icon-symbol-logout-darkest-grey

ProgrammReferenten und Referentinnen der Hauptvorträge

Chakrabarty, Dipesh

The Earth-System as a Matter of Spiritual Concern 

The "earth-system" is explained by geologists as the life-support system of our planet and refers to the multifarious ways in which geological and biological processes on earth work together to create a system-like entity that supports complex forms of life and has done for hundreds of millions of years despite the planet having seen five "great extinctions." This earth-system, they now say, is broken, thanks to the destructive human impact on the planetary environment in the period (c.1950-present) of "the great acceleration" in human and earth-system histories. In this lecture, taking as my point of departure the distinction between the "globe" and the "planet" that I have developed in my previous publications on climate change, and drawing on some "religious" ideas from Indigenous and peasant societies around the world, I will try to explore possible spiritual orientations we may have towards the earth-system/planet in the geological epoch of the Anthropocene. 

Dipesh Chakrabarty teaches History and South Asian Languages and Civilizations at the University of Chicago. He is the author of Provincializing Europe: Postcolonial Thought and Historical Difference (2000; 2007), The Climate of History in A Planetary Age (2021), One Planet, Many Worlds (2023), and other books and articles. 

Prof. Dr. Dipesh Chakrabarty

Gharaibeh, Mohammad

Text, Gemeinde und Gesellschaft - Islamische Theologie aus ideengeschichtlicher Perspektive

Der Islam wird oft als Schriftreligion bezeichnet, welche sich um den Koran herum aufbaut. Diese Annahme ist zwar nicht unberechtigt, übersieht jedoch häufig die Tatsache, dass in fast allen Strömungen des Islam Einzelpersonen bzw. der Gemeinde ebenfalls theologische Autorität zugesprochen wird, die den Koran für Theologie und Glaubenspraxis ergänzen. Und auch wenn Gemeinden in sich eine gewisse Eigendynamik entwickeln, stehen sie doch im Austausch und in Interaktion mit der Gesamtgesellschaft, weswegen sich (die islamische) Theologie nur in einem Wechselspiel zwischen Text, Gemeinde und Gesellschaft denken lässt. Der Vortrag möchte diesen Gedanken aufgreifen, ihn an einem historischen Abriss demonstrieren und eine Perspektive für die islamische Theologie in Deutschland wagen.

Mohammad Gharaibeh ist Professor für Islamische Ideengeschichte am Berliner Institut für Islamische Theologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Forschung nimmt die wechselseitigen Beziehungen zwischen intellektuellem (theologischem) Diskurs und gesellschaftlichem Kontext in den Blick. Dabei legt er den Fokus auf Kanonisierungs- und Zensurprozesse, historische Narrative und Erinnerungsstrategien sowie Dynamiken der Wissensproduktion in Gelehrtennetzwerken.

Prof. Dr. Mohammad Gharaibeh

Guttenberger, Gudrun

Last Generation: das MkEv und sein Chronotop 

Im Mittelpunkt des Beitrags steht eine Skizze des Chronotops des in einer krisengeschüttelten Zeit entstandenen Markusevangeliums. Im hermeneutischen Rahmen des Vortrags wird die Fragestellung der Tagung fokussiert: Es soll zum einen darum gehen, ob an der mk Erzählung Beobachtungen gemacht werden können, die als Impulse für die Erzählung des ein oder anderen unserer ebenfalls als krisenhaft konzipierten gegenwärtigen Chronotope vorgebracht werden könnten, zum anderen soll mittels eines Blicks auf wenige ausgewählte Abschnitte der Forschungsgeschichte nach dem Verhältnis der Gegenwart der Forschenden und der Deutung des mk Chronotops gefragt werden. 

Promoviert in Heidelberg mit einer Arbeit über Status und Statusverzicht im Neuen Testament bei Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gerd Theißen, Lehrtätigkeit in Mainz (1998-2001) und dort habilitiert mit einer Arbeit über die Gottesvorstellung im Markusevangelium (Erstgutachter Prof. Dr. Friedrich W. Horn), Professorin für biblische Theologie an der (Evangelischen) Hochschule Hannover (2001-2013), seit 2013 Professorin für Evangelische Theologie mit Schwerpunkt Biblische Theologie an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, Forschungsschwerpunkte im Markusevangelium, Ersten Petrusbrief und Ersten Korintherbrief, Bibelhermeneutik und Bibeldidaktik. 

