Theologie > DWI >  Aktuelles >

Auf den Spuren der "friedlichen Revolution" in Leipzig

100 2333

 


Auf den Spuren der „friedlichen Revolution“ bewegten wir uns durch die Stadt Leipzig und ließen das Jahr 1989 vor unseren Augen Revue passieren. Doch was unter dem Stichwort „friedliche Revolution“ im Herbst ’89 bekannt wurde, begann schon viel früher in Leipzig durch riskante Oppositionsgruppen.

 

 

 

Wir begannen unsere Tour an der Nikolaikirche. Hier wurden seit 1982 jeden Montag Friedensgebete veranstaltet, die im Jahr ’89 eine wichtige Rolle bekamen. Im Anschluss an die Gebete versammelten sich die Bürger auf dem Kirchhof und demonstrierten für eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Polizei löste derartige Veranstaltungen auf, indem die Teilnehmenden „zugeführt“ wurden, wie man kurzzeitige Verhaftungen im DDR-Amtsdeutsch betitelte. Die Verhaftungen riefen internationale Proteste hervor, so dass innerhalb weniger Tage Verhaftete freigelassen und Ermittlungsverfahren eingestellt wurden.

Die nächste Station war der Leipziger Marktplatz, wo der „Rechtsstaat DDR“ endgültig seine Glaubwürdigkeit verlor, als im Mai ’89 Wahlbetrug nachgewiesen werden konnte. Bei der Stimmenauszählung konnten Oppositionelle beweisen, dass die Wahl eine Farce war, denn Enthaltungen bzw. Fernbleiben von der Wahl wurden als Prostimmen für die Partei gezählt. Demonstranten und Nichtwähler versammelten sich auf dem Marktplatz und präsentierten dort ihre ungenutzten Wahlberechtigungsscheine als Beweis dafür, dass das veröffentlichte Wahlergebnis nicht stimmen konnte. Kurz darauf, im Juni, hatten Oppositionsgruppen Straßenmusiker in die Innenstadt Leipzigs eingeladen. Diejenigen, die nicht sofort am Bahnhof „zugeführt“ wurden, spielten trotz staatlichen Verbots auf den Straßen. Das plötzliche Auftreten der Volkspolizei, die die Musiker brutal auf Laster lud, erschreckte die Zeugen, und aus unbeteiligten Passanten wurde eine protestierende Menge.

100 2329Die Teilnehmerzahl an den montaglichen Friedensgebeten stieg rapide. Gemeinsam marschierte man im September ’89 über den Leipziger Ring bis zum Augustusplatz, an dem unser Stadtrundgang sein Ende fand. Waren es im September noch 5.000 Menschen, nahmen am 9. Oktober ’89  70.000 Menschen an dem Marsch teil. Die Polizei sah sich überfordert und zog sich zurück. Der friedliche Verlauf dieser Demonstration wurde als Sieg über das Regime empfunden. Auch nach dem Fall der Mauer gingen die Demonstrationen weiter, um für Bürgerrechte und der Entmachtung der SED zu kämpfen.

Der Mut und die Friedlichkeit der Menschen sind beispielhaft, viele Parteigegner wurden verhaftet und erst Ende ’89 freigelassen. Angesichts dieser Ereignisse sollte man nicht vergessen, dass „Ost“ 40 Jahre SED-Diktatur bedeutete und nicht Kult, wie es durch Ostalgie-Shows scheinen könnte, die die Selbstbefreiung und die Aufopferung der Menschen verhöhnen.

 

von Susanne Spalteholz

 

 
Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 29.05.2018
zum Seitenanfang/up