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Besuch des Stasi-Museums in der „Runden Ecke“

 

100 2334Besuch des Stasi-Museums in der „Runden Ecke“.

          Das Erbe der friedlichen               Revolution in Leipzig

 

 

 


 

 

Nach dem Betreten des Eckportals sind wir in der DDR im Herbst 1989 angekommen.
Grund ist das große Banner der Bürgerrechtler und die großen Plakatwände mit Aufnahmen von Leipziger Montagsdemonstrationen. Das Gebäude, in dem 40 Jahre lang die Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit ihren Sitz hatte, beherbergt heute die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“.

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In den Räumen wurde kaum etwas verändert. Man wird von einem grünlich fahlen Licht empfangen. Der rissige Linoleum-Boden, die bräunlichen Tapeten, die Scherengitter an Fenstern und Türen und die alten Heizkörper atmen noch den Mief der 50iger Jahre. Es ist eine schreckliche, beängstigende Biederkeit. Die Agenten und ihre Informanten wollten ihr Regime verteidigen, und dazu war ihnen jedes Mittel recht: Einschüchterung, Bedrohung, Freiheitsentzug, Verleumdung.

 

 

In den ehemaligen Büros der Stasi-Offiziere informierten wir uns über Funktion, Arbeitsweisen und Geschichte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). „Stasi – Macht und Banalität“ ist der Titel der Dauerausstellung. Was könnte banaler sein als die berüchtigten Geruchskonserven in Einweggläsern, die verdorrten Grünpflanzen in den lichtlosen Büros, die handgeknüpften Perücken, die Malkästen für die Maskierung, die Bügelmaschinen für die geöffneten Briefe? Und doch hatte die Staatssicherheit in Leipzig mit ihren 2.400 Mitarbeitern und rund 10.000 Spitzeln die Stadt im Würgegriff.

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Durch die Räume führte uns Irmtraut Hollitzer, selbst viele Jahre Leiterin des Museums, damals schon Mitglied im Bürgerkomittee Neues Forum. Sie erinnerte sich, als sei es gestern gewesen, als Leipziger Bürger 1989 das Gebäude besetzten. „Die Demonstranten standen einer aufgerüsteten Polizei gegenüber und wir fragten uns, ob es einen Bürgerkrieg geben würde und ob die Armee eingreifen würde.“

 

 

Und dann geschah das Wunder von Leipzig: Die Staatsmacht kapitulierte vor einer Menschenmasse, die in den folgenden Monaten immer größer wurde mit viel Wut im Bauch. Am 4. Dezember endlich übernahmen 30 Vertreter des Neuen Forums die Stasi-Zentrale und stoppten die seit Wochen andauernde Aktenvernichtung. „Dem Stasi-Chef ging wohl die Muffe“, vermutet Irmtraut Hollitzer. Und sie ist heute noch dankbar dafür, dass alles gewaltlos über die Bühne ging und ein Großteil der Akten gerettet werden konnte.

Der Rundgang durch die Ausstellung vergegenwärtigte uns Besuchern, wie die SED ihren Überwachungsstaat aufbaute und die DDR-Bürger systematisch ihrer Grundrechte beraubte. Die Sammlung der Gedenkstätte ist in ihrer Geschlossenheit einmalig und umfasst etwa 30.000 zum Teil einzigartige Objekte. Vom originalgetreuen Nachbau einer Zelle aus der Leipziger MfS-Untersuchungshaftanstalt über Geräte zur Postkontrolle und eine Maskierungswerkstatt bis hin zu einer Kollermaschine für die Aktenvernichtung. Ein spezieller Ausstellungsteil befasst sich mit der Todesstrafe in der DDR, die ab 1960 in Leipzig vollstreckt wurde.

Vorbild und Motivation der Stasi war die Tscheka, die erste politische Geheimpolizei der Sowjetunion, die nach der Machtübernahme durch Lenins Bolschewiken entstand. Ein perfides Repressions- und Terrorinstrument zur Machtsicherung. Die Stasi hat allen und jedem misstraut, sogar ihren eigenen Leuten. Mitarbeiter haben sich gegenseitig überwacht, neben der obligatorischen Observation der eigenen Bevölkerung sowie ihrer eigenen Gebäude. Dabei war das Ministerium für Staatssicherheit kein Geheimdienst, auch wenn es sich so sah. Die Stasi war Schild und Schwert der Partei, sprich der SED, und kein Staat im Staate. Die SED war weisungsbefugt. Das Beziehungsgeflecht zwischen Partei- und Stasiorganisation war engmaschig, bis in den privaten Bereich der Kader bzw. Mitarbeiter hinein.

„Wir wollen das Unrecht beim Namen nennen“, unterstrich Irmtraut Hollitzer. „‚Die Runde Ecke’ solle deutlich machen, wie die DDR tatsächlich gewesen ist. Das, was an Unrecht erlebt worden ist, ist belegbar“, fügte Frau Hollitzer hinzu. Das sei eine ganz wichtige Voraussetzung für so eine Ausstellung. In den fast hundertprozentig original erhaltenen Ausstellungsräumen roch es merkwürdig, vermutlich roch es nach DDR. Im Museum in der „Runde Ecke“ wird die bleierne Zeit unter dem alles kontrollierenden kommunistischen Regime beklemmend lebendig.

 

Weiterführender Link:

Museum "In der Runden Ecke"  

von Jürgen Senton

 
Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 29.05.2018
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