Prof. Dr. Gudrun Guttenberger

Hempel, Charlotte

Die Materialität(en) des Landes: Perspektiven des geerdeten Lebens im Alten Testament und Frühen Judentum 

Im Alten Testament  - vor allem in den erzählenden Büchern - erscheint das Recht, im Land Israel zu leben und zu sterben als ein zentrales theologisches Konzept. Ausgehend von Rechtstexten und Debatten zur agrarischen Ökonomie und Praxis in der Bibel und in den Schriftrollen vom Toten Meer wendet sich dieser Vortrag neuen Perspektiven zu, die die Vorstellung eines geerdeten Lebens und Sterbens im Land in ein neues Licht rückt. Die gewonnenen Einsichten sind gegenwärtig theologisch relevant in einer Zeit, in der die prekäre Produktion und Nutzung der Früchte unserer Erde den Umständen der antiken Lebenswelt wieder ähnlich wird. 

Charlotte Hempel ist Professorin für Hebräische Bibel und das Judentum zur Zeit des Zweiten Tempels an der Universität Birmingham, UK wo sie auch den Fachbereich Philosophie, Theologie und Religion leitet. Sie ist die Verfassering bzw. Herausgeberin von neun Büchern, die aktuellsten The Community Rules from Qumran: A Commentary, Tübingen 2020; Minneapolis 2023 und mit George Brooke, T&T Clark Companion on the Dead Sea Scrolls, London 2018. Sie war Editor-in-Chief von Dead Sea Discoveries von 2012-2018 und fungierte als Präsident der British and Irish Association for Jewish Studies (2016) und Präsident der Society for Old Testament Study (2022). 

 

Prof. Dr. Charlotte Hempel

Markschies, Christoph

„Zeitansage“: Chancen und Probleme theologischer Versuche, der Gesellschaft den Takt zu geben.

Schon in der Antike hat christliche Theologie versucht,  beispielsweise durch die Berechnungen des Ostertermins (und des darauf beruhenden kirchlichen Kalenders) der Gesellschaft Zeitvorgaben zu machen (und ist dabei jüdischen Vorbildern gefolgt). Entsprechende „Zeitansagen“ waren Versuche, innerhalb und außerhalb der christlichen Kirchen Macht über die Zukunft zu gewinnen. Im Vortrag wird analysiert werden, wie diese Zeitsetzung technisch erfolgte, ob bzw. wo sie funktionierte und wie sie theologisch begründet wurde. Diese antike Form der „Zeitansage“ wird in einem zweiten Teil mit ausgewählten neuzeitlichen Beispielen kontrastiert und dabei auch ein abschließender Blick auf das Konzept des Deutschen Evangelischen Kirchentages als „Zeitansage“ geworfen. Chancen und Probleme solcher Zugriffsversuche auf Zukunft werden in einem Schlußteil komparatistisch beleuchtet werden. 

Christoph Markschies hat evangelische Theologie, Philosophie und klassische Philologie in Marburg, Jerusalem und Tübingen studiert. Als Professor für ältere Kirchengeschichte, historische Theologie und Antikes Christentum hat er in Jena, Heidelberg und Berlin gearbeitet, seit 2020 leitet er die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften in Berlin und (gemeinsam mit Eva Cancik-Kirschbaum und Hermann Parzinger) das Berliner Einstein Center Chronoi: Time and Awerness of Time in Ancient Societies, ein Forschungskolleg. Markschies lehrt regelmäßig auch in Jerusalem. Letzte Veröffentlichung: Ptolemaeus Gnosticus? Studien zur Valentinianischen Gnosis II, Tübingen: Mohr Siebeck, 2023. 

