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Referenten und Referentinnen der FachgruppenAltes Testament

Beyerle, Stefan

Zukunft aus der Geschichte: Der Beitrag apokalyptischer Geschichtskonzepte zur Generierung von Zukunftserwartung 

In den antik-jüdischen Texten, die der literarischen Gattung „Apokalypse“ zugewiesen werden, spielen Geschichtserinnerungen eine wesentliche Rolle. Sei es, dass im Sinne der translatio imperii Weltreich-Abfolgen dynamisch symbolisiert werden (Dan 2 und 7), sei es, dass Geschichtserinnerungen der israelitischen und antik-jüdischen historischen Vergewisserung interpretierend revitalisiert werden (äthHen 85–90: Tierapokalypse), oder sei es, dass Standorte der je eigenen „apokalyptischen“ Existenz in einem Zeitschema bestimmt werden (äthHen 93,1–10; 91,11–17: Zehnwochenapokalypse). Während bislang die Geschichtshermeneutiken dieser Quellen gut erforscht sind, wurden Fragen apokalyptischer Zukunftserwartungen an ihnen eher implizit oder am Rande adressiert. 

Prof. Dr. Stefan Beyerle ist Professor für Altes Testament an der Universität Greifswald. Im Rahmen seiner Arbeit zu den kulturhermeneutischen Perspektiven der alttestamentlichen Wissenschaft ist er Mitherausgeber der Reihe „Theologie – Kultur – Hermeneutik“ (mit Matthias Petzoldt und Michael Roth) und Teil des "Kulturhermeneutische Sozietät e.V.". Im Bereich der Prophetie und Apokalyptik arbeitet Beyerle an einem Buchprojekt „Die Schrift des Amos in lebensweltlicher Perspektive“ sowie an Kommentaren zu Amos und Daniel.

Prof. Dr. Stefan Beyerle

Christiansen, Birgit

„Haben wir es im Griff?“ Der Umgang der Hethiter mit der Zukunft 

Nach der Vorstellung der Hethiter war alles Geschehen maßgeblich vom Willen und Handeln der Götter bestimmt. Zugleich waren sie davon überzeugt, dass sie auf beides Einfluss nehmen können. Eine unabdingbare Voraussetzung dafür war, den Sinn der Götter in Erfahrung zu bringen. Das wichtigste Instrument war hierbei die Befragung der Götter im Rahmen von Orakelverfahren und deren Protokollierung. In dem Vortrag soll ein Einblick in diese Textgruppe gegeben werden, die Aufschluss über die Vorstellungen der Hethiter von der Zukunft und ihren Umgang mit derselben gibt. Davon ausgehend sollen weitere Strategien vorgestellt werden, mittels derer die Hethiter versuchten, die Zukunft in ihrem Sinne zu gestalten.  

PD Dr. Birgit Christiansen ist Privatdozentin am Institut für Assyriologie und Hethitologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und wissenschaftliche Leiterin des Projekts „The Hittite Corpus of Divinatory Texts: Digital Edition and Cultural Historical Analysis“. Sie forscht zu den Sprachen und Kulturen des Alten Anatoliens, zu Schriftlichkeit und Mündlichkeit, zu Texttradierung sowie zu Divination, Magie, kultischer Praxis und Recht.

PD Dr. Birgit Christiansen

Maier, Christl

Prophetic discourse in a troubled world. A German perspective 

Prophets are contested figures – in the Bible and today. Most of the biblical prophets raise their voice to state what goes wrong in society and to announce an evil end for all. Their prophecy is often a relentless analysis of the present in a specific political and cultural context and an anticipation of its consequences for the future. At the same time, prophecy is always disputed because at the moment of its utterance, the audience does not know whether the prophet is right or wrong. While the biblical prophets ground their authority in a close relationship with God, today’s prophets rely on science, huge amounts of data, and expert knowledge. My paper will link Jeremiah’s message of doom to the discourse initiated by the “Fridays for Future”-activists who pronounce doom if drastic measures against climate change are not taken. For the German context, I suggest that theologians use their theological and thus moral expertise to engage not only in academic debates, but also in public discourses in order to actively participate in shaping the future for our communities in a troubled world. 

Christl M. Maier ist Professorin für Altes Testament an der Philipps-Universität Marburg. Sie forscht u.a. zu folgenden Schwerpunkten: alttestamentliche Prophetie und Weisheitsliteratur, Jerusalem als Stadt und Frau, Geschlechterbeziehungen und Lebensformen im antiken Israel, feministische Hermeneutik, postkoloniale und traumatheoretische Zugänge zur Hebräischen Bibel. Ein aktuelles Forschungsprojekt beschäftigt sich mit Traumastudien zum Jeremiabuch. 

Prof. Dr. Christl Maier

Paul, Ludwig

Futur und Zukunft im Rahmen der Zeitvorstellungen im Alten Iran

Jegliches Leben und Geschehen vollzieht sich in der Dimension der Zeit: es kommt aus der Vergangenheit und schreitet voran in die Zukunft. Vergangenheit und Zukunft sind nicht dem Menschen vorbehalten: auch Tiere leben aus der Erinnerung an Vergangenes und in der tätigen Vorbereitung auf Zukünftiges. Dem Menschen arteigen ist jedoch die Abstraktion, die Konzeptualisierung und kulturelle Ausgestaltung von Vergangenheit und Zukunft.

