Sightseeing mit Bunsen
Ein Bummel durch die Geschichte der Chemie entlang der Hauptstrasse
Viele Heidelberger Chemiker haben nicht nur in der Geschichte der Chemie, sondern auch im Stadtbild Heidelbergs ihre Spuren hinterlassen. Der folgende kleine Spaziergang lädt alle historisch Interessierten ein, diese Stätten selbst zu erkunden. Als Ausgangspunkt für den Bummel empfiehlt sich der Bismarckplatz (s. Stadtplanskizze). Folgt man den Richtungsangaben im Plan, sollte der Streifzug, bis zu seinem Ende am Palais Weimar, nicht länger als 90 min dauern.
(1) In der Hauptstrasse 4 (gegenüber Kaufhalle) erinnert eine Gedenktafel an die private Forschungsstätte August von Kekulé's (Bunsen ließ die Habilitanden der Organischen Chemie nicht in "seinem" Institut weiterarbeiten(!), sie mußten sich folglich eigene Labors einrichten). Zwischen 1856 und 1858 postulierte Kekulé hier die Vierwertigkeit des Kohlenstoffs. Zu Kekule's Freundeskreis zählte Adolf von Baeyer, der bei Bunsen promovierte.
(2) Robert Bunsen war kaum ein Jahr in Heidelberg, als auf der Bleiche hinter dem Riesen entlang des "Heckenweg", wie damals die heutige Akademiestrasse hieß, mit dem Bau für das seinerzeit beste deutsche Hochschullaboratorium begonnen wurde. 1855 war das neue Gebäude mit fünfzig Arbeitsplätzen für Studenten und zweckmäßigen Räumen für Bunsens eigene Forschungen fertiggestellt. Am Südende des neuen Labors, entlang der Plöck und gegenüber dem Heckenmarkt (Friedrich-Ebert-Platz) wurde Bunsens Wohnhaus errichtet. In dieses zogen auch seine Nachfolger Victor Meyer und Theodor Curtius noch ein.
(3) Als Andenken an den großen Chemiker Robert Bunsen, der in Heidelberg von 1854 bis 1899 wirkte, ziert das Bunsen-Denkmal, flankiert von zwei allegorischen Figuren, den Platz zwischen Friedrichsbau und dem gegenüberliegenden "Haus zum Riesen", in dem Gustav Kirchhoff zusammen mit Robert Bunsen die Spektralanalyse entwickelte (Gedenktafel). Dem Friedrichsbau mußte in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts das ehemalige Dominikanerkloster (vgl. alte Stadtansichten), in dem sich zur Zeit Leopold Gmelin's das Chemische Institut befand, weichen.
(4) Der Chemiker Bunsen, das Universalgenie Hermann von Helmholtz und der Physiker Kirchhoff haben zusammen mit ihrem Freund dem Mathematiker Königsberger Heidelberg zu der international anerkannten Hochburg der naturwissenschaftlichen Forschung in Deutschland gemacht. Die besondere Bedeutung der drei Naturwissenschaftler wurde auch beim Bau der Heidelberger Stadthalle um die Wende zum 20. Jahrhundert nochmals betont. Dort sind die in Stein gehauenen Köpfe berühmter hiesiger Professoren als Schmuckelement an der Fassade angebracht, und zwar an der Westseite über dem Haupteingang (Oberhalb der Terrasse über der Eingangshalle). In der Mitte Hermann v. Helmholtz, links davon Robert Bunsen und rechts Gustav Kirchhoff.
(5) Ähnlich wie Kekulé mußte auch Emil Erlenmeyer seine Heidelberger Zeit unter Bunsen in einem Privatlabor verbringen, obwohl er von 1863 bis 1867 Professor der Chemie in Heidelberg war. Er hatte sein Forschungslabor in dem heute noch erhaltenen Haus Karpfengasse 6. Auch er hat wesentlich zur Kenntnis der Struktur organischer chemischer Verbindungen beigetragen und in Heidelberg erstmals die Doppelbindung und Dreifachbindung des Kohlenstoffs definiert.
(6) Auch Alexander Borodin, der spätere Professor für Chemie an der Universität in St. Petersburg, studierte bei Erlenmeyer in Heidelberg. Berühmt wurde er zumindest in Deutschland allerdings weniger als Naturwissenschaftler, dafür aber um so mehr als Komponist. Wie groß er als Chemiker war, man daran ersehen, daß er die Aldol-Reaktion und den später mit dem Namen Hunsdiecker verknüpften Abbau von Carbonsäuren entdeckte. Er wohnte in dem westlichen Eckhaus an der Einmündung der Friedrichstrasse in die Plöck also in unmittelbarer Nähe des Hauses von Gmelin.
(7) Leopold Gmelin wohnte lange Jahre mit seiner Familie in einem Flügel des Dominikanerklosters. Im Jahre 1847 zog er dann in sein neu erbautes Haus in der Plöck (Plöck 54), gegenüber der Friedrichstrasse, an dem heute eine entsprechende Erinnerungstafel angebracht ist.
(8) In der Schulgasse 2 (Barockhaus mit schöner Madonnenstatue rechts vom Portal der Jesuitenkirche) wohnte der Russe Dmitri Mendelejew - später durch das Periodische System der Elemente weltbekannt - während seiner Studienzeit bei E. Erlenmeyer.
(9) Im "Palais Weimar" (Hauptstrasse 235) lehrte ab 1784 Georg Adolph Succow Chemie, Physik, Biologie und Mathematik. Bei ihm habilitierte sich im Jahre 1813 Leopold Gmelin. Die Schule hatte ein für damalige Verhältnisse gut eingerichtetes chemisches Laboratorium, das im westlichen Seitenflügel des Palais untergebracht war.
(10) Sie befinden sich nun dicht unterhalb des Schlosses. In diesem ist für den Chemiker das Apotheker-Museum interessant. Es zeigt u.a. ein typisches chemisches Laboratorium aus dem Barock mit vielen Glasapparaturen, insbesondere Destillationsapparaten.
(11) Von Heidelberg aus gesehen hinter dem Schloß, findet man am vornehmen Schloß-Wolfsbrunnenweg die Villa Bosch. Diese war der Wohnsitz des Nobelpreisträgers Carl Bosch (1874-1940). Bosch entwickelte aufbauend auf Ergebnissen von Fritz Haber die industrielle Ammoniak-Synthese (Haber-Bosch-Verfahren). Gegenüber der Villa Bosch liegt das Carl Bosch Museum Heidelberg, das 1998 von Gerda Tschira eingerichtet wurde. Das Museum vermittelt Informationen über Leben und Werk von Carl Bosch und gibt darüber hinaus einen Eindruck vom wissenschaftlichen Leben und der Chemie-Industrie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Weiterfürende Links:
- Prof. Bernthsen: Die Heidelberger chemischen Laboratorien für den Universitätsunterricht in den letzten hundert Jahren (1929)
- Dr. E. von Meyer: Geschichte der Chemie von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart : zugleich Einführung in das Studium der Chemie (1905)
Text: G. Helmchen und T. Stork
(Aufbereitet durch P. Hindenberg)