1933 – 1945 Heidelberger Kunstgeschichte in der NS-Diktatur
Völkische Tendenzen vor 1933
Fotografie aus dem Bestand der Fotothek mit Widmung Pudors.
© Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg.
Völkisches Gedankengut hat bereits vor 1933 eine Heimat in der Heidelberger Kunstgeschichte. Henry Thode wirbt mit Publikationen und Vorträgen aktiv für das „Deutschtum“ und tritt 1907 dem Ehrenbeirat des völkischen Werdandi-Bunds bei. Der antisemitische Publizist Heinrich Pudor (1865-1943) gehört ebenso zum Umfeld des Instituts wie die spätere NS-Kunstideologin Bettina Feistel-Rohmeder (1873-1953).
Kunstgeschichte „in völkischem Geist“
Hermann Güntert über Schrade in einem Brief an den Rektor der Universität Heidelberg, 14. Mai 1935
Fragebogen zur Feststellung der arischen Abstammung Schrades.
© Universitätsarchive Heidelberg, B-7547.
1935 empfiehlt der Dekan der Philosophischen Fakultät die Schaffung eines Lehrstuhls für deutsche Kunstgeschichte, der mit Hubert Schrade besetzt werden soll. Schrade habe sich stets „in völkischem Geiste betätigt“ und sei „deshalb in der liberalistischen Zeit früher von allen Seiten unterdrückt“ worden. Tatsächlich stellt sich Schrade ab 1933 mit Publikationen wie Der gegenwärtige Kampf um die bildende Kunst (1933), Das deutsche Nationaldenkmal (1934) und Bauten des dritten Reichs (1937) bereitwillig in den Dienst der Diktatur.
„Als Böser in einem blutrünstigen Theaterstück“
Hermann Lenz: Andere Tage. Köln 1968, S. 154.
Hermann Lenz: Andere Tage. Köln 1968. © Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg.
In seinem autobiographischen Roman Andere Tage schildert Hermann Lenz (1913-1998) die Situation am Kunsthistorischen Institut aus der Sicht des Studenten Eugen Rapp: „Die Spannung zwischen Grauerbach [Grisebach] und jenem Bärtigen [Schrade] übertrug sich auf die Studenten, weil der Bärtige den Grauerbach wegdrücken wollte, denn Grauerbachs Frau war Jüdin; und deshalb gab es solche, die zu Grauerbach gehörten (‚Wir sind in der Minderzahl‘) und jene, die der Bärtige mit dem rollenden R um sich versammelt.“
„Mitläufer ohne Maßnahmen“
Um Schrade eine Professur zu verschaffen, wird der Philosoph Ernst Hoffmann (1880-1952) als „jüdischer Mischling“ zur Aufgabe seines Lehrstuhls gezwungen. Nach der Vertreibung August Grisebachs 1937 wird Schrade 1938, inzwischen Parteimitglied, alleiniger Ordinarius für Kunstgeschichte in Heidelberg. Trotz seiner erheblichen Verstrickungen mit dem NS-Regime wird Schrade 1949 als „Mitläufer ohne Maßnahmen“ entnazifiziert. 1954 beruft die Universität Tübingen ihn zum Leiter des Kunsthistorischen Instituts, eine Position, die er bis 1964 innehat.