Vorstellungen von Zukunft und von dem, was den Mensch in der Zukunft erwartet, nehmen im kulturellen und religiösen Denken breiten Raum ein, hier seien als Beispiel nur die eschatologischen und Endzeitvorstellungen vieler religiösen Systeme genannt. Die sprachliche Gestaltung oder Kodierung von Zukunft oder von Zukunftsvorstellungen wird in diesen Zusammenhängen generell nicht als relevant oder diskussionswürdig wahrgenommen. Wenn überhaupt, wird der sprachliche Ausdruck der Zukunft durch die grammatische Kategorie "Futur" als natürlich gegeben angenommen.

Dies ist jedoch nicht der Fall. In manchen Sprachen gibt es keine grammatische Kategorie "Futur". In anderen Sprachen gibt es sie, sie ist zum Ausdruck zukünftiger Handlungen jedoch nicht notwendig (siehe auf Deutsch: Morgen gehe ich ins Kino). Was bedeutet dies? Gibt es eine Beziehung zwischen der Form/Struktur des sprachlichen Ausdrucks der Zukunft und den Vorstellungen von dieser? Sagt etwa die Nicht-Existenz der grammatischen Kategorie "Futur" in einer Sprache etwas über Zukunftsvorstellungen in der durch diese Sprache ausgedrückten Kultur aus?

Eine kulturhistorisch informierte Sprachwissenschaft vermag hierüber Aussagen zu treffen. Dies soll hier am Beispiel der alt- und mitteliranischen Sprachen und weiterer Sprachen aus dem Umfeld des Alten Iran (Griechisch, Hebräisch u.a.) geschehen. In folgenden methodischen Schritten wird vorgegangen:

1. Sprachtypologischer Ansatz: wie ist die Nicht-Existenz oder Nicht-Notwendigkeit des sprachlichen Ausdrucks von Zukunft im sprachtypologischen Vergleich zu bewerten?

2. Sprachgeschichtlich-iranisch: Wie wird die Zukunft in alt- und mitteliranischen Sprachen ausgedrückt? Hier sei als ein Aspekt die Entwicklung des altiranischen Konjunktiv zu einem funktionalen Futur im Alt- und Mitteliranischen erwähnt.

3. Gibt es eine Beziehung zwischen dem Ausdruck des Futurs im Alt- und Mitteliranischen und  entsprechenden Zeitvorstellungen in den alt- und mitteliranischen Kulturen des Zoroastrismus und Manichäismus?

4. Sind Vergleiche mit dem Ausdruck des Futurs in anderen Sprachen aus dem Umfeld des Alten Testaments (Griechisch, Hebräisch, Babylonisch etc.) möglich oder sinnvoll?

Ludwig Paul ist Professor für Iranistik an der Universität Hamburg. Aktuell forscht er im Rahmen von DFG-Einzelprojekten u.a. zu „Iranische Dialektliteratur der klassischen Periode: Die philologische Erschließung des Alt-Ṭabarī (10.-15. Jh. n. Chr.)“ und „Die dialektale Stellung und sprachgeschichtliche Entwicklung des Gorani, insbesondere sein Verhältnis zum Kurdischen“.

Prof. Dr. Ludwig Paul

Schellenberg, Annette

„Ich möchte die Stimme JHWHs … nicht mehr hören“ (Dtn 18,16). Zum Zeitfaktor in alttestamentlichen Aussagen zur Möglichkeit von Gotteserkenntnis

Die atl. Schriften sind sich grundsätzlich einig, dass JHWH erkennbar ist; im Einzelnen wird die Möglichkeit von Gotteserkenntnis im AT aber ganz unterschiedlich thematisiert. Wesentliche Unterschiede zeigen sich u. a. daran, ob bzw. wie der Zeitfaktor ins Spiel kommt. So unterscheiden manche Texte unterschiedliche Phasen, in denen Gotteserkenntnis besser/schlechter gelingt bzw. direkter/indirekter erfolgt. Und manche benennen die Vergangenheit und/oder Zukunft als Aspekte, die das Gelingen/Misslingen von Gotteserkenntnis in der Gegenwart (mit)bestimmen. Bei all dem geht es häufig nicht nur um die Frage der Erkennbarkeit Gottes; entsprechende Aussagen sind vielmehr für die Argumentation der Bücher insgesamt relevant. 

Prof. Dr. Annette Schellenberg ist Professorin am Institut für Alttestamentliche Wissenschaft und Biblische Archäologie der Universität Wien. Sie forscht zur Urgeschichte, zur Priester(schrift)lichen Literatur, zur Weisheitsliteratur und zum Hohelied sowie zur alttestamentlichen Anthropologie und zum Alten Testament und seiner Umwelt. Seit 2020 ist sie die Chefredaktorin von Vetus Testamentum.

Prof. Dr. Annette Schellenberg