Intelligente Implantate
An der Universität Heidelberg hat ein neues interdisziplinäres Institut an der Schnittstelle der Natur- und der molekularen Lebenswissenschaften, der Materialwissenschaft und des molekularen Engineerings seine Arbeit aufgenommen: Das Institute for Molecular Systems Engineering (IMSE). Die neue Disziplin der Molekularen Ingenieurwissenschaft beschäftigt sich mit Bausteinen in Nanoteilchengröße und konstruiert neuartige Materialien mit verblüffenden Eigenschaften, die zahlreiche interessante Anwendungen ermöglichen: Diese reichen von intelligenten Implantaten, die bei medizinischen Problemen therapeutisch aktiv werden, bis hin zu lichtgesteuerten weichen Robotern, die von lebenden Muskelzellen bewegt werden und mit dem menschlichen Tastsinn ausgestattet sind.
„Ein Ziel unserer Forschung am IMSE, das aber noch reine Zukunftsmusik ist, sind künstliche Gewebe und Implantate, die selbständig – quasi intelligent – auf Veränderungen reagieren könnten“, erklärt Prof. Dr. Christine Selhuber-Unkel, die seit dem 1. Juli 2020 mit ihrer Arbeitsgruppe an dem neuen Institut forscht. Das könnte beispielsweise ein autonom agierendes Implantat sein, das eine bakterielle Infektion frühzeitig als lebensbedrohliche Gefährdung erkennt und darauf unmittelbar mit dem Freisetzen von Antibiotika antwortet. Erste Schritte auf dem Weg zu solchen „vernünftigen“ Materialien gibt es bereits, wie Prof. Selhuber-Unkel erläutert: „Ein Beispiel, das aktuell in meiner Arbeitsgruppe erforscht wird, sind Materialien, die auf einen akuten epileptischen Anfall über eine äußere Steuerung mit der Freisetzung von antiepileptisch wirkenden Medikamenten reagieren.“ Ein weiterer Forschungsbereich der Molekularen Ingenieurwissenschaft ist die Integration lebender biologischer Systeme in die Robotik, was auch zu autonomen Reaktionen von Robotern beitragen könnte. So könnte ein mit dem menschlichen Tastsinn ausgestatteter Pflegeroboter den Kontakt zwischen Mensch und Maschine angenehm und die Kontaktaufnahme zwischen Mensch und Roboter kontrollierbar gestalten.
Das neue Heidelberger Institut bildet einen zentralen Baustein der im Rahmen der Exzellenzstrategie etablierten Flagship-Initiative „Engineering Molecular Systems“, bei der insbesondere Themen mit Anwendungsbezug aus den Natur- und den molekularen Lebenswissenschaften, der Materialwissenschaft und dem molekularen Engineering im Vordergrund stehen. Auf dem Campus Im Neuenheimer Feld entsteht derzeit ein Neubau für das IMSE mit physikalischen, chemischen, materialwissenschaftlichen und molekularbiologischen Laborräumen, dessen Fertigstellung im Laufe des Jahres 2021 geplant ist. Er wird im Süden das Gebäude des Centre for Advanced Materials (CAM) mit dem Neubau für das European Institute for Neuromorphic Computing (EINC) verbinden.
In der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins der Universität Heidelberg RUPERTO CAROLA zum Schwerpunktthema MASCHINE & MENSCH stellt Prof. Selhuber-Unkel ihre Forschungsarbeit am IMSE vor.