Prof. Dr. Dr. hc mult. Christoph Markschies

Merle, Kristin

„What is this knowledge for?“ Wissenspraktiken und Gesellschaftsrelevanz von Theologie 

Wissenspraktiken strukturieren Wirklichkeit und stellen diese über die Organisation von Wissen her. Dies tut auch die Theologie als Wissenschaft. Dabei werden zunehmend Wissensformationen und entsprechende Praktiken beanstandet, die sich an Gestalten ‚geschlossener‘ Expertise orientierten: Mitgeführt werden hier, so die Kritik, Formen epistemischer Ungerechtigkeit und die Reproduktion von Nichtwissen (in rassismuskritischer Perspektive spricht Charles W. Mills auch von white ignorance). Beides erscheint mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der Theologie problematisch. Welche Perspektiven eröffnen partizipative – auch durch digitale Technologien gestützte – Formen des Wissenserwerbs in der Bearbeitung herausfordernder Fragestellungen der Gegenwart? Und entscheidet sich die Zukunft der Theologie am Ende an ihrer Gesellschaftsrelevanz? 

Dr. Kristin Merle ist Professorin für Praktische Theologie an der Universität Hamburg. Sie arbeitet zum Verhältnis von Öffentlichkeit, Politischem und Religion, zur Mediatisierung religiöser Praktiken und zur Frage von Krisen und Praktiken der Kritik 

Prof. Dr. Kristin Merle

Moos, Thorsten

Die Zukunft des Hoffens. Transhumanismus und religiöse Rationalität

Unter den naturwissenschaftlich-technisch orientierten Ausgriffen auf die Zukunft ist der Transhumanismus der radikalste. Was es für die Menschheit zu hoffen gibt, ist letztlich die Überwindung des Menschen (und damit auch des Trägers der Hoffnung), wie wir ihn kennen. In seinen radikalen Zukunftsvisionen beerbt der Transhumanismus dabei zentrale Elemente einer christlichen Zukunftskultur und legt sie neu aus. Was ist daraus für die Zukunft des Hoffens zu lernen? 

Prof. Dr. Thorsten Moos ist Professor für Systematische Theologie (Ethik) an der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Er forscht zur Bio- und Medizinethik, zur Systematischen Theologie im Kontext der Bio- und der empirischer Kulturwissenschaften, zur theologischen Anthropologie und zum Begriff der Krankheit, zu ethischen Grundfragen kirchlichen und diakonischen Handelns sowie zur politischen Ethik in historischer und systematisch-theologischer Perspektive. 

Prof. Dr. Thorsten Moos

Nagel, Alexander-Kenneth

From Artificial Intelligence to Zombie invasion: ‘Apocalyptic’ imaginaries of the future in late modern societies

Der englischsprachige Vortrag beschäftigt sich mit säkularen Ausdrucksformen der apokalyptischen Krisenhermeneutik moderner Gesellschaften. Ausgehend von literaturwissenschaftlichen und wissenssoziologischen Debatten wird zunächst die semantische, syntaktische und pragmatische Struktur der säkularen Apokalyptik genauer bestimmt. In einem zweiten Schritt werden diese Unterscheidungen auf zwei aktuelle Fallbeispiele angewandt. Der erste Fall sind endzeitliche Zukunftsimaginationen in den neueren sozialökologischen Protestbewegungen Extinction Rebellion und Letzte Generation. Die Apokalyptik fungiert hier als eine Chiffre der Dringlichkeit, die ökologische Krise wird beschworen, um sie abzuwenden. Der zweite Fall sind endzeitliche Szenarien in der sogenannten Prepper-Szene. Die apokalyptische Situationsbestimmung ist in diesem Fall in ein konkretes Programm des individuellen Vorbereitungshandelns eingebettet. Der Vortrag schließt mit einigen Überlegungen zu den Grenzen des wissenssoziologischen Ansatzes und einem Ausblick zur Ausbildung einer „Apokalypse-Kompetenz“. 

Alexander-Kenneth Nagel studierte von 2000 bis 2005 Religionswissenschaft und Soziologie an der Universität Bremen und promovierte dort im Jahr 2008 mit einer Arbeit zur politischen Soziologie. Zwischen 2009 und 2015 war Nagel Juniorprofessor für Sozialwissenschaftliche Religionsforschung an der Ruhr-Universität Bochum, seit 2015 ist er Professor für Religionswissenschaft mit dem Schwerpunkt Sozialwissenschaftliche Religionsforschung am Institut für Soziologie der Universität Göttingen. Zu seinen Forschungsthemen gehören Religion und Migration sowie endzeitliche Naherwartungen in modernen Gesellschaften. Dazu erschien zuletzt: Corona und andere Weltuntergänge. Apokalyptische Krisenhermeneutik in der modernen Gesellschaft, Bielefeld: Transcript (open access). 

