen oder Kochrezepte. Einen weiteren Teil der Sammlung machen die Ostraka aus, Bruchstücke von Tongefäßen, die mit kurzen Texten, wie z.B. Steuerquittungen, beschriftet wurden. Die Mehrzahl der Schriftstücke ist in griechischer, arabischer und koptischer Sprache abgefasst, darüber hinaus sind auch Texte auf Aramäisch, Hebräisch, Latein und Syrisch sowie in hieratischer und demotischer Schrift vertreten.

Zur Konservierung sind die Papyri zwischen Acrylglasplatten gefasst. Die Stücke lagern wie auch die Ostraka systematisch geordnet in lichtdichten Metallschränken im Institut für Papyrologie.

Umfang der Sammlung:

Die Sammlung umfasst rund 10.600 Stücke. Den größten Teil machen mit 5.300 Exemplaren die griechischen Texte und die 3.200 arabischen Texte aus. Die Zahl der Ostraka beläuft sich auf 760.

Existiert seit:

1897 (seit 1980 eigenständig, davor Unterabteilung der Universitätsbibliothek)

Nutzung in der Lehre:

Die Papyri und Ostraka kommen hauptsächlich für Leseübungen zum Einsatz, etwa für Studierende der Archäologie, der Ägyptologie, der Klassischen Philologie oder der Alten Geschichte.

Nutzung in der Forschung:

Internationale Doktoranden, Gastwissenschaftler oder Mitarbeiter des Sonderforschungsbereiches „Materiale Textkulturen“ greifen vor Ort auf die Bestände der Sammlung zurück. Meist werden die Texte in einem größeren thematischen Zusammenhang untersucht. Dabei kann die Papyrologie Beiträge zu verschiedenen Fächern leisten: Die Texte liefern etwa Althistorikern Einblicke in das Alltagsleben oder ermöglichen Theologen Rückschlüsse auf die Verbreitung des Christentums. Reine Texteditionen sind in der Minderzahl: Bisher sind nur rund 20 Prozent der Papyri publiziert. Dank einer Digitalisierung lässt sich der größte Teil der Bestände auch online recherchieren und weltweit einsehen.

Nutzung als Museum:

Die Papyrussammlung ist kein Museum und damit generell nicht für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Auf Anfrage von interessierten Schulklassen, Studierenden- oder Wissenschaftlergruppen ist jedoch eine Führung möglich. Zudem sollen zwei Vitrinen in der neuen Ägyptologischen Sammlung mit Exponaten aus der Papyrologie bestückt werden.

Das sagt die Sammlungsleiterin, Prof. Dr. Andrea Jördens:

„Unsere Sammlung ist die zweitgrößte ihrer Art in ganz Deutschland, im Hinblick auf die Bestände arabischer Papyri sogar die zweitgrößte weltweit außerhalb Ägyptens – und die Papyrologie nimmt eine wichtige Schlüsselposition ein, weil sie zu allen Fächern, die sich mit der antiken Welt beschäftigten, Erkenntnisse beitragen kann. Leider hat unsere Restauratorin nur eine halbe Stelle und muss sich dabei noch mit vielen Dingen beschäftigen, die nicht zu ihrem Kernaufgabengebiet gehören. Mehr Stunden für eine Restauratorin wären durchaus wünschenswert. Auch die Digitalisierung der Ostraka – die sich bei dreidimensionalen Stücken schwieriger gestaltet – und der kleineren Papyri wäre ein langfristiges Ziel. Nicht zuletzt ließe sich auch die Aufbewahrung der Ostraka noch weiter verbessern.“

Das besondere Objekt:

Michaelbuch
Abbildung des Erzengels Michael im Zauberbuch
(zum Vergrößern klicken)

Mit dem „Michaelbuch“ besitzt die Sammlung ein Zauberbuch aus dem 10. Jh. n. Chr. Das 16-seitige Buch in koptischer Sprache enthält einen Lobpreis auf den Erzengel Michael und andere christliche Mächte und zeigt Möglichkeiten, deren Wirksamkeit nutzbar zu machen. Dazu listet das Michaelbuch 21 Rezepte gegen verschiedene Leiden und Übel wie Krankheit, Missgunst, Ehebruch und Türzauber auf sowie die Opfer, die zu deren Abwehr gebracht werden können. Das Pergament war ursprünglich mit liturgischen Texten beschrieben, die dann entfernt und überschrieben wurden. Neben den magischen Texten zeigt eine Seite auch eine großflächige bildliche Darstellung des Erzengels Michael.

Interessant ist das Zauberbuch aber vor allem auch wegen seiner Sammlungsgeschichte: Es befand sich in den 1930er Jahren bereits in den Heidelberger Beständen, seit 1945 war sein Verbleib jedoch unbekannt. Um 2000 tauchte das Werk wieder auf und wurde vom damaligen Besitzer Museen in London und Berlin angeboten. Dort wurde jeweils die Herkunft aus dem Heidelberger Bestand erkannt und die Ruperto Carola informiert. Bis das Zauberbuch nach Heidelberg zurückgeholt und damit auch vor einem eventuellen „Verschwinden“ in einer Privatsammlung bewahrt werden konnte, verging ein weiteres Jahrzehnt und musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, um den Ankauf zu finanzieren. Als zentrales Stück einer Ausstellung über ägyptische Magie wurde das Michaelbuch schließlich 2011 wieder der Öffentlichkeit vorgestellt.

Tina Schäfer

Dieser Artikel ist in einer gekürzten Fassung im UNISPIEGEL 3/2012 erschienen.
E-Mail: Seitenbearbeiter
Letzte Änderung: 26.02.2013
zum Seitenanfang/up