Atelier April 2024
Ein Atelier zum Gedenken an die Schoa
Ein Beitrag von Anna Scherer, erstes Jahr Deutsch-Französischer PhD-Track
Wenn auch das diesjährige Frühlingsatelier nur an zwei anstatt an drei Tagen stattfand, konnten die Teilnehmenden ein straffes Programm einhalten, das von spannenden Führungen und großen Vorhaben bis hin zu kleinen Überraschungen reichte. Ein Rückblick auf den 4. und 5. April in der französischen Hauptstadt.
Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert
Vor der Kulisse der Dekoration zu den Olympischen Spielen auf dem Campus Condorcet stellten die Studierenden und die Doktoranden des Programms ihre Projekte vor. Dieses Mal erwartete die Teilnehmenden eine große Vielfalt an Themen: Eva Marie Heimers und Teresa Göltl präsentierten zum ersten Mal ihre Promotionsprojekte, in denen die Jenseitsvisionen frühmittelalterlicher Visionärinnen und Gerichtsprozesse gegen Sklavenhalter in den französischen Kolonien Martinique und Guadeloupe im Zentrum stehen. Johannes Bosch und Theo Müller stellten den Fortschritt ihrer bereits mehrere Semester laufenden Projekte mit den Titeln „Varianten einer Rückkehr zur Natur. Der Naturismus in Transnationaler Perspektive“ und „Die Kollegen jenseits des Rheins. Eine deutsch-französische Geschichte der Professionalisierung des Journalismus 1944–1995“ vor. Die Masterstudierenden Felix Wiegandt, Vincent Chaumet, Chloé Lopez, Bianca Brendel und Joris Rastel hatten ebenso die Möglichkeit, ihre Themen vor einem breiteren Publikum zu präsentieren; ihre Titel lauten: „Die Bekämpfung der Schlafkrankheit in Kamerun 1906–1916“, „Marokko unter Androhung des Protektorats, auf der Suche nach dem ersten Gegenstand einer vergleichende Geschichte (Sozialgeschichte, Politische Soziologie) des arabischen und islamischen Raumes um die Jahrhundertwende“, „Paukerschaft: Eine spezifische Form der Homosexualität in NS-Konzentrationslagern (1933–1945)“, „Beziehungen zwischen tschechischen und französischen KZ-Häftlingen“ und „Ingenieure aus dem Russischen Reich in der Migration im Frankreich und Deutschland der Zwischenkriegszeit“. Gemeinsam sprachen Studierende und Dozenten über die chronologischen und geographischen Schwerpunkte der Themen, sie schlugen sich gegenseitig Literatur vor und überlegten, welche weiteren Quellen für sie infrage kommen könnten.
Die Bedeutung des Erinnerns
Im Mittelpunkt des Ateliers stand die Razzia des Wintervelodroms am 16. und 17. Juli 1942 (Rafle du Vél’ d’Hiv), die Massenfestnahme von Juden durch die Pariser Polizei während des Zweiten Weltkriegs, der über 13.000 Menschen zum Opfer fielen. Sie wurden in das Durchgangslager von Drancy und in den Velodrome gebracht. Von dort aus wurden sie durch die Deutschen in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert.
Die Teilnehmenden des Ateliers besuchten hierzu das Mémorial de la Shoah à Drancy. Die Führung durch das Dokumentationszentrum machte deutlich, wie wichtig das Gedenken an das Ereignis für eine gelungenes gesellschaftliches Zusammenleben ist. Der Museumsmitarbeiter führte die Teilnehmenden durch das Dokumentationszentrum, in dem die Besucher eine Ausstellung mit Bildern, Modelle des Lagers und eine Bibliothek erwarten. Wie der Museumsführer berichtete, wurde eine infame Propagandamaschinerie betrieben; Fotografien wurden manipuliert und Blätter geschrieben, um Juden in ein schlechtes Licht zu stellen. Die Lebensbedingungen im Lager hielt der Zeichner Georges Horan in seinen Bildern fest. Viele Menschen mussten auf engem Raum mit unzureichenden sanitären Einrichtungen zusammenleben. Das Gebäude, in dem die Gefangenen wohnten, formte ein „U“ und verfügte über einen großen Hof. Eine Reihe von Graffiti, die von den Gefangenen in den Kellern des Lagers stammen, hat sich erhalten. Sie ritzten ihre Namen und das Datum, an dem sie deportiert werden sollten, an die Wand. Das ehemalige Lager besteht heute aus Sozialwohnungen. Unweit des ehemaligen Lagers wird durch Tafeln und Statuen auf die Razzia gegen die Juden hingewiesen. Erst ab den 60er-Jahren wurden die ersten Gedenkstätten zur Erinnerung an das Ereignis errichtet. Zunächst wurde ausschließlich auf die Verantwortung der Nationalsozialisten aufmerksam gemacht, erst im Laufe der Zeit wurde auch die Beteiligung des Vichy-Regimes betont. Eine Gedenktafel aus den 90er-Jahren gegenüber dem Dokumentationszentrum weist auf die Verbrechen von 1942 unter der Verantwortung des Vichy-Regimes hin.
Der Studiengang hat Großes vor
Lara-Marie Frick, eine der Masterstudentinnen des Programms, drehte ein neues Image-Video für den Studiengang, das den Anwesenden beim Atelier voller Vorfreude vorgestellt wurde. Die Dozenten Sven Externbrink und Julien Blanc berichten darin von dem wissenschaftlichen Austausch unter Studierenden, Doktoranden und Wissenschaftlern, den das Programm ermöglicht. Auch die Studierenden Henrike Scharff und Sigfrid Socher sowie die Doktorandin Stefanie Siess loben in dem Video den Studiengang, sei er doch eine hervorragende Möglichkeit, um verschiedene wissenschaftliche Traditionen kennenzulernen und sich auf eine Karriere in der Geschichtswissenschaft vorzubereiten. Die Teilnehmenden ließen das Atelier bei einem gemeinsamen Essen im „Le Trumilou“ im vierten Arrondissement erfolgreich ausklingen.
Der Alumni-Verein HEIPAR des Deutsch-Französischen Studienganges nutzte das Atelier, um den Mitgliedern das neue Logo des Vereins und die neuen Taschen vorzustellen. Die Studierenden nahmen die Taschen glücklich entgegen.
Ein herzliches Dankeschön an alle Organisatoren des Ateliers. Besonderer Dank gebührt Jakob Fesenbeckh, Emmanuel Saint-Fuscien, Julien Blanc sowie Florian Pfeiffer und Thomas Maissen. Das nächste Winteratelier wird im Dezember in Heidelberg stattfinden.