Kai Gräf
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Germanistisches Seminar
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nach Vereinbarung
Zur Person
2020–2022
Promotionsstipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes
2017–2019
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg
2017–2018
Pressereferent im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg
2016–2017
Volontariat im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg
2009–2016
Studium der Geschichte, Germanistik, Politikwissenschaft und Philosophie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Queen Mary University of London, Abschluss: Staatsexamen
Dissertationsprojekt
Zur Vorgeschichte des ‚Atheismusstreits‘: Die Diskussion über den Unglauben in der Spätaufklärung
Am Anfang des Dissertationsprojekts steht ein paradoxer Befund: Obwohl atheistische Überzeugungen in der Frühen Neuzeit eine Ausnahme blieben, wurde das Phänomen des Unglaubens in der gebildeten Öffentlichkeit häufig und kontrovers diskutiert. Am Ende des 18. Jahrhunderts erlebte die Debatte einen spektakulären Höhepunkt, als mit Johann Gottlieb Fichte einer der prominentesten Philosophen seiner Zeit durch den Vorwurf des Atheismus seine Professur verlor. Die Forschung zu dieser als ‚Atheismusstreit‘ in die deutsche Geistesgeschichte eingegangenen Auseinandersetzung übersieht häufig, dass die berühmte Streitsache in einem breiteren diskursiven Kontext steht. Schon im Vorfeld hatte sich nämlich die Debatte über Unglauben und Atheisten intensiviert: Vor dem Hintergrund realgeschichtlicher Dechristianisierungserfahrungen einerseits und philosophischer Säkularisierungstendenzen andererseits diente das Schreckgespenst des Atheismus nicht nur als beliebtes Motiv der Zeitdiagnostik, sondern wurde auch als Diffamierungsbegriff für heterodoxe Positionen gerne herangezogen. Aus der Sicht der politischen Theorie und Moralphilosophie markierten Atheisten die hermeneutische Grenzfigur des Tolerablen: Wenn Religion gemeinhin als Garantie für die öffentliche Ordnung galt, konnte dem ‚Atheisten‘ nur die Rolle des Staatsfeinds zukommen. Positive Bekenntnisse zum Atheismus finden sich dagegen nur selten.
Der so skizzierten Diskussion um den Unglauben will sich das Dissertationsprojekt diskursanalytisch nähern. Es will dabei weder Doxographie atheistischen Gedankenguts sein noch eine reine Feindbildgeschichte schreiben, sondern die verschiedenen Facetten des spätaufklärerischen Diskursphänomens ‚Unglaube‘ in den Mittelpunkt stellen: als historisches und philosophisches Problem, als politische Kategorie, als individuelles Bekenntnis, als Zuschreibung und Feindbild, als literarisches Motiv. Da der Atheismusstreit dabei den Fluchtpunkt der verschiedenen Diskussionsstränge bildet, darf die geplante Studie auch als ‚Vorgeschichte des Atheismusstreits‘ verstanden werden. Auf diese Weise will sie nicht nur einen Beitrag zur Ideengeschichte weltlicher Heterodoxien im ausgehenden 18. Jahrhundert leisten, sondern auch an aktuelle Forschungsdebatten über den Zusammenhang von Aufklärung und Religion anschließen. Als ideengeschichtlich ausgerichtete Arbeit bewegt sie sich dabei an der Schnittstelle von Literaturwissenschaft, Geschichtswissenschaft und Philosophiehistorie.
Publikationen
Baupläne einer vernünftigen Religion. Deutsche Spätaufklärer zwischen Unglaubensverdacht und deistischer Utopie, in: Aufklärungen. Strategien und Kontroversen vom 17. bis 21. Jahrhundert (Beihefte zum Euphorion, 117), hg. v. Johannes Birgfeld, Stephanie Catani u. Anne Conrad, Heidelberg 2022, S. 291–304.
Critique and Crisis in Context: Rereading Reinhart Koselleck’s Interpretation of the Enlightenment, in: Crisis and Renewal in the History of European Political Thought, hg. v. Cesare Cuttica u. László Kontler mit Clara Maier (History of European Political and Constitutional Thought, 4), Leiden/Boston 2021, S. 44–62.
Rezension zu: Albrecht Beutel, Der „fromme Laie“ Justus Möser. Funktionale Religionstheorie im Zeitalter der Aufklärung, Tübingen 2020, in: Arbitrium 39 (2021), S. 188–191.
Rezension zu: Margaret C. Jacob, The Secular Enlightenment, Princeton/Oxford 2019, in: Francia-Recensio 2020/1, <https://doi.org/10.11588/frrec.2020.1.71824>.
„Beweis, daß der Atheismus keineswegs eine gefährliche Lehre sei“ – Fichte, Forberg und der Atheismusstreit, in: Verfolgter Unglaube. Atheismus und gesellschaftliche Exklusion in historischer Perspektive, hg. v. Susan Richter, Frankfurt a. M./New York 2018, S. 177–204.
Rezension zu: Dreier, Horst: Staat ohne Gott. Religion in der säkularen Moderne, München 2018, in: H-Soz-Kult, 2.5.2018, <http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-29304>.
Kriegsbegeisterung und geistige Mobilmachung: Das „Augusterlebnis“ in Heidelberg, in: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt 2015, Jg. 19 (2014), S. 87–104.
Weitere Beiträge in H-Soz-Kult, GEO EPOCHE, Kirche und Recht u.a.
Vorträge
Schwellen des Unglaubens. Das Deismusproblem in der deutschen Spätaufklärung — Die Sprachen der Frühen Neuzeit. 14. Arbeitstagung der AG Frühe Neuzeit im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands, Bamberg, 23. September 2022.
An Unpopular Discipline. Debating Intellectual History in Germany from the 1930s to the 1990s — From Cambridge to Bielefeld – and back? British and Continental Approaches to Intellectual History (German Association for British Studies Annual Conference), Humboldt-Universität Berlin, 2. Juni 2022 (mit Sebastian Schütte).
Wie säkular war die Aufklärung? Deutsche Spätaufklärer zwischen Religionskritik und Atheismusverdacht – Kampfbegriff „Aufklärung“. Intellektuelle Strategien und transkulturelle Kontroversen, Universität des Saarlandes, Saarbrücken, 1. Oktober 2020.
The Limits to Toleration. Atheists in the Political Thought of the Enlightenment – 11th Annual London Graduate Conference in the History of Political Thought, London, 18. September 2020.
Reinhart Koselleck and the Post-War Conservative Critique of the Philosophy of History – Post-1945 German Conservatism, Intellectual and Political. International Conference, Ungarische Akademie der Wissenschaften, Budapest, 12. April 2019.
Critique and Crisis in Context. Rereading Reinhart Koselleck’s Interpretation of the Enlightenment — Crisis and Renewal in the History of Political Thought. Fifth International Conference of the European Society for the History of Political Thought, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 12. Oktober 2018.
„Necessarily a depotism“? Kant and Democracy – Political Thought and Intellectual History Graduate Workshop, University of Cambridge, 6. Juni 2017.
Lehrveranstaltungen
Wintersemester 2020/21
Übung: „Vom Sinn und Unsinn der Geschichte“. Lektürekurs zum Werk Reinhart Kosellecks
Wintersemester 2018/19
Übung: Lektürekurs zur Theorie der Ideengeschichte
Sommersemester 2018
Übung: Die europäische Aufklärung. Debatten und Kontroversen