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Referenten und Referentinnen der FachgruppenReligionswissenschaft und Interkulturelle Theologie

Bachmann, Judith

Endzeit und Zukunft: Traditionelle Divination in der Verschränkung (anti-)kolonialer, esoterischer und missionarischer Diskurse im Westafrika des 19. Jahrhunderts 

Die globale Christentumsgeschichte kritisiert zwar seit längerem das lineare Ausbreitungsnarrativ eines europäischen Christentums. Wenn sie jedoch die Ressourcen einheimischer Missionsangestellter benennt, droht sie häufig in historisch ungeklärte Vorstellungen von afrikanischer Tradition zu verfallen und greift dabei letztendlich doch auf global verwendete Kategorien zurück. Der Vortrag zeigt am Beispiel der Verwendung des Ifá-Orakels die Vorgeschichte dieses Zusammenhangs. Westafrikanische Intellektuelle verhandelten missionarische und koloniale Zuschreibungen und flochten dabei esoterische Ideen von Religion und Wissenschaft mit ein. Sie positionierten so traditionelle Divination global und entwarfen daran gleichzeitig das Programm einer eigenen unabhängigen Kirche. Sie stellen so einen transformativen Knotenpunkt der globalen Religions- und Christentumsgeschichte dar. 

Dr. Judith Bachmann ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin (PostDoc) in der Abteilung Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg. Sie forscht zur globalen Religionsgeschichte traditioneller Schreine in Nigeria, zu Hexerei im multireligiösen Yoruba-sprachigen Kontext sowie zur Pfingstbewegung. 2023 gewann sie den Dissertationspreis der Deutschen Vereinigung für Religionswissenschaft (DVRW). Sie ist Book Review Editor für die Zeitschrift PentecoStudies. 

Dr. Judith Bachmann

Hedges, Paul

Intercultural Theology, Decolonising Religion, and Epistemological Plurality 

Intercultural theology has been described as “the theological repentance of the North” (Ustorf 2008), but remains dominated by Eurocentric modes of knowledge production. Many calls for decolonisation have been made, and another would be easy, but what is the next step? Decolonising is a process, not something attained (decolonisation as a state), and showing how different epistemic voices add to our perspective will take us further. This includes what intercultural theology and religious studies look like “after religion”, which may seem to destabilise meaningful exchange but opens us to learning from other cultures, religious traditions, and Christianities. 

Dr Paul Hedges is Associate Professor in the Interreligious Relations in Plural Societies Programme (SRP), RSIS, Nanyang Technological University, Singapore. His research areas include interreligious studies, comparative and intercultural theologies, and theory and method in the study of religion. He has published fourteen books and over eighty academic papers. His two latest books are: Understanding Religion: Theories and Methods for Studying Religiously Diverse Societies (California University Press, 2021) and Religious Hatred: Prejudice, Islamophobia, and Antisemitism in Global Context (Bloomsbury Academic, 2021). He is working on a forthcoming book entitled Christian Polytheism? (Routledge). 

Prof. Dr. Paul Hedges

Maltese, Giovanni

Nicht-westliche Epistemologien, Dekolonialität und Interkulturelle Theologie: (Neue) Attraktivität und Problematik von Polyphoniemetaphern – und Pluriversalität 

Die Rezeption von Debatten um nicht-westliche Epistemologien und Dekolonialität scheint von einer begrifflichen Unklarheit geprägt. Diese ist, so die These des Vortrags, zum einen in Besonderheiten der dekolonialen Theoriebildung (und Abgrenzung von Postkolonialismus) selbst begründet. Zum anderen in einer nicht hinreichend konsequenten Auseinandersetzung mit dem Erkenntnisinteresse, Ort der Enunziation und der Leistungsfähigkeit der eigenen Arbeit – jedenfalls seitens jener Theologietreibenden, die in besagten Debatten als hegemonial positioniert werden. Werden theoretische Konzepte, in der Annahme, sie seien alle gleichwertig, assoziativ-relational aneinandergereiht, droht das, die kritisierten differenzhermeneutischen Ansätze zu reproduzieren. Der Vortrag sucht nach anderen Wegen, dekoloniale Kritik ernstzunehmen.  

