1971 – 1972 Studentenrevolte am Kunsthistorischen Institut
„Dem Lehrkörpter nicht nur aufs Maul, sondern auch auf die Finger schauen“
Flugblatt der Studentenvertreter des Kunsthistorischen Instituts, Sommersemester 1971
Flugblatt der Studentenvertreter des Kunsthistorischen Instituts, 1971. © Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg.
Bereits im Sommersemester 1971 kommt es zum Konflikt, als nach den Worten der Studentenvertreter „das einstimmige Votum der Studenten für den Assistentenkandidaten [Wilfried] Ranke abgewürgt“ und „stattdessen der gefügige Vollstrecker professoraler Interessen ([Franz] Matsche) inthronisiert“ wird. Die Studentenvertreter sehen in der Wahl des Assistenten eine politische Entscheidung im Sinne des Bundes „Freiheit der Wissenschaft“, der 1970 als Reaktion auf die Studentenbewegung gegründet worden war.
Kritik der bürgerlichen Kunstwissenschaft
Programm zur Kritik der bürgerlichen Kunstwissenschaft, 1972. © Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg.
Gleichzeitig mit der Bestreikung des regulären Lehrbetriebs organisiert das Streikkomitee (Jenns Howoldt, Brigitte Joswig, Lothar Klatt, Susanne Lieberknecht, Ulrich Schütte, Frank-Ulrich Vögely) ein einwöchiges Vortrags-Programm „zur Kritik der bürgerlichen Kunstwissenschaft“. Teilnehmer des Programms sind u.a. Horst Bredekamp (Savonarola und der Bildersturm), Martin Warnke (Organisation der Hofkunst) und Wolfgang Kemp (Körpermimik und Kompositionsgesetze in der bürgerlichen Malerei des ausgehenden 18. Jahrhunderts).
„Eine schwierige und dramatische Zeit“
Hans Belting, unveröffentlichtes Interview 2001
Hans Belting verfasst am 31. Mai 1972 im Auftrag des Dekans einen Bericht über die Kontroverse um die Vergabe von Lehraufträgen und den studentischen Streik am Kunsthistorischen Institut. Später erinnert er sich an die Studentenrevolte als an „eine schwierige und dramatische Zeit“, in der das Institut „auch überregional im Zentrum der Beobachtung“ gestanden habe.
Auch Peter Anselm Riedl empfindet das Klima in Heidelberg in der Erinnerung als „unvorstellbar belastend“. Dennoch profitiert Riedl auch von der Auseinandersetzung mit den Forderungen der Studierenden: „Das war alles hart und schwierig, aber ich gebe gerne zu, auch viel dabei gelernt zu haben. Damals wurde viel Dünkel abgebaut, und wenn man das einsah, ohne sich zugleich der linken Doktrin zu beugen, war man eben ein Scheißliberaler“.