Annotation und automatische Analyse von Moralisierungspraktiken in verschiedenen Wissensdomänen

 

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Projektleitung: Dr. Maria Becker
Kontakt: maria.becker (at) gs.uni-heidelberg.de

 

Link zu unserem Kooperationsprojekt 

Moralisierungen in der Wissenschaftskommunikation

 

Link zu unserem GitHub Repository

 

Imagefilm zur Heidelberger Linguistik und unserem Projekt

Aktuelles

  • 2023 und 2024 wurden zahlreiche Arbeiten unseres Forschungsprojekts in Form von Aufsätzen, Postern, Blogbeiträgen und Vorträgen veröffentlicht. Eine detaillierte Auflistung finden sich unter projektbezogene Veröffentlichungen und Vorträge.
  • 03/24: Im März 2024 hat unsere Projektleiterin Maria Becker einen vierwöchigen Forschungsaufenthalt am Centre for Digital Humanities in Utrecht verbracht und dort einen Vortrag zu unserem Projekt mit dem Titel Exploring (automatic) analysis of moralizations in argumentative contexts gehalten.
  • 11/23: Im November 2023 startete das BMBF-Projekt Moralisierungen in der Wissenschaftskommunikation – Ursachen, Formen und Wirkungen mit Maria Becker und Prof. Ekkehard Felder als Leiter des linguistischen Teilprojekts. Das Projekt baut auf die Vorarbeiten unseres Moralisierungsprojekts auf und untersucht sprachliche Muster von Moralisierungspraktiken in Diskursen über die Problemlagen Energiesicherheit, KI und Nahrungssicherung. Das Projekt wird in Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) durchgeführt. 
  • 07/23: Anfang Juli durfte unsere Projektleiterin Maria Becker zu Gast sein beim Marsilius-Kamingespräch zum Thema "Wissenschaftskommunikation vor dem Hintergrund neuer Technologien" (im Rahmen der Nature Marsilius Gastprofessur von Michele Catanzaro). Dabei ging es unter anderem auch um unser Moralisierungsprojekt, hier geht es zum Video.

 

Kurzbeschreibung des Forschungsprojekts

 

In dem Projekt "Annotation und automatische Analyse von Moralisierungspraktiken" erstellen wir ein Datenset mit Texten aus verschiedenen Sprachen und Wissensdomänen, in denen Sprachhandlungen des Moralisierens annotiert werden. 

Unter moralisierende Sprachhandlungen verstehen wir diskursstrategische Verfahren, in denen die Beschreibung von Streitfragen und erforderlichen Handlungen mit moralischen Begriffen enggeführt werden. Auf moralische Werte verweisendes Vokabular (wie beispielsweise “Freiheit”, “Sicherheit” oder “Glaubwürdigkeit”) wird dabei verwendet, um eine Forderung durchzusetzen, die auf diese Weise unhintergehbar erscheint und keiner weiteren Begründung oder Rechtfertigung bedarf. Dies sei anhand der folgenden Beispielannotation unten exemplifiziert, in der das Hochwertwort “Sicherheit” eingesetzt wird, um eine Forderung bezüglich einer Obergrenze für Geflüchtete zu untermauern:

 

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 Beispielannotation aus unserem Datensatz

 

Im Rahmen des Projekts sollen Korpora mit Moralisierungsinstanzen aus verschiedenen Wissenbereichen, Textsorten, Wissenskulturen und Sprachen erstellt und mit (linguistischen) Merkmalen annotiert werden, die charakteristisch für die Beschreibung von Moralisierungshandlungen sind. Zu diesen Annotationskategorien gehören (vgl. die Beispielannotation oben):

  • moralische Werte, wie sie von der Moral Foundations Theory (Haidt et al., 2012) kategorisiert werden (beispielsweise Care vs. Harm, Fairness vs. Cheating…)
  • Die Rollen und Gruppenzugehörigkeiten der beteiligten Protagonist:innen
  • Die kommunikative Funktion der Äußerung (nach Jakobson, 1979)
  • die Explizitheit bzw. Impliztheit der mit der Moralisierung einhergehenden Forderung.