Prof. Dr. Alexander-Kenneth Nagel

Reichel, Hanna

Von „Was können wir wissen?“ zu „Was dürfen wir hoffen?“ Zu einer theologischen Hermeneutik der Zukunft

Die Zukunft – Raum von Möglichkeit und Unsicherheit – entzieht sich ontologischen Klassifizierungen in Sein/Nicht-Sein ebenso wie epistemologischen Klassifizierungen von Wahr/Falsch. Selbst „noch nicht,“ bestimmt die Zukunft doch „schon jetzt“ unsere Hoffnungen und Ängste, und wird umgekehrt durch unsere Erwartungen und Prognosen geprägt, wenn nicht gar mit hervorgebracht. Der Vortrag skizziert eine theologische Hermeneutik der Zukunft unter Berücksichtigung ihrer affektiven, politischen, und eschatologischen Züge von Theologien der Hoffnung zu Ansätzen von Queer Futurity und Anti-Futurity. 

Hanna Reichel ist Associate Professor of Reformed Theology am Princeton Theological Seminary (USA). Nach der Publikation von After Method: Queer Grace, Conceptual Design and the Possibility of Theology (WJK, 2023) arbeitet Reichel derzeit an einer Theologischen Anthropologie in Auseinandersetzung mit rezenten Anti-Humanismen. 

Prof. Dr. Hanna Reichel

Rivera, Mayra

The Time that Remains 

Climate catastrophes, experienced and anticipated, put pressure on our experience of time; making imaginaries of the end ubiquitous. Yet “the time that remains” is also meant to point to other dimensions of temporality—both the experiences of ruptures in time that accompany climate catastrophe and the persistence of past histories in the present. How then can we, should we imagine the future? This lecture will explore what climate change reveals about time, reflect on how it unsettles notions of the future and offer suggestions toward a theological reframing of hope. 

Mayra Rivera is Andrew W. Mellon Professor of Religion and Latinx Studies at Harvard University. Rivera works at the intersections between philosophy of religion, literature, and theories of coloniality, race and gender—with particular attention to Caribbean thought. Her most recent book, Poetics of the Flesh (2015), analyzes theological, philosophical, and political descriptions of “flesh” as metaphors for understanding how social discourses materialize in human bodies. She is also author of The Touch of Transcendence (2007) and co-editor of Planetary Loves: Spivak, Postcoloniality, and Theology (2010) and of Postcolonial Theologies: Divinity and Empire (2004).  Rivera is currently working on a project that explores the relationships between coloniality and ecology through Caribbean thought. 

Prof. Dr. Mayra Rivera

Wendel, Saskia

Eingespannt zwischen instrumentalisierter Religiosität und religiöser Indifferenz – welche Theologie hat Zukunft?  

Aus dem Tableau vielfältiger Herausforderungen, die an die Theologie ergehen und ihre Zukunftsfähigkeit austesten, greift der Vortrag zwei Aspekte heraus: die politische Instrumentalisierung von Religion(en), verknüpft mit Exklusionsmechanismen und teils auch mit fundamentalistischen Attitüden, und die stetig anwachsende Areligiosität. Beides, religiöse Überbeanspruchung wie religiöse Indifferenz, treibt Theologie in einen Krisenmodus bis hin zum Prognostizieren ihres eigenen Endes, viel stärker noch als explizite Antireligiosität. Der Vortrag geht der Frage nach, welche Art und Weise, Theologie zu treiben, angesichts dessen (noch) Zukunft haben kann. 

Saskia Wendel, geb. 1964, Dipl.-Theol., Dr. phil., Professorin für Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen, Vorstandsmitglied und Teilprojektleitung im SFB „Andere Ästhetik“ an der Universität Tübingen. 

Prof. Dr. Saskia Wendel