Wie sich Zellen des Darms erneuern
Foto: Garcia del Arco / Ehrhardt
Der Darm vieler Organismen muss in der Lage sein, sich selbst zu erneuern, um sich von Stresssituationen wie bakteriellen Infektionen zu erholen. Möglich wird dies durch eine kleine Anzahl von Darm-Stammzellen, die sich lebenslang teilen und Tochterzellen produzieren können. Diese differenzieren aus zu hochspezialisierten Zelltypen des Darms. Wissenschaftlerinnen der Universität Heidelberg haben diese Vorgänge am Modellorganismus der Fruchtfliege untersucht und neue Erkenntnisse zur Rolle der zentromerischen Proteine gewonnen, die maßgeblich die Zellteilung regulieren. Wie die Untersuchungen zeigen, besitzen sie auch eine wichtige Funktion bei der Zelldifferenzierung und Gewebeerneuerung. Die Forschungsergebnisse wurden in der Zeitschrift „Cell Reports“ veröffentlicht.
Die Forscherinnen am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) untersuchten den Mitteldarm von Drosophila melanogaster, der Fruchtfliege. Dieser ist funktionell und strukturell dem des menschlichen Darms sehr ähnlich. Die Teilung der Darm-Stammzellen – der Intestinal Stem Cells – erfolgt hier asymmetrisch: Während eine Tochterzelle undifferenzierte Stammzelle bleibt und sich weiterhin teilt, differenziert sich die andere Zelle aus und verliert ihre Fähigkeit zur Teilung. Ausgangspunkt der Heidelberger Studie war die Beobachtung, dass zentromerische Proteine, die für aktiv teilende Zellen wichtig sind, auch in differenzierten, sich nicht mehr teilenden Zellen des Darms nachweisbar waren.
Dr. Ana García del Arco aus der ZMBH-Forschungsgruppe von Prof. Dr. Sylvia Erhardt fand nun heraus, dass die zentromerischen Proteine ebenfalls asymmetrisch weitergegeben werden: Während ein Protein namens CENP-C in den Stammzellen des Darms verbleibt und nicht in differenzierenden Zellen nachgewiesen werden kann, taucht ein anderes Protein mit der Bezeichnung CENP-A sowohl in den differenzierenden Tochterzellen als auch in den undifferenzierten Stammzellen auf. Dabei werden jedoch nur neu synthetisierte Proteine an die Tochterzellen weitergegeben. Die Proteine, die schon länger in den Zellen existieren, verbleiben in den Stammzellen. Wie das Team von Prof. Erhardt zudem zeigen konnte, sind CENP-A und sein Interaktionspartner CAL1 essentiell für das Überleben der differenzierten Zellen und werden für Regenerationssignale an die Stammzellen benötigt.
Die in Kooperation mit Prof. Dr. Bruce Edgar von der University of Utah in Salt Lake City (USA) durchgeführte Studie zeigt außerdem, dass CENP-A und CAL1 auch bei der Differenzierung von Zellen und bei der Erneuerung von Gewebe zum Tragen kommen, indem sie beispielsweise hochspezialisierte Zellzyklen ohne Zellteilungen regulieren. Wie Prof. Erhardt erläutert, sind äquivalente Proteine, die sich auch beim Menschen finden, häufig in unterschiedlichen humanen Tumoren fehlreguliert.
„Die neu entdeckte Funktion und die asymmetrische Vererbung der zentromerischen Proteine müssen in zukünftigen Studien berücksichtigt werden, um ein besseres Verständnis dieser Faktoren in der Entwicklung von differenziertem Gewebe und der Regeneration durch Stammzellen sowie der Krebsentstehung zu erhalten“, betont die Wissenschaftlerin.