 

Zur Annotation verwenden wir das Tool INCEpTION (Link zu unserer Use Case Beschreibung). Der entstehende Datensatz wird zur systematischen linguistischen Analyse sowie zur automatisierten Erforschung des Phänomens der Moralisierung  genutzt  - ein diffuses alltagssprachliches Konzept, das als Terminus der deskriptiven Linguistik operationalisiert werden soll.

Dabei sollen sowohl textsorten- als auch sprachvergleichendgearbeitet werden: Uns interessiert zum einen, welche linguistischen und funktional-pragmatischen Eigenschaften moralisierende Sprachhandlungen in verschiedenen Textsorten und Wissensdomänen aufweisen und was die Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind. Zum anderen wollen wir herausarbeiten, welche sprachlichen Mittel und Funktionen Moralisierungshandlungen in verschiedenen Sprachen und Wissenskulturen auszeichnen.

Wir verfolgen dabei einen Mixed-Method-Ansatz, der sowohl qualitativ-linguistische Analysen als auch quantitativ-automatisierte Auswertungen der Daten umfasst: Im Rahmen der linguistischen Analyse stehen dabei die Detektion und systematische Auswertung sprachlicher Oberflächenstrukturen und semantischer Tiefenstrukturen moralisierender Sprachhandlungen sowie Korrelationsanalysen der verschiedenen Annotationskategorien im Vordergrund.

In Kooperation mit dem Heidelberger Scientific Softwarecenter sollen darüber hinaus basierend auf den annotierten Datensätzen automatisierte Modelle entwickelt werden, die diese Annotationskategorien für unannotierte Datensätze automatisch vorhersagen können. Erprobt werden sollen unterschiedliche Modelle wie etwa feature-basierte Architekturen, traditionelle Klassifikationsmodelle sowie überwachte und unüberwachte Deep Learning Verfahren.

Wichtige Ergebnisse des Projekts werden die Verfügbarmachung und Kuration der annotierten Datensätze, die Ergebnisse der systematischen linguistischen Analysen von Moralisierungshandlungen sowie die Modelle zur automatischen Analyse und Evaluation sein. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der Fragestellung, welche Modelle und Methoden zur qualitativen und quantitativen Erforschung von Moralisierungen eingesetzt werden können, auf viele weitere komplexe geisteswissenschaftliche Forschungsfragen generalisieren lassen.

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Team

Die Forschungsgruppe besteht derzeit neben der Projektleiterin Maria Becker aus sechs studentischen Hilfskräften und einer Praktikantin aus den Fachbereichen Sprachwissenschaft, Psychologie und Computerlinguistik.

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Von links nach rechts; Carina Kiemes (Digitale Linguistik), Lars Tapken (Computerlinguistik), Alina Wenzlawski (Germanistik/Romanistik), Bruno Brocai (Germanistik/Anglistik), Barbara Daigeler (Psychologie), Rebecca Rodemer (Germanistik/Romanistik), Maria Becker (Linguistik/Computerlinguistik). Nicht auf dem Bild: Sina Helber (Germanistik/Romanistik).

 

Projektbezogene Veröffentlichungen

Becker, M.: Die Rolle der Diskursgrammatik bei der Detektion und Analyse sprachlicher Praktiken (im Druck). In: Müller, M., Reisigl, M., Becker, M., Bender, M., und Felder, E. (Hrsg.): Diskursgrammatik. Berlin/Boston: De Gruyter.

Becker, M.: Wenn das Wichtigste unausgesprochen bleibt: Überlegungen zu Formen und Funktionen des Impliziten (im Druck). In: Attig, M, Jacob, K, Müller, M. und Vogel, F. (Hrsg.): Netz und Werk. Zur Gesellschaftlichkeit sprachlichen Handelns. Berlin/Boston: De Gruyter. 