Prof. Dr. Giovanni Maltese ist Inhaber des Lehrstuhls für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Malteses wichtigste Forschungsschwerpunkte liegen auf dem globalen Christentum und dem globalen Islam – insbesondere pfingstlich-charismatische, evangelikale und reformislamische Bewegungen – sowie auf konkurrierende Religionsverständnisse seit dem frühen 20. Jh. als Bedingungen gegenwärtiger gesellschaftlicher und politischer Dynamiken. Malteses Publikationen befassen sich u.a. mit Religionstheologien, Populismus und rechtsgerichtetem Autoritarismus sowie mit Konzeptualisierungen von Islam und geschlechtlicher Differenz in Süd- und Südostasien. 

Jun.-Prof. Dr. Giovanni Maltese

Middelbeck-Varwick, Anja

Ressource Religion?  Zum Profil einer nachhaltigen interreligiösen Theologie 

Ob „Religionsdialoge“ zur (global-) gesellschaftlichen Verständigung etwas Positives beitragen oder ob religiöse Motive nicht viel mehr weltweit Kriege und Gewalt hervorbringen, ist strittig. Theologie kann sich angesichts der Ambivalenz religiöser Potenziale nicht darauf beschränken, die diversen Formen interreligiöser Beziehungsgestaltung nur zu beschreiben oder Idealbilder gelingenden Zusammenlebens zu beschwören, sondern muss sich - religiös wie politisch - positionieren. Wie aber kann eine solche interreligiöse Theologie aussehen, die die Wahrheitsfrage nachordnet und die gelernt hat, mikroperspektivisch vorzugehen? Worauf basiert sie? Der Beitrag entwirft das Profil einer interreligiösen Theologie, die die globalen Nachhaltigkeitsziele der Weltgemeinschaft bedenkt. 

Prof. Dr. Anja Middelbeck-Varwick lehrt Religionstheologie und Religionswissenschaft am Fachbereich Katholische Theologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Hier verantwortet sie den Lehr- und Forschungsschwerpunkt „Theologie interkulturell“ und forscht auf dem Gebiet der christlich-muslimischen Beziehungen. 

Prof. Dr. Anja Middelbeck-Varwick

Strube, Julian

Zwischen progressiv und reaktionär: Esoterischer Zukunftsoptimismus im 19. Jahrhundert

Strömungen wie Spiritismus und Okkultismus formierten sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts inmitten der großen politischen Umbrüche Europas. Entscheidend dafür waren der frühe Sozialismus und dessen Konzeptionen von Perfektibilität mit aufklärungskritischer und heilsgeschichtlicher Prägung. Progressive Gedanken vermischten sich dabei mit der reaktionären Soteriologie eines Joseph de Maistre. Diese Ambivalenz blieb Teilen „der Esoterik“ eingeschrieben, in wachsendem Maße unter Einfluss nichtchristlicher und außereuropäischer Religionen, aber auch des biologischen Evolutionismus. Esoterische Zukunftsvorstellungen waren bemerkenswert optimistisch und von einem Fortschrittsglauben bestimmt, der die Transformation der Gesellschaft ausgehend von einem radikalen Individualismus anstrebte. 

Dr. Julian Strube ist Professor für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Georg-August-Universität Göttingen. Er arbeitet aus einer globalhistorischen Perspektive über die Beziehung zwischen Religion und Politik sowie über Debatten über die Bedeutung von Religion, Wissenschaft und Philosophie seit der frühen Neuzeit. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Austauschprozessen zwischen Indien, Europa und Nordamerika. 

Dr. Julian Strube

Walz, Heike

Inter-Dance, Religion und Spiritualität als epistemologische Herausforderung  

Tanz ist ein Zugang zur Welt, Tanz produziert Wissen, Tanzen ist Denken. Dies behaupten tanzwissenschaftliche Forschungen unter dem Einfluss von Embodiment-Ansätzen. Inwiefern läge hierin ein Erkenntnisgewinn für interkulturelle Religions- und Spiritualitätsforschungen? Könnte Tanz als ästhetisch-performatives Ausdrucksmittel zur Dekolonisation des Wissens beitragen? Der Vortrag geht diesen Fragen nach, da in etlichen religiösen Traditionen und im Weltchristentum, vor allem im globalen Süden, Tanz eine wichtige existenzielle, politische und spirituelle Bedeutung zugeschrieben wird.  

Prof. Dr. Heike Walz ist Lehrstuhlinhaberin für Interkulturelle Theologie und Religionswissenschaft an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau. Sie forscht zu Inter-Dance & Religion; Religion, Politik und Theologien in Lateinamerika; Dekolonisierung von Menschenrechten, Religion und (Post-)Migration; seit 2023 ist sie im Auftrag der EKD Mitglied in der Kommission „Glaube und Kirchenverfassung“ des ÖRK.  

Prof. Dr. Heike Walz