Ausstellung zum ehemaligen Benediktinerkloster Schwarzach
Schwarzach liegt zwischen Rastatt und Straßburg nahe dem Rhein und gehört zur Seelsorgeeinheit Rheinmünster. Nach Grabungen und Reromanisierungen der Kirche wurde 1969 auf dem Gelände des ehemaligen Benediktinerklosters das Pfarrhaus neu gebaut. Zwischen Sakristei und Pfarrbüro, für Besucher frei zugänglich, wurde in einem schmalen Gang ein „Lapidarium“ eingerichtet. Neben steinernen Fragmenten stellten hier archäologischen Funde, Pläne und Modelle einige Ergebnisse aus den Forschungen zur Geschichte des Klosters dar. Weitere steinerne Zeugen der Klostergeschichte waren in romantischer, aber konservatorisch unhaltbarer Situation im Klostergelände zu entdecken.
Pfarrer Rolf Stehlin wünschte sich eine Modernisierung der Didaktik und der Gestaltung der Ausstellung. Heller, freundlicher und allgemeinverständlicher sollte die Rolle der Objekte in der fast 1300-jährigen Klostergeschichte dargestellt, sowie das monastische Leben in einem Benediktinerkloster thematisiert werden.
Ausstellungsbereich von 1969-2009 |
Mit diesem Wunsch wandte sich Pfarrer Stehlin 2006 an Prof. Dr. Untermann. Dieser warf seine Doktorandin Tina Schöbel ins kalte Wasser: neben inhaltlicher und gestalterischer Neukonzeption waren Verhandlungen mit dem Bauamt, Koordination der Arbeiten von neun verschiedenen Firmen und immer wieder die Abstimmung mit der Gemeinde zu bewältigen, um alle Interessen unter ein Dach und alle Steine ins Trockene zu bringen. Als „Schwimmflügel“ halfen der Doktorvater selbst sowie die Kommilitonin Charlotte Lagemann – und immer wieder die Begeisterungsfähigkeit des Pfarrers, der weit über seiner Gemeinde hinaus viel Verständnis und Unterstützung für das Projekt einwarb. So konnte am 23. Mai 2009 die neue Ausstellung „Benediktinerkloster Schwarzach“ unter großer Anteilnahme der Gemeinde eröffnet werden.
Ausstellungsbereich nach der Umgestaltung 2009 |
Die neue Ausstellung präsentiert die Geschichte der ehemaligen Benediktinerabtei Schwarzach von den Restaurierungen und archäologischen Untersuchungen des 20. Jahrhunderts bis zurück zur Entstehung im 8. Jahrhundert. Nach einem Eingangsbereich mit geschichtlichem Überblick werden in sechs Bereichen verschiedene Zeiträume mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten kombiniert, um den Besuchern möglichst viele Aspekte der Klostergeschichte darzubieten:
- Archäologische Forschung im 20. Jahrhundert – Grundlage der Rekonstruktion von Bauten und Geschichte
- Reromanisierungskampagne 1964-69 – mittelalterliche und historische Farbfassung des Kirchenraums
- 19. Jahrhundert – Historismus und Denkmalpflege
- Barockzeit – Bauten der Schwarzacher Klosteranlage
- Hochmittelalter – Zuordnen von Steinfragmente in ihren ursprünglichen Kontext sowie Steinbearbeitung
- Frühmittelalter – Klosterleben unter der Benediktsregel
Um die ausgetauschten Langhauskapitelle in ihrer ursprünglichen Untersicht erfahrbar zu machen, wurden sie auf Trägern unter die Decke gehoben. Diese betonten Vertikalen auf gesamter Raumhöhe teilen den Raum gleichzeitig in die Themengebiete ein. Zu jedem Bereich erläutert eine Texttafel die geschichtliche Phase und den Themenschwerpunkt an Hand der ausgestellten Objekte.
Ausstellungsbereich "Archäologie" |
Ausstellungsbereich "Hochmittelalter" |
Eigens für die Ausstellung entworfene Stahlstützen präsentieren die statisch anspruchsvollen steinernen Ausstellungsstücke, während für die archäologischen Funde zwei Vitrinen angeschafft wurden. Pläne, Zeichnungen, Fotos sowie ein Schieberahmen mit übereinanderblendbaren Zeitschichten und die neue Einbindung eines alten Klostermodells bieten vielfältige Zugangsmöglichkeiten zu den präsentierten Themen.
Ein Fokus der Gestaltung lag auf einer Präsentation, die die Objekte für den Betrachter wieder in ihren ursprünglichen Zusammenhang stellt. „Lebensgroße“ Zeichnungen helfen bei einigen Fragmenten einen architektonischen Kontext zu sehen; wie z. Bsp. die Verbindung zweier Bögenfüße zu einem kompletten Bogen.
Ausstellungsbereich "Reromanisierung 1964-69" |
Kreuzgangrekonstruktion |
Ein Kraftakt für alle Beteiligten, auch im wörtlichen Sinne, war der Aufbau eines Abschnitts des hochmittelalterlichen Kreuzgangs. Nicht am historischen Ort, aber doch in einer realistischen Situation zwischen Kirche und Ausstellung können die Besucher ein wenig „Kreuzganggefühl“ nachempfinden. Die Ergänzungsteile wurden bewusst - wie die Trägersysteme der Ausstellung - in Stahl angefertigt, damit die Originale auf Anhieb unterscheidbar bleiben.
Die übrigen Steinfragmente der Klosteranlage befinden sich nun im nahe gelegenen Beinhaus. Dieses neue Lapidarium bildet mit den Resten der Klosteranlage Stationen eines anschaulichen Rundganges durch das ehemalige Klostergelände, welcher auf einem Flyer zur Ausstellung verzeichnet ist.
Neben der vielen praktischen Erfahrung brachte das Projekt auch die immer wieder wichtige Erkenntnis, dass selbst im Endspurt zum Eröffnungstermin in der Museumsarbeit die Forschung nicht aus dem Blickfeld geraten sollte. Die Durchsicht des vorhandenen Materials ergab eine neue kunsthistorische Einordnung der Klosterkirche, die stark vom älteren Forschungsstand abweicht. Befunde am Mauerwerk sowie die Stilformen im Abgleich mit romanischen Bauten der oberrheinischen Kunstlandschaft legen eine Bauabfolge von West nach Ost in der Zeit zwischen etwa 1150 bis 1190 nahe. Damit fügen sich die Bauformen mit dreischiffiger Vorkirche, dreischiffigem gewölbtem Sanktuarium, fünf gestaffelten Apsiden sowie flachen Decken in Querschiff und Langhaus auch wesentlich besser in die seit dem 11. Jh. von Hirsau ausgehenden Reformbestrebungen ein. Eine gründliche Bearbeitung dieser bemerkenswerten Kirche, etwa im Rahmen einer Magisterarbeit, bleibt jedoch ein dringendes Desiderat!
Text und Fotos: Lagemann / Schöbel