Kiemes, C. und Becker, M.: Formen und Funktionen von Moralisierungen in der Gesundheitskommunikation (im Druck). In: Atayan, V., Choffat, D., Czachur, W., Felder, E., Pasques, D. (Hrsg.): Diskursanalytische Perspektiven auf medizinische Fachkommunikation im europäischen Kontext Schriften des Europäischen Zentrums für Sprachwissenschaften (EZS). Heidelberg: Winter. 

Rodemer, R, Becker, M., Peykarjou, S. (angenommen): Wie ich das Kind zum Aufräumen bekomme – Moralisierungen in der Eltern-Kind-Kommunikation. In: Sprachreport 2/2024

Becker, M., Felder, E. und Müller, M.(2024): Moralisierung als sprachliche Praxis. In: Felder, E., Nüssel, F. und Tosun, J. (Hrsg): Moral und Moralisierung. Neue Zugänge. Band 57 der Reihe Sprache und Wissen (SuW). Berlin/Bosten: De Gruyter, S. 123-152.

Arendes, C. Becker, M., Felder, E., Große, S., Moos, T., Nüssel, F., Schlette, M., Schütz, N. und Zohlnhöfer, R. (2024): Moral und Moralisierung – Werkstattgespräch der beteiligten Disziplinen. In: Felder, E., Nüssel, F. und Tosun, J. (Hrsg): Moral und Moralisierung. Neue Zugänge. Band 57 der Reihe Sprache und Wissen (SuW). Berlin/Bosten: De Gruyter, S. 7-34.

Becker, M./Felder, E./Müller, M.(2023): Moral und Moralisierung: Linguistische Zugänge zu einem diskursrelevanten Phänomen. In: Deutsche Sprache, Zeitschrift für Theorie, Praxis und Dokumentation 51. Jg. Heft 1/2023, S. 26-50.

Becker, M./Brocai, B.(2023): Computationelle und manuelle Auswertung komplexer Textannotationen. Blogbeitrag auf DH Insights.

Becker, M./Ananth, S./Kiemes, C.(2023): The Moral Dimensions of Health. Blogbeitrag auf DiscourseLab.

Becker, M., Brocai, B. und Tapken, L.(2023): Detection and analysis of moralization practices across languages and domains. In: Trawiński B., Kupietz, M., Proost, K., Zinken, J. (Hrsg.): 10th International Contrastive Linguistics Conference. Book of abstracts. Mannheim: IDS-Verlag. S. 147-148.

Becker, M. und Brocai, B. (2023): Annotation und Analyse von Diskursakteuren in sprachlichen Moralisierungshandlungen (Poster). Jahrestagung des Forschungsnetzwerks Sprache und Wissen, Akademie der Wissenschaften, Heidelberg.

Becker, M. (2023): Möglichkeiten der automatisierte Analyse komplexer Forschungsfragen aus den Digital Humanties (Poster). Eröffnungsfeier des Heidelberg Center for Digital Humanities (HCDH), Heidelberg.

Becker, M./Brocai, B.(2023): Computationelle und manuelle Auswertung komplexer Textannotationen. Blogbeitrag auf DH Insights.

Becker, M./Ananth, S./Kiemes, C.(2023): The Moral Dimensions of Health. Blogbeitrag auf DiscourseLab.

Becker, M./Felder, E./Müller, M.(2023): Moral und Moralisierung: Linguistische Zugänge zu einem diskursrelevanten Phänomen. In: Deutsche Sprache, Zeitschrift für Theorie, Praxis und Dokumentation.

Becker, M./Felder, E. (2022): Moralisierung zwischen den Zeilen: Auf den Spuren einer kommunikativen Praktik. In: Jubiläumsheft der Zeitschrift für Diskursforschung, S. 266-277.

Becker, M., Kiemes, C., Tapken, L. (2022): Grammatik der Moralisierung (Poster). Jahrestagung des Forschungsnetzwerks Sprache und Wissen, Akademie der Wissenschaften, Heidelberg.

Becker, M. (2022): Automatisierte Analyse komplexer Forschungsthemen aus den Geisteswissenschaften - Herausforderungen und Grenzen (Poster). 27. Deutscher Germanistentag, Paderborn.

Projektbezogene Vorträge

03/24: "Exploring (automatic) analysis of moralizations in argumentative contexts". Centre for Digital Humanities Utrecht. (Maria Becker)

10/23: "Moralisierungen im Klimawandeldiskurs." Interdisziplinäre Autumn School „Sachlichkeit als Problem der Wissensvermittlung am Beispiel des Klimawandeldiskurses“. Heidelberg School of Education. (Maria Becker)

09/23: "Annotation und Analyse von Diskursakteuren in sprachlichen Moralisierungshandlungen." Graduiertenworkshop des Forschungsnetzwerks Sprache und Wissen, Heidelberg. (Maria Becker und Bruno Brocai)

12/23: "Emotion and moralization in the discourse on Europe." Conference on Citizenship, Multilingualism, and Pluralities: Challenges and Opportunities for Europe in the 21st Century, Warschau (Maria Becker, Bogdan Babych und Vahram Atayan)

07/23: "Qualitative und quantitative Analyse von Sprachhandlungsmustern in verschiedenen Sprachen und Domänen", Institut für Übersetzen und Dolmetschen, Universität Heidelberg (Maria Becker)

06/23: "Computationelle und manuelle Auswertung komplexer Textannotationen". Vortrag bei DH Insights, Universität Heidelberg (Maria Becker, Bruno Brocai)

01/23 "Annotation und Analyse von Moralisierungspraktiken in verschiedenen Wissensdomänen". Vortrag am Institut für Übersetzen und Dolmetschen, Universität Heidelberg (Maria Becker)

10/22: "Diskursgrammatik und sprachliche Praxis: Korpusgestützte Forschungsansätze" . Vortrag auf der Jahrestagung des Forschungsnetzwerks Sprache und Wissen (Maria Becker gemeinsam mit Dr. Michael Bender)

04/22: "Annotation und Analyse von Moralisierungspraktiken in verschiedenen Wissensdomänen". Werkstattbericht im Heidelberger Forum für Digital Humanities (Maria Becker)

04/22: "Moral und Moralisierung". Projektvorstellung am Institut für Deutsche Sprache, Forschungsgruppe "Sprachvergleichende Pragmatik: Normen, Regeln und Moral im alltäglichen Leben (NoRM-aL)" (Maria Becker gemeinsam mit Sven Bloching und Marcel Kückelhaus)

 

Kooperationspartner:innen

Heidelberg Center for Digital Humanities 

Scientific Software Center (SSC) Heidelberg

Discourse Lab (unter der Leitung von Prof. Marcus Müller, Lehrstuhlinhaber “Digitale Linguistik”/TU Darmstadt

Forschungsnetzwerk Europe as a discourse community

Dr. Ines Rehbein und Ines Reinig von der Data and Web Science Group an der Fakultät für Wirtschafts­informatik und Wirtschafts­mathematik der Universität Mannheim

 

Förderung

Das Projekt wird seit Oktober 2021 im Rahmen der Exzellenzuniversität auf Vorschlag des Heidelberger Forums Digital Humanities (HFDH) und des Research Councils gefördert  [Zur Projektseite]. Weitere Fördergelder stammen aus dem Young Marsilius Fellowship for Interdisciplinarity and Science Communication (YMFP) der Projektleiterin Maria Becker (Oktober 2021 - September 2022). Darüber hinaus haben wir eine Förderung vom Scientific Software Center (SSC) der Universität Heidelberg erhalten, die uns seit September 2022 bei der Entwicklung der computationellen Modelle zur automatischen Analyse von Moralisierungspraktiken unterstützen werden.

 

 

 

 

Bridge

 

Letzte Änderung: 05.05.2024
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